Seit meiner letzten Reise verspüre ich das Bedürfnis, über Geiz zu schreiben. Geiz ist für mich die Untugend Nummer 1. Schon immer.
Über die Website eines Verkehrsvereins in der Bretagne hatte ich für zwei Wochen eine Unterkunft am Meer gebucht. Nicht billig und mit gutem Internetanschluss – Übersetzerdasein oblige.
Nach der Ankunft führte mich die Eigentümerin mit folgenden Worten in die Küche der Ferienwohnung: „Für morgen Früh habe ich Ihnen etwas Kaffee hingestellt.“
Während meine Augen noch nach einem Kaffeepäckchen suchten, entdeckte ich einen Glasbehälter. Darin ungefähr drei gehäufte Löffel Kaffee – für maximal zwei Tassen.
Wow! Wie spendabel. Das habe ich auch schon anders erlebt. Im August empfing man mich in einem Ferienhaus im Finistère mit einem Strauß Blumen aus dem Garten, Keksen, Tee und frischen Eiern. Am ersten Morgen lagen zwei Croissants und ein Baguette vor meiner Tür.
Der Vermieter im Jahr davor war ähnlich aufmerksam: ein Päckchen Kaffee von einer lokalen Rösterei, eine Dose Sardinen, bretonische Palets (ebenfalls Kekse) und Cidre. Alles hochwertige lokale Produkte.
In meiner letzten Unterkunft erwartete mich neben drei Löffeln Kaffeepulver immerhin eine Klopapierrolle (in den beiden anderen Unterkünften war’s ein Paket mit mindestens sechs) und … ein kaputter Kühlschrank. Handtücher und Bettwäsche gab’s auch gegen Aufpreis nicht. Ebenso wenig die Möglichkeit, die Endreinigung zu buchen. Also Geiz gepaart mit wenig Service.
Was das mit dem Übersetzungsbusiness zu tun hat?
Auch unter Übersetzer*innen gibt’s Geizhälse – zum Beispiel die, die jedes Wort berechnen. Und zwar auch dann, wenn gerade erst ein großes Projekt abgeschlossen wurde und der Kunde einen Satz vergessen hat. Oder die, die bei regelmäßigen Direktkunden stets mit dem Mindestbestellwert wedeln. Die Übersetzer*innen, bei denen es für die gut zahlende Kundschaft nie irgendwelche Goodies gibt und auch keine Servicementalität. Service heißt zum Beispiel, dass ich einem Kunden kurz vor der Abfahrt in den Urlaub noch ein kurzes Eilprojekt übersetze. Und dass ich nicht darauf verweise, dass ich erst in drei Wochen wieder übersetzend am Schreibtisch sitze. Oder dass ich den Kunden dabei berate, wie sein Leichte-Sprache-Text am besten auf seiner Website gefunden wird.
Schade eigentlich. Die Wohnung war schön, insgesamt aber auch überteuert.