Metaphern in Leichter Sprache: Geht das? Ist es möglich, in Leichter Sprache Metaphern zu verwenden? Bereits 2009 hat Inclusion Europe in seinem Regelwerk Metaphern verboten: „Verwenden Sie keine schwierigen Begriffe wie zum Beispiel Metaphern.“ Das Netzwerk Leichte Sprache e. V. wiederum formuliert 2013 ein Verbot bildlicher Sprache: „Vermeiden Sie Rede-Wendungen und bildliche Sprache.“
Metaphern in Leichter Sprache: Geht das?
Welche Arten von Metaphern gibt es im Deutschen?
Eine Metapher ist ein bildhafter Ausdruck für einen Gegenstand, eine Eigenschaft oder ein Geschehen. Das Wort „Metapher“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet ‚anderswohin tragen‘. Und genau das macht eine Metapher: Sie nimmt ein Wort aus einem Bedeutungszusammenhang und überträgt es in einen anderen. Heißt: Eine Metapher verknüpft zwei Bereiche, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben.
Im Deutschen gibt es drei Arten von Metaphern:
1. Metaphern, die nicht vermieden werden können
2. Metaphern, die das Verständnis erleichtern
3. Metaphern, die das Verständnis erschweren
Unvermeidbare Metaphern sind für das Funktionieren von Sprache notwendig. Es gibt für sie keine Alternative, die keine Metapher enthält und der Allgemeinsprache entstammt. Beispiele für solche Metaphern im Deutschen sind „Wasserhahn“ oder „Stuhlbein“. Für beide gibt es im Deutschen keinen anderen allgemeinsprachlichen Begriff.
Metaphern, die das Verständnis erleichtern, enthalten Vergleiche, die helfen, Gegenstände oder bestimmte Vorgänge zu verstehen. Beispiele für solche Metaphern sind „elektrischer Strom fließt“, „elektrischer Schlag“ oder „Leichte Sprache“, „leichte Schulaufgabe“, „leichte Zweifel“.
Metaphern, die das Verständnis erschweren, müssen durch komplexe kognitive Operationen erschlossen werden und sind selten. Zu verständniserschwerenden Metaphern zählen im Deutschen zum Beispiel „Gelbe Engel“ für den ADAC, „grüne Lunge der Welt“ für den Regenwald, „Turteltauben“ für ein verliebtes Paar, „Geistesblitz“ für eine plötzliche Idee oder „Rabenmutter“ für eine schlechte Mutter. Auch euphemistische Metaphern, wie „entschlafen“ für „sterben“, gehören dazu. Oft ist Vorwissen nötig, zum Beispiel dass der ADAC mit gelben Fahrzeugen unterwegs ist.
Welche Metaphern du in Leichter Sprache verwenden kannst und welche nicht
Welche Metaphern können in Leichter Sprache verwendet werden?
Unvermeidbare Metaphern
Für unvermeidbare Metaphern gibt es im Deutschen keine leicht verständlichen Synonyme. Unvermeidbare Metaphern, wie „Wasserhahn“, sind deshalb häufig Teil des deutschen Grundwortschatzes. Sie werden früh erlernt, als „Alltagsmetaphern“ bezeichnet und müssen nicht entschlüsselt werden. Auch die Hauptzielgruppe Leichter Sprache weiß, was mit „Wasserhahn“ gemeint ist. Als Metapher erkannt werden Begriffe, wie „Wasserhahn“ oder „Stuhlbein“, nicht. Auch nicht von Menschen ohne Lernschwierigkeiten. Da es sich bei „Wasserhahn“ und „Stuhlbein“ um zentrale Vertreter ihres Wortfelds handelt, kannst du beide Begriffe auch in Leichter Sprache verwenden. Beide werden von der Hauptzielgruppe Leichter Sprache, deutschsprachigen Muttersprachler*innen mit einer geistigen Behinderung, problemlos verstanden.
Aufgrund ihrer Länge sind diese Metaphern für viele Personen aber schwer lesbar. Um die Lesbarkeit – insbesondere auch für funktionale Analphabet*innen und ungeübte Leser*innen – zu erleichtern, empfiehlt sich eine Schreibung mit Bindestrich oder Mediopunkt: „Wasser-Hahn“, „Stuhl-Bein“ oder „Wasser·hahn“, „Stuhl·bein“. Ich persönlich bevorzuge bei solchen Begriffen die Schreibung mit Mediopunkt, weil es sich eben um keinen Hahn und kein Bein handelt.
Metaphern, die das Verständnis erleichtern
Metaphern, die das Verständnis erleichtern, übernehmen diese Funktion nicht für alle Rezipient*innen. Im Fall von „Leichte Sprache“ ist klar, was gemeint ist: eine sehr verständliche Sprachform des Deutschen. Bei „leichtem Essen“ oder „leichter Kost“ sieht es schon anders aus. „Leicht“ wird hier nicht unbedingt als „bekömmlich“ interpretiert. Redewendungen, wie „Es schüttet wie aus Eimern“ oder „Es regnet Bindfäden“, zeigen deutschen Muttersprachler*innen mit einem bildlichen Vergleich, wie beziehungsweise wie viel es regnet. Für Menschen mit einer geistigen Behinderung oder auch Personen aus dem Autismus-Spektrum können diese Metaphern schwer verständlich sein. Manche regen diese Vergleiche vielleicht auch zum Lachen an.
Dass „Es schüttet wie aus Eimern“ schwer verständlich ist, liegt daran, dass es sich bei dem Ausdruck um keinen zentralen Vertreter des Wortfelds „regnen“ handelt. Ein weitaus besser verständlicher Ausdruck ist vorhanden: „stark regnen“. Die Metaphern „Es schüttet wie aus Eimern“ oder „Es regnet Bindfäden“ kannst du in Leichter Sprache nicht verwenden, obwohl sie anderen Muttersprachler*innen das Verständnis erleichtern.
Metaphern, die das Verständnis erschweren
Metaphern, die das Verständnis erschweren, haben in Leichter Sprache nichts zu suchen. Die Metapher „Geistesblitz“ und andere schwer verständliche Metaphern musst du in Leichter Sprache ersetzen:
Schweres Deutsch: Da hatte ich einen Geistesblitz.
Leichte Sprache: Da hatte ich eine Idee.
Kriterien für die Verwendung von Metaphern in Leichter Sprache
Auch in Leichter Sprache kannst du Metaphern verwenden, wenn die Metaphern über folgende Eigenschaften verfügen:
- Die Metaphern werden häufig verwendet.
- Die Metaphern gehören zu den zentralen Vertretern ihres Wortfelds.
- Die Metaphern sind stilistisch neutral.
- Sie werden früh erlernt.
- Sie werden spät verloren.
- Sie sind leicht lesbar (also kurz).
- Sie sind gut auszusprechen.
- Es gibt für die Metaphern keine leicht verständlichen Synonyme.
In der DIN SPEC Leichte Sprache aus dem Jahr 2023 heißt es: „In Leichte-Sprache-Texten sollen Metaphern nur verwendet werden, wenn sie den Nutzerinnen und Nutzern bekannt sind und sich aus dem Text erschließen oder wenn sie abstrakte Inhalte konkret fassbar machen. Sind Metaphern für den Text zentral, sollten sie erläutert werden.“
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