Am Gendern führt kaum ein Weg mehr vorbei. Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, in ihren Texten eine gendergerechte Sprache zu verwenden. So werden nicht nur Männer, sondern alle Geschlechter angesprochen! Hier erfährst du, welche Möglichkeiten zu gendern es im Deutschen gibt und wie du sie richtig umsetzt.
Sollte ich gendern?
Fakt ist: Gendergerechte Schreibweisen etablieren sich zunehmend im deutschen Sprachgebrauch. Aber warum eigentlich? Die männliche Form – auch generisches Maskulinum genannt – hat doch bisher ausgereicht. Sie ist schließlich immer dann geschlechtsneutral gemeint, wenn es um allgemeingültige Aussagen oder Gruppen unspezifischen Geschlechts geht.
Doch so neutral, wie viele denken, verstehen wir das generische Maskulinum gar nicht. Schon seit den 70er Jahren untersuchen Linguist*innen, ob sich davon wirklich Menschen jeglichen Geschlechts mitgemeint fühlen. Zahlreiche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass wir mit männlichen Bezeichnungen mehrheitlich auch männliche Personen assoziieren. Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass das grammatische Geschlecht von Wörtern, die für Personen oder auch Tiere stehen, meistens dem natürlichen entspricht. Da gibt es nur wenige Ausnahmen wie „das Mädchen“.
Weitere Argumente für eine gendergerechte Sprache gefällig? Bitte schön:
- Gemischte und überwiegend weibliche Zielgruppen wollen sich mit deinem Text identifizieren können – das geht am besten, wenn sie Vertreter*innen ihres Geschlechts mit den beschriebenen Personen assoziieren können.
- Die Gleichbehandlung der Geschlechter ist gesetzlich vorgeschrieben – wichtig für Stellenanzeigen und andere offizielle Dokumente.
- Weltoffene, jüngere und LGBTIQ+-Zielgruppen legen oft großen Wert auf eine Vielfalt wertschätzende Sprache.
LGBTIQ = lesbisch, schwul, bisexuell, trans-/intergeschlechtlich, queer, das + steht für weitere sexuelle und geschlechtliche Identitäten.
6 Arten gendergerechter Sprache
Gendern – aber wie? Da gibt es im Deutschen besonders viele Möglichkeiten. Auf eine einzig richtige hat man sich bisher nicht einigen können, denn alle Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. In manchen Situationen eignet sich eine besser als die andere. Die sechs gängigsten Arten zu gendern stelle ich dir jetzt vor.
1. Paarform
Die Paarform oder auch Doppelnennung ist der Klassiker unter den Arten gendergerechter Sprache. Du nennst einfach immer sowohl die weibliche als auch die männliche Form.
- Beispiel: „Meine Leserinnen und Leser sollen sich gleichermaßen angesprochen fühlen.“
- Vorteile: Die Paarform ist einfach anzuwenden, leicht verständlich und entspricht der amtlichen Rechtschreibung.
- Nachteile: Texte wirken schnell aufgebauscht durch die vielen Wortwiederholungen. Außerdem werden nur Männer und Frauen angesprochen, obwohl es seit 2019 in Deutschland auch die dritte Geschlechtsoption „divers“ gibt.
Wenn du die häufige Doppelnennung vermeiden möchtest, aber an die amtliche Rechtschreibung gebunden bist, kannst du Sparschreibungen verwenden – z. B. „Geschichtslehrerinnen und -lehrer“ oder „Geschichtslehrer/-innen“. Der Wortteil vor dem Schrägstrich sollte allerdings auch ohne die Ergänzung einen Sinn ergeben. Die Formulierung „Ärzt/-in“ wäre zum Beispiel nicht rechtschreibkonform.
2. Schrägstrich
Den Schrägstrich kannst du der amtlichen Rechtschreibung entsprechend mit Bindestrich nutzen. Gängigerweise wird dieser allerdings weggelassen.
- Beispiel: „Während die Schüler/innen auf dem Schulhof spielen, übernimmt ein/e Lehrer/in die Pausenaufsicht.“
- Vorteile: Die Schrägstrichvariante fasst weibliche und männliche Form kurz zusammen.
- Nachteile: In komplizierten Sätzen mit vielen Personen und Singularformulierungen wird es mit dem Schrägstrich oft unübersichtlich. Auch hier werden nur Frauen und Männer berücksichtigt.
Statt „Der/die Lehrer/in hat seine/ihre Unterrichtsvorbereitung zu Hause vergessen“ kannst du neutrale Formulierungen wählen: „Die Lehrperson hat ihre Unterrichtsvorbereitung zu Hause vergessen“.
3. Binnen-I
Das Binnen-I ist wie der Schrägstrich eine der ersten Varianten gendergerechter Sprache, die sich in Deutschland etabliert haben. Das I der angehängten weiblichen Endung „Innen“ wird dabei großgeschrieben. Bei Artikeln wie „einE“ wird die weibliche Endung ebenfalls durch einen Großbuchstaben markiert.
- Beispiel: „Damit unsere KundInnen finden, was sie suchen, steht ihnen immer einE MitarbeiterIn beratend zur Seite.“
- Vorteile: Der Lesefluss wird nicht durch störende Sonderzeichen unterbrochen.
- Nachteile: Ähnlich wie beim Schrägstrich werden komplizierte Sätze durch das Binnen-I schwerer verständlich. Außerdem ist das große I leicht mit dem kleinen l zu verwechseln. Wieder bezieht sich diese Art zu gendern nur auf Männer und Frauen. Nutzer*innen einer Sprachausgabesoftware hören zudem lediglich die weibliche Form, weil Großbuchstaben in Hörversionen nicht berücksichtigt werden.
Manchmal musst du das Binnen-I unweigerlich mit anderen Formen wie dem Schrägstrich mixen, weil es nicht immer funktioniert: „Der/die KundIn wird von einem/einer MitarbeiterIn beraten.“ Das wirkt schnell unübersichtlich. Weiche in solchen Fällen am besten auf Pluralformen oder neutrale Wörter aus.
4. Sonderzeichen
Der sogenannte Gender-Gap markiert eine Lücke zwischen männlicher und weiblicher Form eines Wortes. In die Lücke kannst du ein Sonderzeichen setzen – z. B. den Unterstrich (_), das Sternchen (*) oder den Doppelpunkt (:).
- Beispiel: „Die Anzahl der Besucher:innen auf meiner Website ist gestiegen und ich habe bereits eine:n neue:n Kund:in gewonnen.“
- Vorteile: Die Lücke bzw. das Sonderzeichen repräsentiert auch Geschlechter außerhalb des binären Systems aus Mann und Frau – also z. B. trans- und intergeschlechtliche oder genderqueere Menschen.
- Nachteile: In längeren Sätzen und bei Singularformen wird es fast immer kompliziert. Auch hier kann der Lesefluss gestört werden. Unterstrich und Sternchen werden von Sprachausgabesoftwares mit vorgelesen („Besucher-Stern-innen“).
Der Gender-Gap ist neben neutralen Formulierungen die einzige Variante gendergerechter Sprache, die tatsächlich alle Geschlechter miteinbezieht.
5. Neutrale Formulierungen
Geschlechtsneutrale Formulierungen sind die perfekten Partner*innen für alle anderen Arten zu gendern. Wann immer es möglich ist und zum Kontext passt, solltest du sie bevorzugen.
- Beispiel: „Zum Abschluss des Seminars können die Teilnehmenden der Lehrperson noch ihre Fragen stellen.“
- Vorteile: Neutrale Formulierungen beziehen alle Geschlechter ein, ohne dabei Texte aufzubauschen oder schwer lesbar zu sein.
- Nachteile: Nicht für alle Wörter gibt es eine neutrale Alternative – das Wort „Ärztende“ existiert beispielsweise nicht. Außerdem wirken Texte mit vielen neutralen Formulierungen oft unpersönlich.
Wenn dir einmal keine neutrale Alternative für ein Wort einfällt, kannst du im Genderwörterbuch nachschlagen. Auf dieser Onlineplattform findest du alphabetisch sortiert zahlreiche Begriffe mit der dazu passenden Version in gendergerechter Sprache.
6. Das Prinzip der Rollenverteilung
Meine Lieblingsmethode für alle Texte, in denen du nicht gendern darfst, willst oder es zu kompliziert werden würde, ist das Prinzip der Rollenverteilung. Dabei wählst du mal die männliche, mal die weibliche Form. Aber Vorsicht: Achte darauf, dass du immer dasselbe Geschlecht für dasselbe Wort verwendest.
- Beispiel: „Bei dieser Art von Beschwerden sollte der Patient zunächst seine Hausärztin aufsuchen. Diese überweist ihn dann gegebenenfalls an einen Facharzt, der den Patienten weiterbehandelt.“
- Vorteile: Das Prinzip der Rollenverteilung ist einfach lesbar und eignet sich gut für Singularformulierungen.
- Nachteile: Geschlechter, die nicht Mann oder Frau sind, bleiben ausgeschlossen. Die weibliche Form verstehen wir zudem noch weniger neutral als die männliche. Daher könnte sie bei der Leserin die Annahme bewirken, es handle sich speziell um eine weibliche Person.
Für die Anwendung der Rollenverteilung ist es hilfreich, wenn du dir tatsächliche Personen vorstellst. Gib dem Patienten und der Hausärztin Namen: Herr Huber geht zu seiner Hausärztin Frau Dr. Bilgin. Wenn du beim Schreiben immer an diese Namen denkst, wendest du automatisch konsistent das gleiche Geschlecht an. So vermeidest du Verwirrungen bei deinen Leser*innen, die sonst annehmen könnten, es handele sich plötzlich um einen anderen Arzt.
Welche Art zu gendern für welche Zielgruppe?
Viele Wege, ein Ziel – doch welche Variante gendergerechter Sprache solltest du jetzt nutzen? Die Antwort ist: Es kommt drauf an. Auf die Zielgruppe, deine eigenen Werte und, wenn du im Auftrag schreibst, natürlich auf die Wünsche deiner Kund*innen. Außerdem musst du immer zwischen Lesbarkeit und Gendergerechtigkeit abwägen. Irgendjemanden schließt du bei jeder Möglichkeit aus. Wie gesagt: Die perfekte Art zu gendern gibt es eben noch nicht. Einen groben Anhaltspunkt zur Wahl der passenden Gendervariante kann dir aber diese Liste geben:
- Konservative Zielgruppen: Paarform, neutrale Formulierungen, Prinzip der Rollenverteilung
- Ältere Zielgruppen: Paarform, Binnen-I und Schrägstrich, neutrale Formulierungen
- Jüngere und weltoffene Zielgruppen: alle Arten gendergerechter Sprache
- LGBTIQ+-Zielgruppen: Gender-Gap mit Sonderzeichen
- Nichtmuttersprachler*innen: Paarform, Prinzip der Rollenverteilung
- Barrierefreie Texte: Gender-Gap mit Doppelpunkt für Nutzer*innen von Sprachausgabesoftware, Paarform in Leichter Sprache und Einfacher Sprache
Am besten probierst du einfach mal einige Arten gendergerechter Sprache aus. So merkst du schnell, mit welcher du am besten zurechtkommst.
Zur Autorin:
Lucia Clara Rocktäschel lebt in Berlin und ist Diversity-Texterin. Sie prüft Websites nach Diversity-Kriterien, gibt konkrete Tipps in Sachen Inklusion und verfasst inklusive SEO-Texte, die die Vielfalt wertschätzen. Zu ihrer Website geht es hier.
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Fotos: © Andrea Halbritter (Regenbogen), Carolin Mattke (Lucia Clara Rocktäschel)