Schriftliche Leichte Sprache braucht leichte Bilder. Sie helfen, Inhalte verständlicher zu machen. Doch wie ist das eigentlich bei gesprochener Leichter Sprache? Aleksandra Schreiber unterstützt bei Workshops und Veranstaltungen in Leichter Sprache mit Graphic Recording. Was ist das genau? Warum ist Graphic Recording für Menschen mit Lernschwierigkeiten hilfreich? In diesem Interview erfährst du mehr!
Interview zu Graphic Recording in Leichter Sprache
Aleksandra Schreiber ist 43 Jahre alt, lebt in Berlin und bietet in drei Sprachen Graphic Recording an: auf Deutsch, Englisch und Polnisch. Besonders gern visualisiert sie Veranstaltungen in Leichter Sprache.
Hallo, Aleksandra! Was genau ist Graphic Recording?
Graphic Recording, auch Visual Recording genannt, ist eine visuelle Prozessbegleitung für verschiedene Veranstaltungen – von Workshops, Konferenzen und Tagungen bis hin zu Podiumsdiskussionen und Strategie-Meetings.
Der Graphic Recorder nimmt an der Veranstaltung teil, hört aufmerksam zu und hält die wichtigsten Inhalte live fest – entweder analog auf großem Papier oder digital auf dem Tablet. Dabei entstehen prägnante Bilder, Symbole und Schlüsselbegriffe, die den Kern der Diskussionen und Vorträge sichtbar machen.
Das Ergebnis ist ein visuelles Protokoll, das komplexe Inhalte strukturiert, verständlich und einprägsam darstellt. Es dient nicht nur als Dokumentation, sondern auch als Impulsgeber für Diskussionen, Nachbereitung und strategische Entscheidungen.
Warum ist Graphic Recording für Menschen mit Lernschwierigkeiten besonders hilfreich?
Durch die Kombination von einfachen Worten und klaren Bildern werden Inhalte nicht nur leichter erfassbar, sondern auch besser im Gedächtnis verankert. Während komplizierte Texte schnell überfordern können, hilft die visuelle Struktur des Graphic Recordings dabei, Zusammenhänge auf einen Blick zu erkennen. Wichtige Punkte werden hervorgehoben und durch einfache Symbole verdeutlicht – das schafft Orientierung und reduziert die kognitive Belastung.
Gerade abstrakte oder komplexe Themen werden durch diese Methode greifbarer. Leichte Sprache sorgt für verständliche Formulierungen, und ergänzende Bilder unterstützen das Verständnis zusätzlich. Ich habe oft erlebt, dass Menschen sich Bilder besser merken als reinen Text – das visuelle Element hilft also nicht nur beim Erfassen, sondern auch beim langfristigen Speichern von Informationen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Barrierefreiheit. Wenn Inhalte klar und verständlich aufbereitet sind, können mehr Menschen aktiv an Diskussionen teilnehmen und selbstbestimmte Entscheidungen treffen. Das stärkt ihre Teilhabe und Unabhängigkeit. Zudem können Bilder Emotionen transportieren und Inhalte ansprechender machen, was die Motivation erhöht, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen.
Was sind bei Graphic Recording die größten Herausforderungen für dich?
Die größte Herausforderung beim Graphic Recording ist die unglaubliche Schnelligkeit, mit der Informationen auf mich zukommen, und der Fakt, dass ich mehrere Dinge gleichzeitig erledigen muss. Ich höre zu, filtere die Inhalte, schreibe die wichtigsten Aussagen auf und finde passende Bilder, die ich direkt zeichne.
Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit kann große Konsequenzen haben – sei es, dass ich das Thema nicht richtig verstehe oder eine wichtige Aussage verpasse. Graphic Recording erfordert enorme Konzentration über mehrere Stunden hinweg und ist zudem auch körperlich sehr anstrengend.

Worauf achtest du besonders, wenn du Workshops in Leichter Sprache visualisierst?
Graphic Recording für Menschen mit Lernschwierigkeiten unterscheidet sich deutlich von den Visualisierungen, die ich für andere Zielgruppen erstelle. Hier ist es besonders wichtig, die Regeln der Leichten Sprache zu beherrschen. Dazu gehört nicht nur eine einfache Wortwahl, sondern auch das Wissen, wie große Zahlen, Prozentangaben oder Aufzählungen verständlich dargestellt werden.
Ebenso spielen Emotionen und kognitive Aspekte eine zentrale Rolle. Das Layout muss besonders klar strukturiert sein, damit die Inhalte leicht zu erfassen und den jeweiligen Themenbereichen klar zuzuordnen sind.
Eine der größten Herausforderungen ist, dass viele Symbole, die für andere Zielgruppen geläufig und verständlich sind, hier nicht verwendet werden können – beispielsweise das Paragraf-Zeichen. Auch die Kombination mehrerer Symbole zu einer neuen Bedeutung kann schnell zu Missverständnissen führen.
Leichte Bilder werden geprüft. Bei Live-Zeichnungen ist das nicht möglich. Wie stellst du beim Graphic Recording sicher, dass deine Visualisierungen wirklich hilfreich sind?
Für Graphic Recording in Leichter Sprache gibt es bisher keine festen Regeln oder Vorgaben. Gemeinsam mit meiner Kollegin Simone Fass habe ich daher eine Arbeitsgruppe gegründet. Wir testen verschiedene Formate und stehen im engen Austausch mit Veranstaltern, Übersetzern für Leichte Sprache und der Zielgruppe, um eine passende Lösung zu finden.
Im Idealfall sollte Graphic Recording in Leichter Sprache eine Moderation
beinhalten. Das bedeutet, dass ich bereits während des Workshops aktiv mit der Zielgruppe zusammenarbeite, um passende Inhalte und Bilder direkt im Prozess zu entwickeln.
Der Nachteil dieser Methode ist, dass sie mehr Zeit erfordert. Eine perfekte Lösung für diesen Aspekt habe ich noch nicht gefunden, aber ich bin offen für weiteren Austausch. Ich bin überzeugt, dass Graphic Recording hier eine wertvolle Unterstützung sein kann.
Gibt es Themen, für die sich Graphic Recording ganz besonders anbieten?
Graphic Recording ist ideal für komplexe Inhalte, die eine klare Struktur und visuelle
Unterstützung brauchen.
Welche Themen eignen sich nicht für Visual Recording?
Es gibt wenige Themen, die sich gar nicht visualisieren lassen – oft kommt es darauf an, den richtigen Ansatz zu finden. Herausfordernd sind sehr abstrakte Konzepte und
Themen mit vielen Zahlen und Statistiken, ebenso hochwissenschaftliche Themen, in
dem man viel Fachwissen braucht.

Wie hattest du die Idee, dich mit Graphic Recording selbstständig zu machen?
Ich habe Graphic Recording 2018 entdeckt – und war sofort Feuer und Flamme! Es hat mich so begeistert, dass ich mir gesagt habe: Genau das will ich machen!
Die turbulente Zeit der Pandemie 2020 habe ich genutzt, um mich in der Bereich
weiterzubilden und schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.
Mein Weg dorthin war vielfältig: Ich habe einen Masterabschluss in Filmwissenschaften und habe viele Jahre als Redakteurin im Fernsehen und anderen Medien gearbeitet, bevor ich zusätzlich Marketingkommunikation gelernt habe.
Graphic Recording ist für mich die perfekte Verbindung all meiner bisherigen Erfahrungen. Hier sind sowohl Storytelling als auch zielgruppenorientiertes Arbeiten essenziell – zwei Dinge, die mich schon immer begleitet haben.
Bist du für Graphic Recording deutschlandweit buchbar? Was kostet Graphic Recording in Leichter Sprache?
Ja, ich arbeite deutschlandweit. Am besten ist es, mir eine kurze E-Mail an post@tellinary.de zu schreiben – idealerweise mit Datum, Ort und einigen allgemeinen Informationen zur Veranstaltung.
Am liebsten kläre ich die Details in einem persönlichen Gespräch, um genau zu verstehen, was gebraucht wird. Denn nicht immer ist Graphic Recording die beste Lösung. Ich bin flexibel und finde gerne eine individuelle Lösung, die zu den Anforderungen meiner Kunden passt.
Üblicherweise wird ein Termin 2–4 Monate vor der Veranstaltung reserviert. In diesem
Zeitraum lassen sich auch wichtige Informationen wie Agenda, Ablauf und besondere
Bedürfnisse gut abstimmen. Ich bereite mich auf jedes Graphic Recording sorgfältig vor – deshalb sollte die Anfrage idealerweise mindestens 2–3 Wochen vorher erfolgen.
Die Honorare für Graphic Recording liegen zwischen 1.400 und 2.400 € netto. Reise- und Übernachtungskosten kommen gegebenenfalls hinzu. Der genaue Preis hängt von Faktoren, wie Einsatzzeit, Material, Vor- und Nachbereitungszeit, parallelen Workshops und der Nutzung des Bildes, ab.

Welche Leistungen bietest du noch an?
Außer Graphic Recording biete ich auch Illustrationen für Marketing, Unternehmenskommunikation, interne Strategien, Bilder für Leichte Sprache. Außerdem gebe ich auch Workshops für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter befähigen möchten, Visualisierung in ihrer Arbeit zu nutzen.