Einfache Sprache und Leichte Sprache
Was ist Einfache Sprache?
Unter Einfacher Sprache versteht man eine sprachlich vereinfachte Form von Fachsprache bzw. des Standarddeutschen.
Für Einfache Sprache gibt es kein klar festgelegtes Regelwerk, das heißt, Einfache Sprache ist nicht genau definiert.
Satzbau
Texte in Einfacher Sprache weisen durchaus Nebensätze auf. Im Vergleich zum Standarddeutschen sind die Sätze in Einfacher Sprache jedoch trotzdem kürzer, so wird z. B. meist auf die Verwendung von Nebensätzen zweiten oder dritten Grades verzichtet.
Es kommt in Einfacher Sprache also durchaus zu Satzgefügen, jedoch sind diese wesentlich weniger “verschachtelt”, als dies z. B. in der Fachsprache der Fall sein kann. Sätze in Einfacher Sprache weisen selten mehr als ein Komma auf und bestehen meist aus maximal 15 Wörtern.
Vorgangspassiv wird in Einfacher Sprache vermieden, Sätze stehen ausschließlich im Aktiv.
Zeichensetzung
Die Zeichensetzungsregeln sind in Standarddeutsch und Einfacher Sprache dieselben.
Vokabular
Fremdwörter sind in Einfacher Sprache eher selten. Kommen Fremdwörter oder andere schwierige Begriffe vor, werden sie erklärt. Sämtliche alltäglichen Wörter werden dagegen verwendet.
In einem Text in Einfacher Sprache vermeidet man Abkürzungen. Statt langer Wörter werden meist kürzere Wörter bevorzugt.
Auf Metaphern und schwer verständliche Redewendungen greift die Einfache Sprache nicht zurück. Sie vermeidet auch Ironie.
Rechtschreibung
Einfache Sprache orientiert sich in Sachen Rechtschreibung am Standarddeutschen. Kommt es zur Verwendung von Komposita, empfiehlt sich eine Schreibung mit Bindestrich, so dieser auch vom Duden toleriert wird.
Modi
Verwendet werden Indikativ, Konjunktiv und würde-Form, wobei Ersatzformen der Vorzug gegeben wird. Seltene Konjunktivformen werden vermieden.
Gestaltung
Für die Gestaltung von Texten in Einfacher Sprache gibt es keine Vorschriften. Wie andere Texte auch sollten sie jedoch übersichtlich gegliedert sein. Auf Überschaubarkeit zu achten erhöht das Textverständnis.
Was ist Leichte Sprache?
Leichte Sprache ist eine besonders verständliche Sprache. Sie vereinfacht Texte sowohl auf sprachlicher als auch auf inhaltlicher Ebene. Texte in Leichter Sprache fassen Inhalte zusammen und treffen eine Auswahl. Im Gegensatz zu Einfacher Sprache gibt es für Texte in Leichter Sprache ein recht genau festgelegtes Regelwerk. Erstellt wurde dieses vom Netzwerk Leichte Sprache e. V., von dem auch ich ausgebildet und zertifiziert wurde.
Dennoch handelt es sich weder bei Einfacher Sprache noch bei Leichter Sprache um geschützte Begriffe.
Satzbau
Im Schriftlichen verzichtet Leichte Sprache zu fast 100 Prozent auf Nebensätze. Ellipsen sind in Leichter Sprache möglich, werden aber nicht von allen befürwortet. Passiv kommt in Leichter Sprache nicht vor. Alle Sätze werden im Aktiv formuliert.
In Leichter Sprache herrscht eine S-V-O-Stellung vor. Sätze in Leichter Sprache sind erheblich kürzer als in Einfacher Sprache. Meist bestehen sie nur aus etwa fünf Wörter pro Satz. Die Zahl von acht Wörtern pro Satz wird äußerst selten überschritten.
Indirekte Rede wird zu direkter Rede. Fragen werden meist nur gestellt, wenn Sie sich direkt an den Leser richten und eine Antwort erwartet wird.
Zeichensetzung
Laut Regeln des Netzwerks Leichte Sprache e. V. dürfen weder Anführungszeichen, noch Strichpunkt, Klammern oder Gedankenstriche verwendet werden. Wörtliche Rede kann durch Einrücken gekennzeichnet werden, Christiane Maaß von der Universität Hildesheim plädiert dagegen für die Kennzeichnung der wörtlichen Rede durch Anführungszeichen.
Texte in Leichter Sprache enthalten auch keine Kommata.
Satzgefüge werden im Schriftlichen fast immer in Hauptsatzstrukturen umformuliert, Aufzählungen aufgelöst:
Standarddeutsch:
In meinem Korb hatte ich eine Flasche Rotwein, Schokolade, Milch, Zucker und Brot.
Leichte Sprache:
In meinem Korb waren:
- eine Flasche Rot-Wein
- Schokolade
- Milch
- Zucker
- Brot
Oder:
In meinem Korb war eine Flasche Rot-Wein.
In meinem Korb war auch Schokolade.
In meinem Korb war auch Milch
In meinem Korb waren auch Zucker und Brot.
Auf Sonderzeichen wird fast immer verzichtet. Ist dies nicht möglich, werden sie erklärt.
Vokabular
Leichte Sprache bevorzugt kurze Wörter und erklärt schwierige Begriffe, so sie nicht vermieden werden können. Kommt man nicht umhin, ein Fremdwort zu verwenden, muss zu diesem auch seine Aussprache angegeben werden. Abkürzungen kommen auch in Leichter Sprache nicht vor. Hat man die Wahl zwischen mehreren Synonymen, wird das gebräuchlichste Wort verwendet.
Standarddeutsch:
Er hat kaum Geld.
Leichte Sprache:
Er hat wenig Geld.
Metaphern sowie Wörter und Redewendungen werden nicht mit ihrer übertragenen Bedeutung verwendet. Hohe Zahlen werden häufig vermieden und durch Umschreibungen ersetzt.
Rechtschreibung
Längere, zusammengesetzte Wörter werden teils auch dann mit Bindestrich geschrieben, wenn dies der Duden nicht erlaubt, der Bindestrich jedoch zu einem besseren Verständnis beiträgt.
Beispiel:
zurück-kommen
Modi
In der Leichten Sprache wird nur der Indikativ verwendet. Konjunktiv und Ersatzformen gibt es nicht.
Gestaltung
Auch die Gestaltung von Texten in Leichter Sprache ist recht genau festgelegt. Jeder Satz muss in einer eigenen Zeile stehen. Sätze sind durchgehend linksbündig und im Flattersatz angeordnet.
Texte werden in Abschnitte unterteilt. Ein Abschnitt darf nicht auf der nächsten Seite weitergehen.
Bilder müssen das Textverständnis unterstützen. Kursive Schrift sowie durchgehende Großbuchstaben dürfen nicht verwendet werden und auch zu Schriftart, Schriftgröße, Zeilenabstand und Platz der Bilder gibt es bestimmte Vorgaben. Nicht jede Farbe ist für Menschen mit bestimmten Beeinträchtigungen gut erkennbar.
An wen richtet sich Einfache Sprache?
Einfache Sprache befindet sich innerhalb des Europäischen Referenzrahmens in etwa auf der Stufe B1. Manche siedeln sie auch bereits auf der Stufe A2 an, was mir in Bezug auf das Vokabular nicht ganz passend erscheint. Einfache Sprache findet man in der Regel in Boulevardzeitungen.
Einfache Sprache richtet sich an Menschen mit unterschiedlichen Leseschwierigkeiten. Darunter fallen sowohl funktionale Analphabeten als auch Menschen mit einer ausgeprägteren Lese-Rechtschreibschwäche. Ebenso richtet sich Einfache Sprache an Nichtmuttersprachler, die im Deutschen in etwa ein Niveau B1 aufweisen.
An wen richtet sich Leichte Sprache?
Leichte Sprache siedelt man gemäß Europäischen Referenzrahmens meist auf der Stufe A1 an. Meiner Meinung nach ist dies zu niedrig gegriffen, Stufe A2 erscheint mir treffender.
Leichte Sprache richtet sich vor allem an Menschen mit einer leichten bis mittelgradigen geistigen Behinderung bzw. mit kognitiven Beeinträchtigungen, wie sie beispielsweise durch eine Alzheimer-Erkrankung, einen Schlaganfall oder einen Hirntumor entstehen können. Eine weitere Zielgruppe sind Menschen mit einer anderen Muttersprache, deren Deutschkenntnisse zum Verständnis von Einfacher Sprache oder Standarddeutsch nicht ausreichen.
Für manche funktionale Analphabeten sowie für gehörlose Menschen kann Leichte Sprache besser verständlich sein als Einfache Sprache.
Am 10.05.2021 überarbeitet
Weitere Artikel zu Leichter Sprache:
Leichte Sprache: ein Blick über den Tellerrand
Wie du in Leichter Sprache kausale Zusammenhänge verdeutlichen kannst