Für Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens erhielt Elisabeth Zöller den Gustav-Heinemann-Friedenspreis. Für ihren Einsatz gegen Gewalt wurde die bekannte deutsche Kinder- und Jugendbuchautorin ferner 2007 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Buchtipp Erinnerungskultur: ein Jugendbuch zum Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten
Im vorliegenden Buch erzählt die 1945 geborene Schriftstellerin die Geschichte ihres Onkels Anton, den seine Eltern vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten bewahren konnten.
Münster 1938: Seit er von einer Straßenbahn angefahren wurde, leidet der 6-jährige Anton unter Hirnverletzungen, die sich auf sein Sprachvermögen und die Motorik seiner rechten Hand auswirken. Er stottert und verwendet außerdem das Wort ich nicht mehr, sondern spricht stattdessen immer nur von Anton, wenn er von sich selbst redet.
In der Schule hat es der kleine Junge deswegen nicht leicht. Er ist der Außenseiter, mit dem kaum jemand spielt, der von seinen Mitschülern und teilweise auch von seinen Lehrern geschlagen und gehänselt wird.
Anton ist mathematisch begabt, zeichnet gut, darf im Unterricht aber nur seine recht Hand zum Schreiben benutzen, weil “ein deutscher Junge rechts schreibt” und nicht links.
Gerüchte über die Ermordung behinderter Kinder
Nach der Reichskristallnacht verstärken sich Gerüchte, dass behinderte Kinder, die in Heime gebracht werden, dort sehr schnell an Infektionen sterben bzw. dort sogar umgebracht werden.
Der “Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden” hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder mit geistigen oder anderen Behinderungen zu erfassen.
Die als “lebensunwertes Leben” eingestuften Kinder kommen in Heil- und Pflegeanstalten, in denen sie nicht wie den Eltern vorgegaukelt gefördert, sondern systematisch getötet werden.
Antons Eltern, die der NSDAP nicht angehören, behalten ihren Sohn daher zu Hause und versuchen, ihn so gut wie möglich und mit der Hilfe von Nachbarn und Verwandten zu fördern.
Antons Klassenkameraden werden mit zunehmendem Alter über die Pimpfe und die Hitlerjugend immer mehr indoktriniert, so dass sie mit Anton immer brutaler umgehen.
Anton wird zu Hause versteckt
Irgendwann haben die Eltern schließlich so große Angst um Anton, dass sie ihn zu Hause verstecken und ihn nicht mehr zur Schule schicken. Offiziell befindet sich der Junge auf einer Erholungsmaßnahme. Bei Bombenangriffen muss Anton mit seinem Teddy allein im Kohlekeller ausharren, während sich die anderen Familienmitglieder in einen Luftschutzbunker retten.
Da die Eltern nicht länger geheim halten können, dass Anton immer noch bei ihnen zu Hause lebt und sie befürchten müssen, dass er als “unwertes Leben” in ein Heim gebracht und ermordet wird, beschließen sie, ihn bei seinem Onkel auf dem Land unterzubringen.
Dessen Frau Hedwig freut sich aber über den zusätzlichen Esser nicht gerade, lässt ihn sehr hart auf dem Feld arbeiten, im Stall schlafen und bestraft ihn, wenn er auch dem Ostarbeiter, der auf dem Hof zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde, etwas mehr Essen zukommen lässt.
Anton überlebt den Krieg bei Verwandten
Schließlich bietet die Schwester von Hedwig an, Anton bei sich aufzunehmen. Als die Polizei auch bei Tante Annie, wo er es sehr gut hat, nach dem Jungen sucht, bittet diese einen befreundeten Arzt darum, ihr für Anton einen Totenschein auszustellen.
Im Gegensatz zu vielen behinderten Kindern, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden, überlebt Anton Krieg und Euthanasieprogramm.
Meine Meinung zum Buch
Trotz des für Anton guten Endes handelt es sich bei dem Buch um einen sehr traurigen Jugendroman, der in einer einfachen, jugendgerechten Sprache abgefasst wurde.
Angesprochen werden viele Themen, die die Zeit des Nationalsozialismus charakterisieren:
Judenverfolgung, Reichskristallnacht, Bombardierungen deutscher Städte, der Kessel von Stalingrad, Mitläufertum, Hitlerjugend, der Verlust von nahen Angehörigen an der Front, das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten, die ständige Kontrolle durch Blogwarte, die Verschleppung in Konzentrationslager, die inszenierten Jubelveranstaltungen…
Zu empfehlen ab etwa 14 Jahren, so das Buch früher gelesen wird, sollten Kinder damit nicht allein gelassen werden.
Elisabeth Zöller: Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens. Frankfurt/Main 2006, ISBN 978-3-596-80516-7, 224 Seiten
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Foto: © Andrea Halbritter, Côté Langues
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