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7 Augsburger Frauen, die den Widerstand gegen Hitler wagten

Frauen im NS-Widerstand Augsburg

Kommt die Rede auf Frauen im Widerstand, denken die meisten sofort an Sophie Scholl und die Weiße Rose. Dabei ist Sophie bei weitem nicht die einzige Frau, die gegen das NS-Regime Widerstand leistete. Viele Hitler-Gegnerinnen sind nur (oder nicht einmal) regional bekannt. Frauen im Widerstand waren für die Forschung lange kein Thema, was unter anderem auch an dem Frauenbild lag, welches während und nach dem Krieg propagiert wurde.

In diesem Artikel lernst du mehrere Widerstandskämpferinnen und Hitler-Gegnerinnen kennen, die in Augsburg lebten. Du erfährst, an welche die Stadt Augsburg erinnert, und liest auch, welchen Frauen die Erinnerung bisher verweigert wird.

7 Augsburger Frauen im Widerstand gegen Hitler

#1 Anna Weichenberger

Anna Weichenberger

Anna Weichenberger

Anna Weichenberger wurde am 30.12.1909 als Anna Feichtner geboren. Sie entstammte einer Augsburger Arbeiterfamilie und war ab 1925 in der Kammgarnspinnerei Augsburg angestellt, wo sie etwa zehn Jahre lang beschäftigt war. Im Alter von 24 Jahren heiratete sie den 1911 in Friedberg geborenen Nazigegner Josef Weichenberger, der ebenfalls in der Textilindustrie tätig war.

Gemeinsam engagierten sich Anna und Josef gegen das NS-Regime. Josef war in der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) aktiv, Anna leitete die Rote Hilfe Augsburg. Bei der Roten Hilfe handelte es sich um eine der KPD nahestehende Hilfsorganisation, die 1924 gegründet wurde, um politisch Verfolgte und ihre Familien zu unterstützen.

Nach Ermittlungen der Gestapo gegen die Rote Hilfe Augsburg wurde Anna verhaftet und 1936 wegen Beihilfe zum Hochverrat zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 26. Juli 1942 wurde sie im Konzentrationslager Ravensbrück ermordet.

Josef wurde ebenfalls verhaftet und 1937 im Zuchthaus Amberg umgebracht. An ihrem letzten freiwilligen Wohnort in Augsburg liegen seit dem Frühjahr 2017 zwei Stolpersteine. Nach Josef und Anna ist außerdem eine Augsburger Straße benannt.

 

#2 Therese Hitzler

Therese Hitzler

Therese Hitzler

Therese Hitzler wurde am 15.10.1895 in Wemding im Ries als Therese Ziegler geboren. 1916 heiratete sie den in Höchstadt an der Donau geborenen Karl Hitzler. Karl Hitzler war zunächst SPD-Mitglied und trat dann der KPD bei.

Karl und Therese waren beide Teil der Roten Hilfe um Anna Weichenberger und wurden 1935 verhaftet. Karl war im Zuchthaus Kaisheim interniert und wurde dann in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, wo er am 24.04.1941 starb. Therese verbrachte fast zwei Monate im Augsburger Gefängnis in der Karmelitengasse. Nach ihrer Entlassung setzte sie sich weiter für andere Verfolgte des NS-Regimes ein und engagierte sich nach der Befreiung als Zeitzeugin.

Sie starb am 10.03.1962 in Augsburg. Für ihren Mann wurde im Juli 2018 in Augsburg ein Stolperstein verlegt. Da Therese Hitzler die NS-Diktatur überlebte, genehmigte die Stadt für sie keinen Stolperstein.

#3 Lina Wager

Teil des weiblichen Widerstands in Augsburg war auch Lina Wager. Geboren wurde die NS-Gegnerin am 20.01.1905 in Speyer. Wie ihr Mann Bebo (Josef) Wager, der bei der MAN als Dreher tätig war und der SPD angehörte, war Lina jahrelang Mitglied der Widerstandsgruppe Revolutionäre Sozialisten. Sie empfing Kuriere, gab Botschaften weiter und unterstützte ihren Mann im Kampf gegen das NS-Regime.

In der Augsburger Wohnung des Ehepaars trafen sich regelmäßig Widerstandskämpfer. Im April 1942 wurde Bebo Wager von der Gestapo verhaftet und im Mai 1943 vom Volkgsgerichtshof zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung fand am 12. August 1943 in München-Stadelheim statt.

Lina Wager wurde wegen ihres Neugeborenen nicht verhaftet. Bebo Wager bekam 1946 auf dem Augsburger Westfriedhof ein Ehrengrab. Außerdem wurden eine Straße im Augsburger Stadtteil Pfersee und eine Schule nach ihm benannt. Die Damenschneiderin Lina Wager musste mit ihren Kindern in sehr bescheidenen Verhältnissen leben und starb am 26.04.1979 in Bobingen.

#4 Wilhelmine Hausmann (Kast)

 

Wilhelmine Hausmann

Wilhelmine Hausmann

Wilhelmine Hausmann wurde am 27.10.1906 als Wilhelmine Stippler in Göggingen bei Augsburg geboren. Mit 21 Jahren heiratete sie den späteren Augsburger KPD-Stadtrat Leonhard (Hartl) Hausmann. Kennengelernt haben sich die beiden vermutlich im Kommunistischen Jugendverband der KPD, dem auch Wilhelmine und ihre Schwester Hedwig angehörten.

Leonhard war aktiver Gewerkschafter und übernahm nach einer einjährigen Schulung in Moskau von Hans Beimler die Leitung des KPD-Unterbezirks Augsburg. Im März 1933 wurden Wilhelmine und Leonhard verhaftet und in das Augsburger Polizeigefängnis am Katzenstadel gebracht. Am 24.04.1933 kam Hartl im Konzentrationslager Dachau an, wo ihn die Aufseher regelmäßig schwer misshandelten.

Am 17.05.1933 wurde Hartl von dem SS-Mann Karl Ehmann, der ihn bereits aus Augsburg kannte, in Dachau aus nächster Nähe erschossen. Zwei Tage später entließ man Wilhelmine aus dem Gefängnis am Katzenstadel.

1935 heiratete sie den 1906 in Langenneufnach geborenen RGO-Funktionär Lorenz Kast, der als Regimegegner zwischen Juni 1933 und Februar 1935 im KZ Dachau inhaftiert war. Bei der RGO (Revolutionäre Gewerkschaftsopposition) handelte es sich um eine Gewerkschaft, die der KPD nahestand, der Lorenz ebenfalls beigetreten war.

Nach seiner Haft im KZ Dachau arbeitete Lorenz als Schlosser bei der MAN und später bei der AOK. Er war Mitbegründer der Siedlungsgenossenschaft Firnhaberau. Lorenz und Wilhelmine bekamen zwei Kinder, trennten sich aber in den 1950er-Jahren. Im Laufe ihres Lebens arbeitete Wilhelmine unter anderem als Goldauflegerin, Straßenbahnschaffnerin und sowie in einer Nahrungsmittelfabrik.

Lorenz starb 1972, Wilhelmine 1993. Nach Leonhard wurde 1946 eine Straße im Augsburger Stadtteil Pfersee benannt. Sein Grab befindet sich im Ehrenhain für Verfolgte des NS-Regimes im Westfriedhof. 2017 verlegte Gunter Demnig für ihn in der Ulmer Straße einen Stolperstein. Für Wilhelmine gibt es auch einen. Er durfte bisher nicht verlegt werden, da sie den Nationalsozialismus überlebt hat.

#5 Anna Pröll

Anna Pröll

Anna Pröll

Anna Pröll wurde am 12.06.1916 als Anna Nolan in Augsburg geboren. Mit 15 Jahren schloss sich die Gegnerin des Naziregimes dem Kommunistischen Jugendverband (KJVD) an. Sie zählte unter den Augsburger Jugendlichen zu den bedeutendsten Personen des Widerstands.

Ihre Mutter wurde 1933 als Mitglied der Roten Hilfe verhaftet. Ihr Vater war ins Konzentrationslager Dachau verschleppt worden, wo er im Alter von 39 Jahren ermordet wurde.

Im Herbst 1933 flog auch Annas Jugendgruppe auf. 1934 wurde sie wegen Hochverrats zu 21 Monaten Haft verurteilt. Diese saß sie im Gefängnis Aichach ab. Danach brachte man sie in Schutzhaft ins KZ Moringen und schließlich nach Ravensbrück.

1937 heiratete sie Josef Pröll, der bereits mehrere Jahre im KZ Dachau verbracht hatte, 1939 wieder verhaftet wurde und dessen Brüder Fritz und Alois in Dachau bzw. Dora umgebracht wurden.

Nach dem Krieg engagierte sich Anna Pröll mehrere Jahrzehnte als Zeitzeugin. Sie starb 2006 in Augsburg. Anna Pröll wurde 2002 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2003 wurde sie Ehrenbürgerin der Stadt Augsburg, 2018 benannte man eine Gersthofer Schule nach ihr. Ein Stolperstein durfte für Anna nicht verlegt werden.

#6 Josefa Miller

Josefa Miller

Josefa Miller

Die Kassiererin und Näherin Josefa Miller wurde am 23.09.1868 in Augsburg als Josefa Schmid geboren. Mit 25 Jahren heiratete sie den Käser Franz Josef Miller und bekam vier Kinder mit ihm.

Gemeinsam mit ihrer Tochter Maria war die NS-Gegnerin in der Internationalen Arbeiterhilfe und der Roten Hilfe Augsburg aktiv. 1935 wurden beide Frauen verhaftet und wegen Hochverrats zu 12 bzw. 19 Monaten Gefängnis verurteilt. Josefa saß ihre Strafe im Frauengefängnis Aichach ab, wo sie im Mai 1937 einen Schlaganfall erlitt, so dass sie vorzeitig entlassen wurde und wenige Tage später an den Folgen der Haft starb.

An Josefas letztem Wohnort im Findelgässchen 4 in der Augsburger Altstadt wurde 2017 ein Stolperstein verlegt.

#7 Maria Rothkopf

Maria Rothkopf

Maria Rothkopf

Maria Rothkopf wurde am 07.09.1898 als Tochter von Josefa und Franz Josef Miller geboren. Sie arbeitete in mehreren Augsburger Textilfabriken als Arbeiterin. 1920 heiratete sie den Tapezierer Franz Rothkopf und bekam mit ihm vier Kinder.

Mit 21 Jahren trat sie zunächst der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ( USPD ) bei und war ab 1921 acht Jahre Mitglied der KPD. Wie ihre Mutter Josefa unterstützte sie verhaftete Genossinnen und Genossen in der Internationalen Arbeiterhilfe und in der Roten Hilfe. 1935 wurde sie verhaftet und wegen Hochverrats zu 19 Monaten verurteilt, die sie im Augsburger Gefängnis am Katzenstadel und in Stadelheim absaß. Im Mai 1937 wurde sie entlassen. Ihr Mann wurde zum Selbstmord gezwungen, ihr ältester Sohn wurde in das KZ Flossenbürg verschleppt.

Da Hitler-Gegnerin Maria Rothkopf den Nationalsozialismus überlebt hat, durfte für sie kein Stolperstein verlegt werden.

Frauen im Widerstand, an die in Augsburg nicht erinnert werden darf

Diese sieben Frauen stehen stellvertretend für viele weitere Gegnerinnen des NS-Regimes, die in Vergessenheit geraten oder nur in ihrem ehemaligen Wohnort bekannt sind. Umso trauriger ist, dass man sich in der Stadt Augsburg nicht dazu durchringen konnte, mit einem Stolperstein an alle zu erinnern und sie damit wie ihre Männer für eine Haltung zu würdigen, die im “Dritten Reich” nur wenigen gegeben war.

In anderen deutschen Städten werden durchaus auch für Verfolgte, die das Hitler-Regime überlebt haben, Stolpersteine verlegt.

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Gunter Demnig verlegt einen Stolperstein für Josefa Miller in Augsburg

Der Stolperstein für Josefa durfte verlegt werden, der für ihre Tochter Maria nicht

Stolpersteine Leonhard und Wilhelmine Hausmann

Auch für Wilhelmine durfte nur ein Platzhalterstein verlegt werden

Dieser Blogartikel nimmt an der Blogparade Frauen und Erinnerungskultur #femaleHeritage der Monacensia teil. Beteiligen kannst du dich an der Blogparade noch bis zum 09.12.2020.

Fotos: © VVN Augsburg (A. Weichenberger, T. Hitzler, A. Pröll, M. Rothkopf), Andrea Halbritter (Titelbild mit Hedwig und Wilhelmine, W. Hausmann, Stolpersteine), Film Vorwärts und nicht vergessen. 1983, Regie: Josef Pröll (J. Miller)

Weitere Informationen: VVN Augsburg Porträts von Verfolgten des Nazi-Regimes

Augsburger Frauen im Widerstand

Zur Autorin:

Andrea Halbritter Leichte-Sprache-Übersetzerin München Augsburg

Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist die Enkelin von Wilhelmine und Lorenz Kast. Sie wurde 1968 in Augsburg geboren und hat dort Romanistik und Germanistik studiert. Sie arbeitet als Übersetzerin vom Französischen ins Deutsche sowie vom Standarddeutschen in Leichte und Einfache Sprache. Eines ihrer Spezialgebiete ist Erinnerungskultur.

 

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