Blogparade: mein Leben im Ausland

Tafel mit der Aufschrift "Teamwork" und in verschiedenen Farben aufgemalten Personen

Leben im Ausland: Wiederholungstäter

Der Einladung von Lisa, an ihrer Blogparade Leben im Ausland teilzunehmen, komme ich gerne nach. Im Gegensatz zu den meisten bisherigen Teilnehmern und Teilnehmerinnen bin ich quasi “Wiederholungstäterin”. Dafür hatte ich mit meinen nunmehr 50 Jahren aber natürlich auch die nötige Zeit.

Andrea Halbritter Übersetzerin Französisch Deutsch
Plage de la Mine d’Or, Pénestin (2017)

Frankreich: Die Post ist da!

Länger als nur einen Monat ins Ausland getrieben hat es mich zum ersten Mal nach dem Abitur. Also vor mehr als 30 Jahren. Da meine Eltern bei der Deutschen Telekom beschäftigt waren, hatte ich als Studentin fünfmal die Gelegenheit, über die JEPTT an einem Austausch mit Frankreich teilzunehmen. Vor meinem ersten Einsatz als Aushilfe bei der Postbank in Nantes war ich damals sehr nervös. Im Gegensatz zu heute beschränkte sich mein Französisch 1988 auf ein Niveau B2. Auch wenn ich mein Abitur in Französisch abgelegt und sogar einen LK besucht hatte, sprachen Muttersprachler häufig noch viel zu schnell für mich. Ich machte mich daher mit einem eher mulmigen Gefühl in die Bretagne auf.

Was man damals von mir erwartete, war jedoch wahrlich kein Hexenwerk. Im Archiv sollte ich Akten ordnen und einsortieren. An manchen Tagen war viel los, an anderen weniger. Die französischen Kollegen in der Abteilung hatten sich ganz speziell eine deutsche Kraft gewünscht und freuten sich sehr über mein Kommen. Am Morgen brauchte ich schon immer eine Viertelstunde, bis ich alle abgeküsst hatte, in meine Pause begleitete mich immer irgendwer und auch mittags war ich stets mit mehreren Kolleginnen und Kollegen unterwegs.

Manche brachten mir sogar französische Spezialitäten fürs Abendessen mit (so kam ich zu meiner ersten Artischocke ever), die Stimmung war klasse. Zum Abschied bekam ich einen Geschichtsband über die Stadt und ein Jahr später forderte man mich zu meiner Freude wieder an. In meinem dritten Jahr war die Abteilung dann leider aufgelöst, aber meine Französischkenntnisse besser, so dass ich nach einer Woche Einarbeitungszeit eine gewisse Zahl an Konten mehr oder weniger selbstständig betreuen durfte, inklusive Telefonkontakt mit Kunden.

Vendée
Noirmoutier
Urlaub in Frankreich

Untergebracht war ich mit einer ganzen Reihe anderer deutscher Aushilfen im Nanteser Postwohnheim, mit einer davon bin ich auch heute noch in Kontakt. Unsere Tage ließen sich im Prinzip so zusammenfassen: Arbeit von 9 Uhr bis 17 Uhr (für manche schon früher), Halligalli ab 20 Uhr, teils unter Deutschen, teils auch mit französischen Kollegen, oft bis 3 Uhr nachts. Am Wochenende Noirmoutier, Le Croisic, La Rochelle, das Festival Interceltique in Lorient … Unvergesslich die Ausflüge mit den anderen Deutschen aus Saarbrücken 1988 und 1989, Andreas hatte ein Auto dabei, so dass wir motorisiert waren. (Falls ihr euch wiedererkennt, meldet euch!!! Ich werde nie vergessen, wie Peter während seines ersten oder zweiten Tags als Paketbote im für ihn völlig fremden Nantes in die Tour de France geriet. Was haben wir gelacht! Auch die Fahrt in einer Ente, in die wir uns zu etwa acht hineinpressten und in einem Fünf-Sterne-Hotel in La Baule zum Surfen vorfuhren, war einfach nur klasse …)

Bucht von La Baule
Bucht von La Baule

Tätig war ich so drei Sommer bei der Postbank in Nantes, einen in Clermont-Ferrand (auch dort war es wirklich schön) sowie einen weiteren in einem Telefonladen von France Télécom in Angers. Der Austausch existiert übrigens immer noch. Eine Teilnahme ist für Studentinnen und Studenten möglich, deren Eltern in Deutschland bei der Postbank, der Deutschen Post AG oder der Deutschen Telekom AG beschäftigt sind. Verträge werden über einen oder zwei Monate ausgestellt, ich verlängerte meine Aufenthalte jeweils so, dass ich mindestens drei Monate im Land verbrachte. Bezahlt wird der französische Mindestlohn, Unterkunft und Anreise muss man selbst tragen.

Ins Ausland mit dem PAD

Da mir auch ein paar Monate in Frankreich nicht reichten, nahm ich im Schuljahr 1990/91 zum ersten Mal an einem Austauschprogramm des PAD (Pädagogischer Austauschdienst) teil und arbeitete 8 Monate als Deutschassistentin an zwei Gymnasien im französischen Nantes. Möglich war diese Art von Austausch damals hauptsächlich für Lehramtsstudenten, die die Sprache des jeweiligen Landes studierten. Unterrichtet wurde jeweils 12 Stunden pro Woche. Im Wesentlichen erteilten wir Konversationsstunden und Unterricht in Landeskunde oder bereiteten Schüler in Kleingruppen auf mündliche Prüfungen vor. Gezahlt wurde und wird dafür der französische Mindestlohn. Manche Schulen bieten ihren Assistenten auch eine günstige oder kostenlose Unterkunft. Mittlerweile können sich auch Fremdsprachenstudenten anderer Studiengänge (z. B. Übersetzer und Dolmetscher) bewerben.

Schloss von Nantes
Schloss von Nantes

Da meine erste Austauscherfahrung mit dem PAD sehr positiv war, beschloss ich, mich nach dem Ersten Staatsexamen 1996 nochmals zu bewerben, und wurde tatsächlich ein zweites Mal genommen, und zwar abermals an zwei Gymnasien in Nantes. Mit Sicherheit eines der schönsten Jahre meines Lebens, da ich v. a. mit einer anderen Assistentin aus Costa Rica sehr viel unternahm und wir gemeinsam Westfrankreich bereisten, obwohl es uns ständig an Geld fehlte, da uns unsere Schulen nicht unterbringen konnten. Von dem Wohngeld, das mir die CAF erst am Ende unseres Aufenthaltes auszahlte, konnte ich mir schließlich zwei zusätzliche Monate vor Ort leisten, in denen ich nur Sightseeing betrieb.

Nantes
Nantes

Ein paar längere Abstecher zu den Briten

In den Jahren zwischen 1993 und 1996 wiederum habe ich zweimal etwas mehr als ein Vierteljahr im Peak District in England verbracht. Ohne zu arbeiten. Einfach um die Gegend kennenzulernen, zu wandern und Fotos zu schießen. Osterglocken im Frühjahr, Herbstfarben im Oktober, Scones mit Erdbeermarmelade, gutes Essen in Pubs (ja, in England kann man entgegen zahlreicher Unkenrufe sehr gut essen), Lämmchen füttern, Chinatown in Manchester, einen Abstecher nach Wales und nach London … Das nötige Kleingeld hierzu hatte ich mir vorher durch einen Teilzeitjob parallel zu meinem Studium verdient.

Mit meinem nach der 10. Jahrgangsstufe abgelegten Englisch kam ich einigermaßen über die Runden, auch wenn mir so mancher Macclesfielder schwer bis gänzlich unverständlich schien. So hatte der Postbote bei mir mal ein Paket für einen Nachbarn abgegeben, den ich nicht kannte. Als dieser dann vor meiner Tür stand und mit seinem breitesten Slang versuchte, zu seinem Päckchen zu kommen, verstand ich rein gar nichts. Kurz bevor er das Handtuch warf, fiel mir dann ein: “Are you the neighbour?” “Yeah!” Uff! Genauso verblüfft war ich an Halloween, ein Brauch, der damals auf dem Festland fast gänzlich unbekannt war. “What do you receive normally?” “Sweets or money.” “Okay. Some chocolate will do?”

Frieren in Spanien

Nach meinem Zweiten Staatsexamen waren die Einstellungschancen für Gymnasiallehrer in Bayern sehr gering, so dass ich mich beizeiten nach Möglichkeiten umsah, im Ausland für ein oder zwei Jahre eine Anstellung zu finden. So bewarb ich mich sowohl als Auslandsdienstlehrkraft für den Auslandsschuldienst bei der ZfA (Zentralstelle für das Auslandsschulwesen) in Köln als auch ganz direkt und “blind” bei Deutschen Schulen in Europa, deren Städte ich gerne kennenlernen wollte: Budapest, Prag, London, Kopenhagen, Lissabon …

Von der internationalen Abteilung des Arbeitsamts erfuhr ich dann, dass in Mexiko sowie in zwei spanischen Städten jeweils ein Deutsch- und Französischlehrer gesucht wurde. Ich kontaktiere die betreffenden Schulen und erhielt wenig später schließlich einen Anruf: “Schulleiter … aus … Ich bin gerade in Tübingen. Hätten Sie heute Nachmittag Zeit für einen Kaffee in Augsburg? Ja? Prima!” Ein paar Stunden später hatte ich meinen Vertrag unterschrieben, maximal zwei Wochen später setzte ich mich mit meinem Peugeot 106, in den ich so ziemlich alles, was mir nützlich schien, geworfen hatte, in Richtung Valencia in Gang. Zwischenübernachtung in Montpellier und weiter ging’s.

Spanien
Valencia

Im Rückblick eines der stressigsten Jahre meines Lebens. Erste Vollzeitstelle, ziemlich viel Oberstufenunterricht, ein Kurs für Studenten, Spanisch musste ich außerdem von der Pieke auf lernen. Zusätzlich zu etwa 28 Stunden Unterricht kamen also vier Stunden Spanisch pro Woche. Nach nur einem Vierteljahr sollte ich bereit sein, selbstständig Elterngespräche zu führen, einen Elternabend zu halten usw. Eine Unterkunft musste ich auch erst einmal finden (nachdem ich das mir von der Schule organisierte Provisorium nicht auf Dauer mieten wollte, war ich innerhalb von 24 Stunden auf die Straße gesetzt worden und konnte Gott sei Dank im Nachbarort auf die tatkräftige Unterstützung eines anderen Augsburgers zählen, der fließend Spanisch sprach).

Schließlich mietete ich ein altes Bauernhaus im Zentrum von Rocafort an, das jedoch nur schwer zu beheizen war. Gleichzeitig erlebte Valencia wohl einen der härtesten Winter überhaupt …

Valencia
Oper Valencia

Fazit: Ich habe nie so gefroren und gebibbert wie in Spanien. Ab April wiederum setzte mit bis zu 45° C das große Schwitzen ein. Noch weniger meine Temperaturen! Aufgrund meines Arbeitspensums sah ich von der Gegend außerdem sehr, sehr wenig … Ausnahme waren nur die gelegentlichen Turniere unserer Lehrervolleyballmannschaft in Barcelona. Das Abbrennen von Reisfeldern setzte meiner Gesundheit außerdem zu, teils sah ich tagelang die Hand vor Augen nicht.

Nach einem Schuljahr kündigte ich daher. Zu viel Stress, zu wenig Freizeit, das Klima so gar nicht meins. Gerne zurück denke ich dagegen an den Blick aus meinem Schlafzimmerfenster. Die beiden Dattelpalmen in meinem Garten waren einfach ein Traum und die milden Tage im Februar auch. Der Abschiedsabend mit meiner Abschlussklasse auch sehr nett. Am Ende des Schuljahres hatten mich meine Schüler und Schülerinnen zu einer Tour durch die Tapasbars von Valencia inklusive Führung durch die Altstadt eingeladen.

Barcelona Park Güell
Barcelona

Mein längster Auslandaufenthalt

Nach der Geburt meiner Tochter nutzte ich meine Elternzeit zu zwei größeren Frankreichreisen. Die erste beschreibe ich euch demnächst im Rahmen einer anderen Blogparade. Sie dauerte drei Monate. Während der zweiten blieb ich dann in der Loire-Atlantique “hängen”. Ohne dass ich einen Job gesucht hatte, hatte man mir dort angeboten, die deutsche Abteilung einer Gesamtschule aufzubauen. Eine Herausforderung, die ich nach kurzem Überlegen gerne annahm.

Außerdem unterrichtete ich an einer Hotelfachschule, wo ich angehende Köche und Restaurantfachleute sprachlich auf ein Praktikum in Kiel vorbereitete. Eine sehr schöne Aufgabe, zumal ich selbst gerne koche. Zum gleichen Zeitpunkt bekam ich über soziale Netzwerke das Angebot, als Freiberuflerin bei der Erstellung einer zweisprachigen Gourmetzeitschrift mitzuwirken und einen Normandie-Reiseführer vom Französischen ins Deutsche zu übersetzen. Abends gab ich ferner Erwachsenenkurse am Deutsch-Französischen Kulturinstitut in Nantes. Da Lehrer in Frankreich ohne französischen Abschluss nur sehr wenig verdienen, war die erste Zeit sehr hart. Ich musste ständig aus meinem Ersparten zuschießen und die Kinderbetreuung am Mittwoch war auch nicht billig.

Leben in der Bretagne
Batz-sur-Mer

Nach einer Weile hatte ich mehr und mehr Übersetzungskunden und gab schließlich meine Wohnung in Deutschland auf. Meinen Erstwohnsitz verlegte ich nach Pornichet bei Saint Nazaire. Am Atlantik zu wohnen war schon seit 1986 mein Traum. Mein derzeitiger Frankreichaufenthalt hält nun schon seit 2012 an, wobei ich jedes Jahr mindestens drei bis vier Monate als Digitalnomadin durch Deutschland reise. Immer mindestens einen Monat durch Bayern, aber auch durch andere Bundesländer, bisher v. a. Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin und Hessen. Etwas Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen waren auch schon dabei.

Rückblickend möchte ich keine meiner Auslandserfahrungen missen, auch wenn die Zeit in Spanien sehr hart für mich war. Sämtliche Aufenthalte haben mein Leben erheblich bereichert und ich konnte dadurch insbesondere meine Französischkenntnisse stark ausbauen. Heute hält man mich meist sogar für eine französische Muttersprachlerin aus Ostfrankreich.

Leben in der Bretagne
Hortensienblüte in der Bretagne

Meine Tipps für längere Auslandsaufenthalte

  1. Ein Minimum an Sprachkenntnissen ist ein ganz klarer Vorteil.
  2. Speziell für junge Menschen unter 30 gibt es jede Menge Programme, bei denen man gleichzeitig arbeiten und ein anderes Land kennenlernen kann. Häufig ist hier jedoch ein Vorlauf von bis zu einem Jahr nötig.
  3. Austauschprogramme und andere Auslandsaufenthalte sind z. B. möglich über den PAD, den DAAD, die JEPTT, das Deutsch-französische Jugendwerk, die Kriegsgräberfürsorge, WWOOF …
  4. Die Krankenversicherung kann u. U. zu einem Problem werden und das auch innerhalb Europas. Wer z. B. in Frankreich arbeitet, muss zuerst eine Mindestzahl an Stunden hinter sich bringen, bevor er ein Recht auf Leistungen hat.
  5. Sich in lokalen Facebook-Gruppen als Neuankömmling Tipps zu holen ist nie falsch!
  6. Wer einfach ohne Plan und Geld loszieht, mag Glück haben und über die Runden kommen oder auch nicht. Zumindest das Geld für die Heimreise solltest du immer auf der Seite haben. (Während meiner zahlreichen Reisen habe ich so einige Deutsche getroffen, die irgendwo gestrandet waren und nicht mehr nach Hause kamen …)
  7. Eingewöhnen muss man sich fast überall. Behagt einem die Situation nicht und entpuppt sich ein Reiseziel für einen persönlich mehr als Horror denn als Traum, ist es auch keine Schande, wieder abzureisen.
  8. Bei der Ankunft bereits für die erste Zeit ein Quartier zu haben erspart Stress.
  9. Gibt es Leute, die schon an deinem Austauschprogramm usw. teilgenommen haben? Falls ja, können sie dir sicher nützliche Tipps geben.
Leben in der Bretagne
Küstenwanderung im Morbihan (2017)

Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade Leben im Ausland von Imprintmytravel. Eine Teilnahme ist noch bis 15. September 2019 möglich.

Fotos: Andrea Halbritter, Pixabay (Spanien)

Frau mit schulterlangen blonden Haaren und grauen Strähnen, blauen Augen, Brille und grauem Mantel

Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen und vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert. Sie erstellt Texte in Leichter und Einfacher Sprache für NS-Gedenkstätten, Museen, politische Parteien und Gesundheitsbehörden. In den Sprachrichtungen Französisch-Deutsch und Englisch-Deutsch übersetzt Andrea vor allem im Bereich Wein.

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