Buchtipp Nationalsozialismus: Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis
Bei diesem Buchtipp zum Nationalsozialismus handelt es sich um eine komplett überarbeitete Ausgabe des erstmals 1998 erschienenen Buchs über die weibliche Prominenz des “Dritten Reichs”. Anna Maria Sigmund beschäftigt sich darin mit folgenden Fragen:
– Wie war das Leben der Frauen der NS-Elite?
– Welche Rollen spielten diese Frauen offiziell und inoffiziell für das NS-Regime?
– Welche Frauen förderten, verehrten und unterstützten Hitler?
– Welche Künstlerinnen und Politikerinnen wurden von Hitler geschätzt?
Frauen, die Hitler zum Aufstieg verhalfen
Im ersten Kapitel, “Hitler und die deutsche Frau”, wird gezeigt, mit welchen Frauen Hitler den Aufstieg schaffte: Helene Hanfstaengl, Elsa Bruckmann, Helene Beckstein, Viktoria von Dirksen, Baronin Lily von Abegg … Sehr schnell wird dabei deutlich, dass Frauen der NSDAP zwar als zahlende Mitglieder äußerst willkommen waren und auch regelmäßig dazu dienten, ihre Männer von Hitler zu überzeugen, sie sich aber ansonsten nicht in die Politik einmischen sollten. Gezeigt wird, wie geschickt Hitler Sympathien und Schwärmereien für ihn zu nutzen wusste. Er versuchte im Übrigen nicht nur, deutsche Frauen für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Über die englische Adlige Unity Valkyrie Mitford probierte er auch, sich mit Churchill zu verbünden, was jedoch gründlich misslang.
Näher eingegangen wird in diesem ersten Kapitel auch auf das NS-Frauenideal, dem die Frauen der Nazigrößen zumeist so gar nicht entsprachen.
8 Frauen, die für die NS-Elite wichtig waren
In den acht folgenden Kapiteln stellt Anna Maria Sigmund acht Frauen vor, die für die NS-Elite wichtig waren:
Carin Göring
Den Auftakt macht die schwedische Schönheit Carin Göring, die sich nach einer längeren Liaison mit Hermann Göring von ihrem Mann Nils von Kuntzow scheiden ließ, welcher das Paar noch über längere Zeit finanzierte.
Die chronisch kranke Carin Göhring teilt den Enthusiasmus ihres morphiumabhängigen Mannes für den Nationalsozialismus. Nach ihrem frühen Tod in ihrer schwedischen Heimat im Jahr 1931 wird sie zur Kultfigur des NS-Regimes. Nach der Schändung des Grabs seiner Frau in Schweden beschließt Göring, ihre sterblichen Überreste im Juni 1934 zehn Tag vor dem sog. Röhm-Putsch ins Deutsche Reich zu überführen.
Emmy Göring
Seine zweite Frau lernt Hermann Göring 1932 kennen. Es handelt sich um die Schauspielerin Emmy Sonnemann. Zur pompösen Trauung der beiden kommt es im Sommer 1935. Emmy wird damit zu einer der ersten Damen des “Dritten Reichs”.
Magda Goebbels
Bei Magda Goebbels handelt es sich um eine der schillerndsten Persönlichkeiten unter den Frauen der NS-Elite. Während Emmy Göring eher unpolitisch war, wird Magda Goebbels nach einer Anhängerin des Buddhismus und dann des Zionismus zu einer fanatischen Nationalsozialistin, die sogar akzeptiert, dass ihr jüdischer Stiefvater, mit dem sie einst ein Herz und eine Seele war, in ein Konzentrationslager verbracht und dort getötet wird.
Nach einer Ehe mit dem Multimillionär Quandt und einer Liaison mit dem Israel-Mitbegründer Arlosaroff heiratet Magda im Dezember 1931 Joseph Goebbels. Goebbels ist in Magda verliebt, sieht in ihr aber auch ein Mittel zur Stärkung der eigenen Position beim “Führer”.
Als einzige Frau aus der NS-Elite erfüllt Magda das von den Nationalsozialisten vorgegebene Soll an Geburten und bekommt dafür das Mutterkreuz verliehen. Die Ehe der Goebbels war jedoch keineswegs mustergültig. Joseph hatte zahlreiche Affären und Magda eine Liaison mit seinem Staatssekretär. Gemeinsam mit Emmy Göring war sie dennoch die erste Frau des “Dritten Reichs”.
Leni Riefenstahl
Tänzerin Leni Riefenstahl wird mehr oder weniger durch Zufall zur Regisseurin. So springt sie während eines Drehs als Tänzerin und Schauspielerin für einen erkrankten Kameramann ein. Wenig später kontaktiert sie Hitler, der ihr großes Talent erkennt und überlegt, wie er es für die Partei nutzen kann.
Schließlich macht Goebbels Leni Riefenstahl den Vorschlag eines Hitlerfilms. Zum Hitlerepos kommt es jedoch nicht. Die erste Auftragsarbeit für die NSDAP ist ein Film vom 5. Reichsparteitag. Filmgeschichte macht Leni Riefenstahl mit dem Film vom 6. Reichsparteitag, “Triumph des Willens”, sowie mit “Olympia”.
Getrud Scholtz-Klink
Reichsfrauenführerin Getrud Scholtz-Klink verehrte Hitler wie einen Gott. Ihre politische Macht war nur gering. An der Kampagne der NSDAP gegen Juden beteiligt sie sich an vorderster Stelle und gibt ferner für die deutsche Hausfrau zahlreiche Bücher und Broschüren heraus.
Geli Raubal
Die Fantasie der Nachwelt wurde wohl am meisten von Hitlers Nichte Geli Raubal angeregt. War Geli Hitlers Geliebte? Hat sie tatsächlich Selbstmord begangen oder wurde sie umgebracht? Psychologen, Historiker und Publizisten beschäftigen sich immer wieder mit dem Fall der Geli Raubal, zumal aus dem Kreis um Hitler immer wieder unterschiedliche Aussagen an die Öffentlichkeit drangen.
Geli wurde 1908 geboren und übersiedelt im Herbst 1927 nach München. Kurz nach der Ankunft in der bayerischen Hauptstadt lädt Hitler sie zu einer Reise ein. Durch Hitler lernt Geli Emil Maurice kennen. Er ist zu jenem Zeitpunkt begeistertes NSDAP-Mitglied, Chauffeur Adolf Hitlers und sein bester Freund. Emil und Geli verlieben sich ineinander und verloben sich an Weihnachten 1927, was bei Hitler auf großen Widerstand stößt, da er entdeckt hat, dass Emil jüdische Vorfahren hat. Emil und Geli müssen sich entloben.
Zum Bruch zwischen Geli und Hitler kommt es dadurch nicht. Vielmehr wird Geli zur ständigen Begleiterin ihres Onkels. In München hat Geli keine Gelegenheit mehr, unerwünschte Männerbekanntschaften zu schließen. Am 18. September 1931 wird Geli erschossen aufgefunden.
Eva Braun
Von der Beziehung Adolf Hitlers zu Eva Braun wusste lange Zeit nur ein sehr kleiner Kreis. Offiziell hatte der “Führer” kein Privatleben. Stattdessen zählte Eva Braun als Privatsekretärin zum Personal auf dem Obersalzberg.
Hitler lernt Eva Braun 1929 kennen. Schon nach kurzer Bekanntschaft stellt Hitler Nachforschungen über Evas Ahnen an. Als “Führer” einer radikal antisemitisch geprägten Partei wollte er auf keinen Fall einen Umgang mit einer “Nichtarierin”. Zu Hitlers Geliebte wird Eva Braun 1932. In Eva Braun suchte Hitler keine Partnerin oder politische Mitstreiterin. Vielmehr bezeichnete er sie als “Hascherl” und meinte in ihrer Anwesenheit, dass sich sehr intelligente Männer eine dumme Frau suchen sollten, die ihnen nicht in die Arbeit hineinrede.
Zermürbt durch das ständige Warten auf Hitler begeht Eva Braun am 1. November 1932 einen Selbstmordversuch, den sie jedoch überlebt. Hitler kümmert sich daraufhin mehr um sie, Eva muss jedoch immer noch arbeiten und kann nur ein recht bescheidenes Leben führen, bis ihr Hitler 1936 in einem Münchner Villenviertel ein Einfamilienhaus kauft. Während des Kriegs wird das Verhältnis zwischen Hitler und Eva enger. Hitler ruft Eva jeden Abend an. Ab Anfang 1939 verfügt Eva Braun auch über eine eigene Wohnung in der Berliner Reichskanzlei. Am 28. April 1945 geht für Eva Braun der Wunsch ihres Lebens in Erfüllung: Hitler heiratet sie. Zwei Tage später begehen beide Selbstmord.
Henriette von Schirach
Im Gegensatz zu anderen Frauen aus dem Umkreis der NS-Elite versuchte Henriette von Schirach, der Öffentlichkeit auch nach dem Ende des “Dritten Reichs” ihr Hitlerbild nahezubringen: das eines Wohltäters und gütigen Onkels.
Henriette von Schirach war wohl die einzige Person, die von Kindesbeinen an von Hitler selbst indoktriniert worden war.
Die 10-jährige Henriette lernt Hitler 1923 im Elternhaus kennen. Die Wünsche Hitlers werden für die Familie schon bald Befehl. Henriette erlebt alle Etappen der Karriere des Adolf Hitler. Ihr Vater darf Hitler ab 1923 bei Parteiveranstaltungen fotografieren und wird in seinem Gefolge reich.
Alle Mächtigen des “Dritten Reichs” lernt Henriette in der Zeit ihrer Anfänge kennen: Heinrich Himmler, Rudolf Heß, Georg Strasser, Julius Streicher … Bald verkehrt sie mit Geli Raubal und Eva Braun, für die Henriette nur Verachtung übrig hat. Ob sie sich selbst Hoffnungen auf Hitler machte, ist unklar.
Am 31. März 1932 heiratet Henriette den begeisterten Nationalsozialisten Baldur von Schirach.
Buchtipp Nationalsozialismus: meine Meinung zum Buch
Anna Maria Sigmund zeigt, dass Hitlers Aufstieg ohne die Unterstützung von Frauen aus Großbürgertum und Adel kaum möglich gewesen wäre. “Die Frauen der Nazis” bietet interessante Einblicke in das Leben der Parteispitze der NSDAP. So manches, wie z. B. die zahlreichen Beziehungen zu jüdischen Bürgern, überrascht. Das größte Kapitel des Buchs ist der verborgenen Geliebten Eva Braun gewidmet, die lieber gemeinsam mit Hitler starb, als sich zu retten.
Sigmund, Anna Maria: Die Frauen der Nazis. München 2013, ISBN 978-3-453-60261-8, 432 Seiten
Fotos: Wikimedia Commons
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