Das Dachauer Stammlager kennt jeder. Es entstand im März 1933 in drei Kilometer Entfernung von der bayerischen Kleinstadt Dachau unweit von München. Zunächst diente es vor allem dazu, kommunistische und sozialdemokratische Funktionäre in “Schutzhaft” zu nehmen. Einer der ersten Häftlinge im KZ-Dachau war der KPD-Stadtrat Leonhard Hausmann.
Die fünf KZ-Außenlager, die in Dachau ebenfalls bestanden, sind weitgehend in Vergessenheit geraten.
5 vergessene KZ-Außenlager in Dachau
#1 KZ-Außenlager Entomologisches Institut Dachau
Anfang 1942 ordnete Heinrich Himmler die Gründung eines Entomologischen Instituts an. Dieses sollte sich mit der Bekämpfung von den Menschen Ungezieferarten, wie Läusen, Flöhen und Mücken, befassen.
Die Leitung dieses Instituts übernahm am 10. Februar 1942 der Zoologe Eduard May anvertraut. Als Standort wählte man Dachau aus, da die SS im KZ Dachau bereits Menschenversuche mit Malariamücken durchführte.
Das Entomologische Institut Dachau befand sich in unmittelbarer Nähe zum Konzentrationslager Dachau. Aufgrund von Lieferproblemen kam sein Bau jedoch nur sehr schleppend voran, so dass das Institut seine Labortätigkeit erst 1944 aufnehmen konnte.
Das Team des Instituts bestand aus dem Prähistoriker Rudolf Schütrumpf, May und einigen Assistenten. Letztere waren keine Wissenschaftler, sondern Personal aus SS und Polizei. Im Entomologischen Institut Dachau arbeiteten ferner vier vormals im Konzentrationslager Ravensbrück inhaftierte Zeuginnen Jehovas. Sie übernahmen vor allem Reinigungsarbeiten und waren vor Ort untergebracht.
Das KZ-Außenlager Entomologisches Institut Dachau bestand bis zur Befreiung durch die US-Armee. In der ehemaligen Forschungsbaracke lebten nach dem Krieg zunächst Flüchtlinge und befreite Insassen des KZ Dachau. Die Wohnbaracke des Instituts riss man bereits 1945 ab, die Forschungsbaracke 20 Jahre später.
May und Schütrumpf konnten ihre Karrieren unbehelligt fortsetzen. May zunächst an der Universität München und später an der Freien Universität Berlin. Schütrumpf in Köln, wo er 1970 sogar zum außerplanmäßigen Professor wurde.
#2 KZ-Außenlager Präzifix Dachau
Die Schraubenfabrik Präzifix GmbH stellte seit Kriegsbeginn vor allem Schrauben für Flugzeuge her. Die Präzifix GmbH war damit ein wichtiger Zulieferer der Messerschmittwerke.
Im Jahr 1940 arbeiteten bereits ein Dutzend Häftlinge im Werk in der Münchner Straße, die jeden Abend ins Stammlager Dachau zurückkehrten. Nach Beginn der Typhusepidemie im Hauptlager wurden auf dem Gelände der Präzifix GmbH Baracken gebaut.
Die Häftlinge zogen vermutlich am 7. Februar 1943 in das neu errichtete KZ-Außenlager ein. Ihre Zahl erhöhte sich schnell von etwa 130 auf 400. Lediglich sonntags kehrten die KZ-Häftlinge ins Stammlager zurück, um sich dort zu waschen und ihre Kleidung zu reinigen.
Die meisten Zwangsarbeiter der Schraubenfabrik Dachau stammten aus Polen, der Tschechoslowakei und Jugoslawien. Es handelte sich sowohl um Facharbeiter, also Dreher und Schlosser, als auch um ungelernte Hilfskräfte.
Die Verpflegung im Lager Präzifix soll recht gut gewesen sein, so dass viele Dachauer Häftlinge versuchten, dort einen Platz zu bekommen. Eine Besonderheit des KZ-Außenlagers in der Schraubenfabrik waren kulturelle Veranstaltungen, bei denen die Zwangsarbeiter Tänze aufführten oder Sketche und Instrumente spielten.
Nach einem Konflikt mit der Gestapo wurde Präzifix-Leiter Heyer an die Front versetzt und durch den überzeugten Nationalsozialisten Oskar Eifler ersetzt. Unter Eifler kam es zu schweren Misshandlungen und Erhängungen.
Aufgelöst wurde das Lager am 26. April 1945. Heyer starb gegen Kriegsende an der Front. Gegen Eifler wurden zunächst Ermittlungen wegen Mordverdachts aufgenommen, 1977 aber eingestellt. Die Präzifix GmbH wurde 1951 aufgelöst.
#3 KZ-Außenlager Fleischwarenfabrik Wülfert Dachau
Der Besitzer der Fleischwarenfabrik Wülfert, Hans Wülfert, hatte sich bereits 1930 als eines der Gründungsmitglieder der NSDAP-Ortsgruppe Dachau hervorgetan. Seine Fleischwarenfabrik in der Schleißheimerstraße 19 bestand zu jenem Zeitpunkt bereits seit 41 Jahren.
Im August 1941 waren in der Fleischwarenfabrik Wülfert in Dachau 16 KZ-Häftlinge beschäftigt. 1942 erhöhte sich ihre Zahl auf 60. Eingesetzt waren sie sowohl bei Schlachtungen als auch zu Büroarbeiten oder Reinigung und Verladen von Konserven.
Die Häftlinge trugen KZ-Kleidung und mussten täglich bis zu zwölf Stunden arbeiten, teils auch nachts. Hans Wülfert ließ sie nicht nur in seiner Dachauer Fabrik, sondern auch auf seinem Privatgrundstück arbeiten, wo sie Gartenarbeiten verrichten mussten.
Bis Februar 1943 kamen sie Häftlinge jeden Tag aus dem nahegelegenen Konzentrationslager Dachau. Als dort eine Typhusepidemie ausbrach, wurde für sie auf dem Fabrikgelände in der Schleißheimerstraße ein KZ-Außenlager errichtet. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der in der Fleischfabrik arbeitenden Häftlinge auf 320.
Ihre Verpflegung bekamen die KZ-Insassen weiter vom Stammlager Dachau. Sie erhielten aber auch Fleisch- und Wurstzulagen aus der Fabrik, weswegen das Kommando sich großer Beliebtheit erfreute.
Zudem schafften die Häftlinge es immer wieder, in unbeobachteten Momenten Fleisch und Wurst abzuzweigen. Teils schmuggelten sie die so ergatterten Lebensmittel auch ins Stammlager, um den dortigen Insassen eine bessere Versorgung zukommen zu lassen.
Den SS-Wachmannschaften im KZ-Außenlager Wülfert gelang es nicht wirklich, diese Diebstähle einzudämmen oder gar zu unterbinden. Wer erwischt wurde, wurde zurück ins Dachauer Stammlager geschickt und dort mit Schlägen oder Stehbunker bestraft. Prügelstrafen waren auch auf dem Gelände der Fleischwarenfabrik üblich.
Der überzeugte Nationalsozialist Wülfert meldete sämtliche Diebstähle der Lagerleitung, mit der er auch sonst eine sehr enge Beziehung unterhielt. So lieferte er für Feste der SS-Funktionäre regelmäßig Speisen und Alkohol. Die Fabrik erhielt von der Wehrmacht zahlreiche Großaufträge.
Hans Wülfert und sein Geschäftspartner Huber wurden 1947 im Rahmen der Dachauer Prozesse zu fünf beziehungsweise zwei Jahren Gefängnis verurteilt, im Berufungsverfahren jedoch freigesprochen.
#4 KZ-Außenlager Dachau Pollnhof
Beim Pollnhof handelte es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb, der von der SS bewirtschaftet wurde. Er befand sich in der heutigen Steinstraße 16.
Die etwa 50 im Pollnhof eingesetzten KZ-Häftlinge mussten verschiedene landwirtschaftliche Arbeiten ausführen und kehrten abends in das Stammlager Dachau zurück. Im März 1945 bestand im Pollnhof für mehrere Wochen ein ständiges KZ-Außenlager.
Zu Tötungen soll es auf dem Dachauer Pollnhof nicht gekommen sein. Jedoch wird von schweren Misshandlungen nach dem Diebstahl von Gemüse berichtet.
Das alte Gutshaus in der Steinstraße steht heute noch.
#5 KZ-Außenlager Liebhof
In unmittelbarer Nähe zum Konzentrationslager Dachau befand sich auch der Liebhof. Zwischen der heutigen Jakob-Kaiser-Straße und der Fünfkirchener Straße bewirtschafteten ungefähr 800 KZ-Insassen rund 750 ha Land.
Nur sechs Häftlinge waren in einer Baracke im Liebhof untergebracht. Die anderen kehrten jeden Abend in das Stammlager Dachau zurück. Wann genau der Liebhof eröffnet wurde, ist nicht bekannt.
Die Häfltinge verrichteten landwirtschaftliche Arbeiten und transportieren ihre Produkte sowie Kohle und Kies zum Dachauer Bahnhof. 30 SS-Angehörigen bewachten sie dabei.
Das KZ-Außenlager Liebhof existierte bis zum 26. April 1945.
Insgesamt besaß das Konzentrationslager Dachau 169 Nebenlager. Bei dem Lagerkomplex Dachau handelte es sich um den größten des NS-Regimes. Die Bedingungen in den einzelnen Lagern und Außenkommandos waren sehr unterschiedlich. In kleineren Außenlagern blieben den Häftlingen teils Zählappelle und Epidemien erspart. Bisweilen konnten sie dort auch ihre Kost aufbessern und ihre Überlebenschance erheblich steigern. Die Verhältnisse in KZ-Außenlagern, die Teil des Jägerprogramms waren, waren dagegen viel schlechter als im Stammlager selbst.
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Fotos: © Andrea Halbritter
Quellen:
Benz, Wolfgang und Distel, Barbara (Hg.) : Der Ort des Terros – Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager – Band 2 Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. München 2005
Zámečník, Stanislav: Das war Dachau. Frankfurt am Main 2013³
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