Im Standarddeutschen gibt es drei Modi: Indikativ, Konjunktiv und Imperativ. Nimmt man zum Beispiel das Verb schreiben, lautet der Indikativ Präsens er schreibt, der Konjunktiv Präsens er schreibe, der Konjunktiv Präteritum er schriebe und der Imperativ schreib, schreibt und schreiben Sie. Leichte Sprache dagegen vermeidet den Konjunktiv. Wie du in Leichte-Sprache-Texten ohne Konjunktiv Präsens und Präteritum auskommst, verrate ich dir in diesem Artikel.
Leichte Sprache: Alternativen zum Konjunktiv
Will man nach Alternativen für den Gebrauch des Konjunktivs in Leichte-Sprache-Texten suchen, muss man zunächst näher betrachten, wann das Standarddeutsche den Konjunktiv verwendet.
Verwendung des Konjunktivs im Standarddeutschen
Indirekte Rede
Verwendet wird der Konjunktiv in “schwerer Sprache” unter anderem in der indirekten Rede, wobei hier drei Zeitstufen zu unterscheiden sind. Zur Wiedergabe der Gegenwart bzw. der Zukunft dienen im Standarddeutschen in der indirekten Rede Konjunktiv Präsens und Präteritum:
Sie sagt, sie schreibe gerade einen Brief.
Er meint, ich ginge mit ihm ins Kino.
Zum Ausdruck der Vergangenheit werden Konjunktiv Perfekt und Plusquamperfekt verwendet:
Sie sagt, sie habe mir einen Brief geschrieben.
Sie sagt, ich hätte sie nicht angerufen.
Außerdem existieren in “schwerer Sprache” Formulierungen mit würde und Infinitiv:
Sie sagt, sie würde mir einen Brief schreiben.
Er sagt, ich würde mit ihm ins Kino gehen.
Hypothetischer Komparativsatz
Neben der indirekten Rede wird der Konjunktiv in “schwerem Deutsch” auch in Komparativsätzen, die mit als ob oder als wenn eingeleitet werden, gebraucht:
Das Kind schrie, als ob es große Schmerzen hätte/habe/haben würde.
Zum Ausdruck der Vorzeitigkeit werden Konjunktiv Plusquamperfekt und Konjunktiv Perfekt verwendet:
Er tut so, als hätte/habe er sie nicht gesehen.
Soll Nachzeitigkeit ausgedrückt werden, ist dies mit der würde-Form oder dem Konjunktiv Futur I möglich:
Das Kind sieht so aus, als würde/werde es bald umfallen.
Konditionalsätze
Sehr häufig kommt der Konjunktiv im Standarddeutschen in irrealen Konditionalsätzen vor. Während der Konjunktiv in der indirekten Rede oft fakultativ scheint, ist er in Bedingungssätzen das einzige Mittel, um Irrealität auszudrücken. Irreale Konditionalsätze betonen, dass ein Ereignis nicht möglich ist.
Zur Wiedergabe von Gegenwart und Zukunft dienen Konjunktiv Präteritum sowie die würde-Form:
Wenn sie Zeit hätte, schriebe sie ihm einen Brief.
Wenn sie Zeit hätte, würde sie ihm einen Brief schreiben.
Daneben existieren potenziale Konditionalsätze. In solchen Sätzen ist nicht sicher, ob ein Ereignis eintritt oder nicht:
Wenn Birgit ihre Mittlere Reife bestehen würde, könnte sie eine Lehre anfangen.
Irrealer Konzessivsatz
Konzessivsätze mit obwohl, obschon oder obgleich sind nicht mit dem Konjunktiv möglich. Konjunktiv zum Ausdruck des Irrealis (also einer nicht möglich erscheinenden Option) gibt es nur bei den Konzessivsätzen, welche formal mit Konditionalsätzen identisch sind, die also wenn enthalten:
Auch wenn ich Zeit hätte, würde ich dir keinen Brief schreiben.
Auch wenn das Wetter schön gewesen wäre, wären wir nicht ans Meer gefahren.
Irrealer Konsekutivsatz
Irreale Konsekutivsätze werden mit als dass eingeleitet:
Es ist zu heiß, als dass man aus dem Haus gehen könnte.
Das Meer war zu kalt, als dass man darin baden hätte können.
Im Unterschied zu irrealen Konditionalsätzen wird hier nur im mit als dass eingeleiteten Nebensatz der Konjunktiv verwendet.
Übersetzung von Sätzen mit Konjunktiven in Leichte Sprache
Konjunktive sind schwer verständlich. Leichte Sprache muss daher ohne den Konjunktiv auskommen. Wie es möglich ist, Sätze mit Konjunktiven in Leichte Sprache zu übersetzen, lernst du jetzt:
Indirekte Rede in Leichte Sprache übertragen
Ob mit oder ohne Konjunktiv: Indirekte Rede wird in Leichter Sprache nicht verwendet. Bei der Übersetzung von Texten mit indirekter Rede wandeln Übersetzer*innen indirekte Redezüge in direkte Rede um.
Während im Standarddeutschen direkte Rede durch Anführungszeichen gekennzeichnet wird, lehnt es das Netzwerk Leichte Sprache e. V. ab, Anführungszeichen zu verwenden. Andere Regelwerke sehen dagegen auch in Leichter Sprache Anführungszeichen als Markierungen vor. Ob Anführungszeichen das Verständnis für die Hauptzielgruppe Leichter Sprache erhöhen oder deren Fehlen das Verständnis erschweren, ist noch nicht wirklich untersucht.
Der Satz Sie sagt, sie schreibe gerade einen Brief müsste in Leichter Sprache lauten:
Sie sagt:
Ich schreibe gerade einen Brief.
oder
Sie sagt:
“Ich schreibe gerade einen Brief.”
Hypothetische Komparativsätze in Leichte Sprache übersetzen:
Hypothetische Komparativsätze können in Leichter Sprache auf verschiedene Weise ohne Konjunktiv aufgelöst werden, zum Beispiel:
Standarddeutsch:
Das Kind sieht aus, als würde es bald umfallen.
Leichte Sprache:
Das Kind sieht schlecht aus.
Vielleicht fällt das Kind bald um.
Standarddeutsch:
Peter tut so, als habe er Birgit nicht gesehen.
Leichte Sprache:
Peter hat Birgit gesehen.
Aber Peter hat nichts gesagt.
Konditionalsätze in Leichte Sprache umformulieren:
Auch Konditionalsätze können ganz einfach in Leichte Sprache übertragen werden, ohne dass dabei Konjunktiv verwendet wird. Sehen wir uns zunächst folgenden irrealen Konditionalsatz an:
Wenn Birgit ihre Mittlere Reife bestanden hätte, hätte sie eine Lehre anfangen können.
Bei der Übertragung in Leichte Sprache muss zunächst betont werden, dass Birgit ihre Mittlere Reife nicht bestanden hat. Anschließend folgt im leicht verständlichen Text die Konsequenz aus diesem Ereignis:
Birgit hat ihre Mittlere Reife nicht bestanden.
Deswegen hat sie keine Lehrstelle bekommen.
Bei potenzialen Konditionalsätzen kann die Übersetzung in Leichte Sprache unter Zuhilfenahme von vielleicht erfolgen:
Wenn Birgit ihre Mittlere Reife bestehen würde, könnte sie eine Lehre anfangen.
In Leichter Sprache lautet der Satz ohne Konjunktive:
Vielleicht besteht Birgit ihre Mittlere Reife.
Dann kann Birgit eine Lehre anfangen.
Irreale Konzessivsätze in Leichte Sprache übersetzen:
Knifflig ist eine Übertragung von irrealen Konzessivsätzen in Leichte Sprache:
Auch wenn das Wetter schön gewesen wäre, wären wir nicht ans Meer gefahren.
Empfehlen würde ich hier, den wahren Grund anzugeben, aus dem man nicht ans Meer gefahren ist, zum Beispiel:
Wir sind nicht ans Meer gefahren.
Wir hatten keine Zeit.
Oder noch besser ohne Verneinungen:
Wir sind zuhause geblieben.
Wir hatten Besuch.
Irreale Konsekutivsätze in Leichte Sprache übertragen:
Irreale Konsekutivsätze können problemloser in Leichte Sprache übertragen werden:
Es ist zu heiß, als dass man aus dem Haus gehen könnte.
In Leichter Sprache könnte dieser Satz ohne Konjunktiv lauten:
Es ist zu heiß.
Deswegen bleiben wir zuhause.
Wichtig ist im Übrigen nicht nur, dass du in Leichter Sprache Konjunktive vermeidest. Auch Nebensätze sollten in Leichter Sprache nicht vorkommen. Bei einer Übersetzung von Sätzen mit Konjunktiven solltest du also gleichzeitig auch darauf achten, dass du in leicht verständlicher Sprache nur Hauptsätze verwendest.