Im Herbst 2025 erschien Band 3 der von Siegfried Mielke herausgegebenen Reihe „Gewerkschafterinnen im NS-Staat“. Die Reihe ist Teil eines größeren biografischen Projekts, das sich mit Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen während des Nationalsozialismus beschäftigt.
Anstoß war ein Antrag von CDU/CSU und SPD im Sommer 2019 im Deutschen Bundestag, der anregte, den Widerstand von Frauen gegen das NS-Regime mehr zu erforschen und zu würdigen.
Dennoch ist die Beteiligung von Frauen am Widerstand gegen den Hitler-Faschismus auch heute noch ein wenig erforschtes Nischenthema. Die biografischen Handbücher „Gewerkschafterinnen im NS-Staat“ sind ein wichtiger Beginn, um Widerständlerinnen mehr in den Vordergrund zu rücken.
„Gewerkschafterinnen im NS-Staat“ (Band 3) – eine Rezension
Soziale Herkunft der Gewerkschafterinnen
Wie bei den ersten beiden Bänden können auch die Gewerkschafterinnen des dritten Bands in drei soziale Gruppierungen eingeordnet werden:
- Frauen aus sehr armen Verhältnissen, die teils schon als Halb- oder Vollwaisen zum Unterhalt der Familie beitragen mussten und denen deshalb auch meist eine Lehre unmöglich war, sodass sie als ungelernte Hilfsarbeiterinnen tätig waren;
- Frauen aus Arbeiterfamilien, in denen bereits ein Elternteil gewerkschaftlich aktiv war und die aufgrund der relativ stabilen finanziellen Verhältnisse ihrer Herkunftsfamilien eine Lehre abschließen konnten;
- Frauen aus gutbürgerlichen Familien, die sich der Arbeiterbewegung anschlossen.
Mitgliedschaft in SPD oder KPD
Die meisten Frauen der 3 Bände waren Mitglied von SPD oder KPD. Sie übernahmen zahlreiche Parteifunktionen und bewarben sich teils auch erfolgreich um Mandate: auf Gemeinde-, Stadt-, Landes- und Reichsebene.
50 Biografien von Gewerkschafterinnen im NS-Staat
Band 3 beschäftigt sich unter anderem mit den Gewerkschafterinnen Hanna Sandtner, Barbara Esser, Else Meier und Frieda Hauke, die alle vier Reichstagsabgeordnete waren.
Insgesamt sind im dritten Band 50 Biografien von Gewerkschafterinnen enthalten. Jeder Frau sind vier bis elf Seiten gewidmet. Bereichert werden die Kurzbiografien durch Flugblätter, Anträge auf Entschädigung, Auszüge von Anklageschriften und andere Dokumente. Schade, dass für manche Frauen ein Foto fehlt.
Innerhalb ihrer Gewerkschaften gelang es Frauen nur selten, Führungspositionen einzunehmen, in Band 3 keiner einzigen Frau. Bis Kriegsbeginn arbeiteten sie nur selten in Gruppen zusammen und hatten untereinander nur wenig Kontakt.
Keine liberale oder christliche Gewerkschafterin
Im Unterschied zu den ersten beiden Bänden gibt es in Band 3 von „Gewerkschafterinnen im NS-Staat“ keine einzige liberale oder christliche Gewerkschafterin.
Fast alle der erwähnten Frauen waren Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Sie verloren ihre Mandate sowie sämtliche Positionen in Gewerkschaften oder Vorfeldorganisationen. Die meisten mussten Hausdurchsuchungen und Verhöre ertragen. Insbesondere jüdische, kommunistische und linkssozialistische Gewerkschafterinnen wurden auch in Haft genommen und in Konzentrationslager verschleppt.
Biografisches Handbuch: Vorwort und Einleitung
Den Einzelbiografien der verfolgten Frauen vorangestellt sind ein Vorwort und eine Einleitung Siegfried Mielkes. Diese ordnen das Projekt zum einen in einen größeren Forschungskontext ein und geben zum anderen einen Überblick über soziale Herkunft, Weiterbildung, Alter, Gewerkschaftszugehörigkeit, Beteiligung an Widerstandsgruppen, Auswanderung, Verfolgung und Einfluss der Gewerkschafterinnen nach 1945.
Insgesamt: ein wertvolles Werk, dem hoffentlich weitere folgen werden! Interessant wäre auch, den Widerstand von Frauen abzubilden, die in kleineren Gruppierungen tätig waren oder die ihre Männer bei ihren Aktionen gegen das NS-Regime unterstützten und die selbst nicht in Gewerkschaften/Parteien aktiv waren.
Siegfried Mielke (Hrsg.), Gewerkschafterinnen im NS-Staat – Biografisches Handbuch – Band 3, Berlin 2025, Metropol, 407 Seiten





