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Wie gendert man in Leichter bzw. Einfacher Sprache?

Dieser Blogartikel befasst sich mit einer Frage, die mir immer wieder gestellt wird: Wie gendert man eigentlich in Leichter bzw. Einfacher Sprache?

Du hast dir diese Frage auch schon gestellt? Dann lies weiter!

Gendern in Leichter bzw. Einfacher Sprache

Bevor ich dir mehr zum Gendern in Leichter bzw. Einfacher Sprache verrate, hier noch einmal ein kurzer Überblick über die Möglichkeiten gendergerechter Sprache im Standarddeutschen:

Gendern in schwerer Sprache

Im Standarddeutschen, also in der Sprache, die für viele schwer ist, gibt es folgende Möglichkeiten zu gendern:

  1. Doppelnennung bzw. Paarform
  2. Schrägstrich
  3. Binnen-I
  4. Sonderzeichen (Unterstrich, Gendersternchen, Doppelpunkt)
  5. Neutrale Formulierungen
  6. Prinzip der Rollenverteilung
  7. Umschreibungen und Passivkonstruktionen

Mehr über die ersten sechs Möglichkeiten gendersensibler Sprache erfährst du in dem Gastbeitrag Gendergerechte Sprache leicht gemacht von Lucia Clara Rocktäschel, der sich ebenfalls auf meinem Blog befindet.

Welche Möglichkeiten des Genderns eignen sich für Leichte Sprache?

 

Paarform in Leichter Sprache

Das Netzwerk Leichte Sprache empfiehlt, zum Gendern in Leichter Sprache von der Doppelnennung bzw. Paarform Gebrauch zu machen. Als Form der gendergerechten Sprache ist diese Art des Genderns auch im Standarddeutschen verbreitet. Man erwähnt dabei immer sowohl die männliche als auch die weibliche Form. Während man im Standarddeutschen die weibliche Form als erstes nennt (Ladies first!), führen Übersetzer, die vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. ausgebildet wurden, die männliche Form als erstes auf. Der Grund: Die männliche Form ist in der Regel verbreiteter und kürzer, damit also für Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind, leichter zu lesen.

Sonderzeichen und Leichte Sprache

Schrägstriche, Binnen-I und Sonderzeichen eignen sich für das Gendern in Leichter Sprache nicht. Formen wie Lehrer/innen, LehrerInnen, Lehrer:innen, Lehrer_innen und Lehrer*innen, erschweren das Leseverständnis erheblich.

Dennoch greifen einige Texte in Leichter Sprache auf das Gendersternchen zurück. Warum? Gendersternchen haben den Vorteil, dass sie wirklich alle Geschlechter einbeziehen, also nicht nur Frauen und Männer, sondern auch Diverse. Wenn auch du in deinen Texten in Leichter Sprache ein Gendersternchen verwenden möchtest, solltest du dessen Bedeutung unbedingt in Leichter Sprache erklären.

Da Gendersternchen nicht barrierefrei sind, verwende ich sie in Leichter Sprache nicht. Auf den Teppich kommt das Thema Gendern mit Gendersternchen bei meinen Übersetzungen in Leichte Sprache allerdings immer wieder. Wie ich darauf reagiere? Ich berate den Kunden oder die Kundin und kann sie in der Regel davon überzeugen, im Sinne der Barrierefreiheit auf das Gendersternchen zu verzichten und die Paarform zu akzeptieren.

 

Neutrale Formulierungen und Leichte Sprache

Absolut abzuraten ist oft auch von neutralen Formulierungen. Neutrale Worte, wie Teilnehmende, Studierende, Mitarbeitende, Lehrenden, sind wesentlich schwerer zu verstehen als die Paarformen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Studenten und Studentinnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, da wesentlich seltener. Im Sinne eines barrierefreien gendersensiblen Sprachgebrauchs ist daher in Leichter Sprache meist auch auf neutrale Formulierungen zu verzichten.

Gut funktioniert dagegen z. B. die Umschreibung mit Menschen:

Menschen in Bonn statt Bonner*innen bzw. Bonner Bürger*innen

Menschen statt Frauen und Männer

Mehr hierzu erfährst du in meinem Artikel Wie leicht verständlich sind genderneutrale Formulierungen?

Prinzip der Rollenverteilung und andere Lösungen

Auch das Prinzip der Rollenverteilung, bei dem mal die weibliche, mal die männliche Form verwendet wird, damit aber eigentlich beides gemeint ist, könnte bei der Zielgruppe, die Leichte Sprache benötigt, zu Verwirrung führen.

Nicht geeignet sind ferner Umschreibungen, die Sätze stark verlängern und daher nicht mehr barrierefrei sind. Beispiel: Alle, die in der Arbeitsgruppe dabei waren, bekommen per E-Mail eine Zusammenfassung.

Passivumschreibungen, die Personenangaben vermeiden, sind in Leichter Sprache nicht möglich. Beispiel: Der Antrag muss bis zum 1. Mai abgegeben werden.

(Über Strukturen, die du in Leichter Sprache vermeiden solltest, erfährst du in meinem Artikel 5 Strukturen, die in Leichter Sprache nichts verloren haben mehr.)

 

Welche Möglichkeiten des Genderns eignen sich für Einfache Sprache?

Auch in Einfacher Sprache empfehle ich für gendersensible Sprache die Paarform. Ganz besonders in stark vereinfachter Einfacher Sprache, die sich auch an Menschen mit einer leichten geistigen Beeinträchtigung richtet, eignen sich andere Arten gendergerechter Sprache meist nicht.

Sonderzeichen sind für einen Großteil der Zielgruppe, an die sich Einfache Sprache richtet, entweder unbekannt oder schwer zu lesen. So stolpern unsichere Leser z. B. über Binnen-Is oder Unterstriche. Nicht nur Gendersternchen sind insbesondere vielen Nichtmuttersprachlern, die wenig Zeit in Deutschland verbracht haben, unbekannt. Screenreader lesen das Binnensternchen als Lehrer Stern innen oder Mitarbeiter Stern innen vor. Nicht gerade praktisch!

Auch in Einfacher Sprache macht es keinen Sinn, auf seltene Umschreibungen, wie z. B. Ärzteschaft für Ärztinnen und Ärzte, zurückzugreifen. Der Vorrang ist in Einfacher Sprache leichten Wörtern zu geben.

Was man unter leichten Wörtern versteht, erkläre ich dir in meinem Artikel Wie erkennt man leichte Wörter?

Gendergerechte Sprache und Barrierefreiheit: Fazit

Gendergerechte Sprache und Barrierefreiheit schließen sich weitgehend aus. Eine gendergerechte Auszeichnung in Leichter Sprache, die alle Geschlechter berücksichtigt, ist kaum vorstellbar. Behelfen kann man sich mit Paarformen, wie Lehrerinnen und Lehrer, die das dritte Geschlecht jedoch nicht miteinschließen.

In Einfacher Sprache bestehen – je nach Sprachniveau und Zielgruppe – mehr Möglichkeiten. Viele Formen gendersensibler Sprache erschweren jedoch auch hier Verständnis und Lesefluss.

Ich persönlich halte gendergerechte Sprache für durchaus wichtig. In Texten in Standarddeutsch greife ich – aufgrund der besseren Verständlichkeit – häufig auf das generische Maskulinum zurück oder praktiziere das Prinzip der Rollenverteilung. Wenn es für meine Zielgruppe wichtig ist, benutze ich im Standarddeutschen auch Binnensternchen.

Was meiner Meinung nach nicht sein darf: Inklusion, die Exklusion bewirkt. Eine Gruppe von Menschen einschließen, indem man eine andere mit Barrieren ausschließt.

Was meine barrierearmen bzw. barrierefreien Texte anbetrifft, hoffe ich daher bei meinen Paarformen auf das Verständnis von Menschen des Dritten Geschlechts.

Du rechnest dich dem Dritten Geschlecht zu? Danke, dass du verstehst, dass ich dich mit Schülerinnen und Schülern bzw. Lehrerinnen und Lehrern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht ausschließen will!

Einen Artikel in Leichter Sprache zum Thema Gendern findet ihr übrigens hier: Gendern in Leichter Sprache von Gastautorin Andrea Halbritter

 

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