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Vergessene Konzentrationslager: das KZ-Außenlager Kaufering VII

Konzentrationslager Häftlingsunterkünfte

KZ-Außenlager Kaufering VII: Europäische Holocaustgedenkstätte

Gedenkstätte Kaufering VII

Insbesondere aufgrund des jahrzehntelangen Einsatzes des 2015 während einer Wanderung tödlich verunglückten Historikers Anton Posset, welcher in den 1980er-Jahren maßgeblich zur Gründung der Bürgerinitiative Landsberg im 20. Jahrhundert beitrug, zählt das KZ-Außenlager Kaufering VII zwar noch zu den unbekannteren Stätten der NS-Zwangsarbeit, jedoch nicht mehr zu den vergessenen Konzentrationslagern des NS-Regimes.

So nahm sich mit Manfred Deiler die im April 2009 ins Leben gerufene Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung e. V. seiner an und setzte sich u. a. zum Ziel, Quellen, Archivalien und Objekte zum KZ-Außenlagerkomplex Kaufering, zu Hitlers Haft in Landsberg und zur Besatzungszeit in der Region zusammenzufassen sowie für den Lagerkomplex Kaufering ein Dokumentationszentrum zu errichten. Eine Europäische Holocaustgedenkstätte findet der interessierte Besucher im Bereich des KZ-Außenlagers Kaufering VII nunmehr seit ein paar Jahren vor.

Von der Bundesregierung wurde das KZ-Außenlager Kaufering VII im Jahr 2013 als Denkmal von nationaler Bedeutung anerkannt.

Bau von Großbunkern für die Rüstungsindustrie

Tonröhrenbau Kaufering VII

Nachdem das NS-Regime mit Führern von SS und Industrie beschlossen hatte, die deutsche Rüstungsproduktion in bombensichere Standorte zu verlagern, entstand im Raum Kaufering/Landsberg ab Juni 1944 der größte Außenlagerkomplex des KZ Dachau.

So wurde die Organisation Todt (OT) damit beauftragt, im Raum Landsberg drei Großbunker à 100 000 m² zu bauen, in die die Produktion von Jagdflugzeugen verlegt werden sollte. Zum Bau der riesigen Bunker zog man fast ausschließlich jüdische Zwangsarbeiter heran, wobei die Konstruktion der Bauten von OT Privatfirmen anvertraut wurde, darunter die Unternehmen Karl Stöhr und Leonhard Moll.

Überwiegend jüdische Häftlinge im KZ-Außenlager Kaufering VII

Europäische Holocaustgedenkstätte

Das KZ-Außenlager Kaufering VII wurde zwischen Juli und September 1944 errichtet, die ersten Häftlinge trafen im September 1944 ein. Zeitweise waren im Lager VII bis zu 2000 Männer und 272 Frauen getrennt voneinander in 55 Erdhütten und sechs Tonröhrenbauten untergebracht, wobei die Frauen in der Regel in den letzteren wohnten.

Sowohl Männer als auch Frauen wurden unabhängig von ihrem Alter zum Bau von Bunker und Infrastruktur herangezogen. Bei den meisten von ihnen handelte es sich um Juden aus Ungarn, Polen, Litauen, Italien, Griechenland und der Tschechoslowakei. Es gab jedoch z. B. auch jüdische Häftlinge aus Österreich, aus der Sowjetunion und den Niederlanden.

Ab Anfang 1945 überstellte man in das Lager VII nicht mehr arbeitsfähige, kranke oder schwache Häftlinge aus anderen Lagern des Komplexes Kaufering. Es wurde also zum Krankenlager, in dem sich sehr bald eine Flecktyphus-Epidemie ausbreitete.

Zwar sprachen die meisten der Zwangsarbeiter Jiddisch, die Verständigung fiel jedoch trotzdem schwer, da die Gefangenen aus insgesamt 25 verschiedenen Ländern stammten.

Etwa 2000 Tote des Lagers VII wurden in nahegelegenen Massengräbern verscharrt, bevor es Ende April 1945 durch die SS zur Räumung des Lagers kam, indem man die Häftlinge aufgrund des Vorrückens der amerikanischen Truppen auf einen Todesmarsch Richtung Süden schickte. Nach dem Krieg brachte man in den SS-Baracken Heimatvertriebene unter.

Einige Gebäude wurden außerdem gewerblich genutzt bzw. dienten einer Bikergruppe als Clubheim.

Letzte Originalunterkünfte eines KZ in Deutschland

KZ-Außenlager Dachau

Einige Tonröhrenbauten und Fundamente des Lagers VII sind noch vorhanden. Es handelt sich dabei um die einzigen noch erhaltenen Originalhäftlingsunterkünfte eines NS-Konzentrationslagers auf deutschem Boden.

Die Instandsetzungsarbeiten an der ersten Tonröhrenunterkunft starteten im Frühjahr 2014. Die Unterkünfte sind fast 14 Meter lang, etwa sechs Meter breit und besitzen eine Scheitelhöhe von 2,8 Metern. Ihr Gewölbe besteht aus zwei Lagen Tonröhren, die mit Zementmörtel verbunden und überdeckt sind. Die Tonröhrenunterkünfte gehen auf ein französisches Schnellbauverfahren zurück, bei dem ineinandergesteckte Tonröhren auf einer halbrunden Holzverschalung aufgebracht wurden. Deren Dachträger wiederum stellte man auf in die Erde eingelassene Betonfundamente. Die Tonröhren importierte das Lager aus Südfrankreich.

Vorder- und Rückseite der Tonröhrenunterkünfte des Lagers VII besitzen eine Tür sowie zwei Fenster. Drei der sechs Tonröhrengewölbe des sich auf einer Waldlichtung befindenden Geländes sind noch völlig intakt, drei weitere sind bereits eingestürzt und daher nur noch in Teilen vorhanden. In einer Tonröhrenunterkunft waren bis zu 100 Frauen untergebracht.

Ferner sieht man auf dem Areal Aushebungen für Erdhütten und Fundamentreste von Versorgungsbauten.

Bedingungen im Lager

Tonröhrenbauten Konzentrationslager Nationalsozialismus

Die Fläche von Lager VII betrug insgesamt 49 Hektar. Vom Lager aus bewegten sich die Zwangsarbeiterkolonnen jeden Tag zu Fuß zu ihren Einsatzstellen, wobei sowohl die hygienischen als auch die arbeitstechnischen und gesundheitlichen Bedingungen katastrophal waren und im Außenlagerkomplex Kaufering nach heutigen Schätzungen über 6000 Menschen das Leben kosteten. Aufgrund des Befalls mit Ungeziefer hatten viele Häftlinge außerdem am ganzen Körper bis zu handtellergroße Kratzwunden.

Die Kleidung der Gefangenen war sehr dünn und für einen bayerischen Winter gänzlich ungeeignet. Einen Mantel besaßen nur äußerst wenige Häftlinge, zum Beheizen der Unterkünfte stand nur wenig Brennmaterial zur Verfügung, die Dächer weichten außerdem regelmäßig durch.

Brutalität und antisemitische Feindseligkeiten waren an der Tagesordnung, wegen Nichtigkeiten wurden die ohnehin schon viel zu knappen Essensrationen gestrichen. Weil die Mahlzeiten teilweise direkt an der Arbeitsstelle verteilt wurden, gingen Kranke bisweilen komplett leer aus.

Laura Hasson und die Frauen von Rhodos

Nationalsozialismus Lager Außenkomplex

An den Wänden der Tonröhrenbunker entdeckte ein Statiker die Namen von vier jungen Frauen, Mitglieder der jüdischen Gemeinde Rhodos, die während ihrer Gefangenschaft auf den Wänden unterschrieben hatten.

Laura Hasson, eine dieser Frauen, berichtete nach ihrer Befreiung in Die Odysee der Frauen von Rhodos von ihrem Martyrium.

Die Verschleppung der Juden von Rhodos war von Generalleutnant Ulrich Kleemann organisiert worden, welcher 1944 etwa 1800 Juden nach Auschwitz deportieren ließ, von denen einige bereits auf dem Transport starben. Andere wiederum wurden zweieinhalb Monate nach ihrer Ankunft in Auschwitz in den KZ-Außenlagerkomplex Kaufering transportiert

So wurde auch Laura Hasson am 27. Oktober 1944 von Auschwitz nach Landsberg verschleppt und war zunächst in Lager II und Lager VIII inhaftiert, bevor sie schließlich in Lager VII ankam.

Da Lager VII zum damaligen Zeitpunkt wegen einer Typhus-Epidemie unter Quarantäne stand, blieb ihr dort die Zwangsarbeit erspart. Danach verlegte man sie in Lager XI, von wo aus sie jeden Tag 18 km zu ihrer “Arbeitsstätte” zurücklegen und auf der dortigen Bunkerbaustelle Schutt beiseite räumen musste, bevor es schließlich wieder 18 km zurück ins Lager ging.

Befreit wurde Laura am 29. April 1945 im Stammlager Dachau von den US-Streitkräften.

Erinnerungskultur: Beharrlichkeit zahlt sich aus

Gedenkstätte Holocaust Nationalsozialismus

Die Geschichte des KZ-Außenlagers Kaufering VII an der Erpftinger Straße zwischen Landsberg und Erpfting zeigt, was möglich ist, wenn sich Menschen beharrlich über Jahre gegen das Vergessen einsetzen.

So war ein Großteil der Bevölkerung Landsbergs bis in die 1990er-Jahre der Meinung, dass unter die NS-Zeit endlich ein Schlussstrich zu ziehen sei. Grund hierfür waren Interessen von einzelnen Unternehmen, die Bedeutung des Orts als NS-Pilgerstätte (schließlich saß Hitler in Landsberg in Haft) sowie die Verharmlosung der Lager durch Teile der Stadtbevölkerung. Aus KZ-Lagern des Komplexes Kaufering wurden Kiesgruben, Schrebergärten oder ein Industriegebiet. Die Nazi-Vergangenheit der Stadt sollte möglichst unsichtbar sein.

Umso bewundernswerter, wie sich diverse Bürger – darunter viele Schüler – dafür einsetzen, über die Geschichte des Lagers VII buchstäblich kein Gras mehr wachsen zu lassen. Ohne dieses Engagements von Privatpersonen wäre es vermutlich weder zur Errichtung der derzeitigen Gedenkstätte noch zur Bestandssicherung an den Tonröhrenunterkünften des Lagers VII gekommen, wofür  der Verein im Übrigen 2016 den Bayerischen Denkmalpflegepreis erhielt.

Das KZ-Außenlager Kaufering VII heute

Zwangsarbeit Drittes Reich Außenlager Dachau

Heute stehen auf dem KZ-Areal insgesamt zwölf Denkmäler mit Inschriften in verschiedenen Sprachen. Das Gelände, auf dem sich die Tonröhrenbauten befinden, ist eingezäunt, wird hin und wieder von Schafen beweidet und kann nach vorheriger Terminvereinbarung sowohl von Einzelpersonen als auch von Gruppen im Rahmen einer Führung besichtigt werden:

EuropaeischeHolocaustGedenkstätte@gmx.de

Zu erreichen ist es, wenn man Landsberg auf der alten B17 durchquert und dann auf die Erpftinger Straße abbiegt. Nach der Brücke über die neue B17 weist links ein deutlich sichtbares Schild auf die Gedenkstätte hin. Davor befindet sich ein Parkplatz, auf dem etwa acht Fahrzeuge abgestellt werden können. Zum Areal mit den Tonröhrenbauten führt ein schmaler Kiesweg, der auch für Rollstuhlfahrer geeignet ist. Die noch bestehenden Behausungen sind auch vom Zaun aus gut zu sehen. Reste des Totenbunkers befinden sich ferner links des Wegs.

Konzentrationslager Bayern

Quellen:

Schöndorfer, Dieter: “Wir waren alle wie elektrisiert”, in: Landsberger Tagblatt, 17.03.2015

o. V.: Historische Relikte werden saniert, in: Bayerische Staatszeitung Nr. 22, 30.05.2014

Holocaust Gedenkstätte Landsberg am Lech

Münchner Leerstellen

Tafel an der Gedenkstätte

 

Todesbunker Konzentrationslager Kaufering VII

 

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Vergessene Konzentrationslager: das KZ-Außenlager Kaufering IV-Hurlach

Vergessene Konzentrationslager: das KZ-Außenlager Horgau

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Fotos: © Andrea Halbritter

 

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