In dieser nicht ganz ernst zu nehmenden Anleitung zeige ich dir, wie dein Ortsverband aus einem barrierearmen Wahlprogramm im Handumdrehen ein schwer verständliches machen kann.
Damit das Ganze möglichst anschaulich wird, nehmen wir uns dazu folgenden Abschnitt in stark vereinfachter Einfacher Sprache vor, den ich für einen Ortsverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geschrieben habe:
Viele Kinder unter 15 Jahren sind in Dortmund arm. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas machen. Alle Kinder und Jugendlichen sollen die gleichen Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern reich sind oder arm.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen viel lernen. Wir müssen vor allem den Kitas und Schulen Geld geben, die es am dringendsten brauchen.
Es muss an Kitas und Grund-Schulen mehr Betreuungs-Angebote geben. Das heißt: Es muss zum Beispiel Erzieher und Erzieherinnen geben, die mit den Kindern Hausaufgaben machen. Nur so können alle Kinder gut lernen.
So machst du aus einem barrierearmen Wahlprogramm ein schwer verständliches
#1 Blocksatz oder Zentrierung
Auf dem Weg vom barrierearmen zum schwer verständlichen Wahlprogramm beginnst du am besten damit, dein komplettes Programm in den Blocksatz zu setzen oder zu zentrieren. Selbst bei recht langen Wahlprogrammen ist das schnell gemacht:
Viele Kinder unter 15 Jahren sind in Dortmund arm. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas machen. Alle Kinder und Jugendlichen sollen die gleichen Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern reich sind oder arm.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen viel lernen. Wir müssen vor allem den Kitas und Schulen Geld geben, die es am dringendsten brauchen.
Es muss an Kitas und Grund-Schulen mehr Betreuungs-Angebote geben. Das heißt: Es muss zum Beispiel Erzieher und Erzieherinnen geben, die mit den Kindern Hausaufgaben machen. Nur so können alle Kinder gut lernen.
#2 Durchgehende Großschreibung
Um die Wichtigkeit bestimmter Begriffe zu betonen, wendest du bei ausgewählten Termini durchgehende Großschreibung an. So können bestimmte Menschen sie zwar nicht mehr lesen, aber sie erhalten das Signal, dass da etwas besonders Wichtiges steht:
Viele Kinder unter 15 Jahren sind in Dortmund arm. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas unternehmen. ALLE Kinder und Jugendlichen sollen die GLEICHEN Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern reich sind oder arm.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen VIEL lernen. Wir müssen vor allem den Kitas und Schulen Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kitas und Grund-Schulen mehr BETREUUNGS-ANGEBOTE geben. Das heißt: Es muss zum Beispiel Erzieher und Erzieherinnen geben, die mit den Kindern Hausaufgaben machen. Nur so können ALLE Kinder gut lernen.
#3 Gendersternchen für dein barrierearmes Wahlprogramm
Als nächstes ersetzt du bei Berufsbezeichnungen und anderen Gruppen mit Frauen und Männern die maskulinen und femininen Formen durch eine Form mit Gendersternchen. Die Bedeutung des Sternchens erklärst du nicht:
Viele Kinder unter 15 Jahren sind in Dortmund arm. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas unternehmen. ALLE Kinder und Jugendlichen sollen die GLEICHEN Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern reich sind oder arm.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen VIEL lernen. Wir müssen vor allem den Kitas und Schulen Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kitas und Grund-Schulen mehr BETREUUNGS-ANGEBOTE geben. Das heißt: Es muss zum Beispiel Erzieher*innen geben, die mit den Kindern Hausaufgaben machen. Nur so können ALLE Kinder gut lernen.
#4 Bindestriche in deinem barrierearmen Wahlprogramm weglassen
Bindestriche streichst du grundsätzlich aus deinem barrierearmen Wahlprogramm, da du der Meinung bist, leicht erklärte Inhalte sind auch ohne Bindestrich noch verständlich:
Viele Kinder unter 15 Jahren sind in Dortmund arm. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas unternehmen. ALLE Kinder und Jugendlichen sollen die GLEICHEN Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern reich sind oder arm.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen VIEL lernen. Wir müssen vor allem den Kitas und Schulen Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kitas und Grundschulen mehr BETREUUNGSANGEBOTE geben. Das heißt: Es muss zum Beispiel Erzieher*innen geben, die mit den Kindern Hausaufgaben machen. Nur so können ALLE Kinder gut lernen.
#5 Zahlen ausschreiben
Sämtliche Zahlen in deinem ehemals barrierearmen bzw. barrierefreien Wahlprogramm schreibst du nun aus:
Viele Kinder unter fünfzehn Jahren sind in Dortmund arm. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas unternehmen. ALLE Kinder und Jugendlichen sollen die GLEICHEN Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern reich sind oder arm.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen VIEL lernen. Wir müssen vor allem den Kitas und Schulen Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kitas und Grundschulen mehr BETREUUNGSANGEBOTE geben. Das heißt: Es muss zum Beispiel Erzieher*innen geben, die mit den Kindern Hausaufgaben machen. Nur so können ALLE Kinder gut lernen.
#6 Auf Fettdruck und Farben verzichten
Als nächstes verzichtest du in deinem barrierearmen Wahlprogramm auf Fettdruck und Farben:
Viele Kinder unter fünfzehn Jahren sind in Dortmund arm. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas unternehmen. ALLE Kinder und Jugendlichen sollen die GLEICHEN Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern reich sind oder arm.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen VIEL lernen. Wir müssen vor allem den Kitas und Schulen Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kitas und Grundschulen mehr BETREUUNGSANGEBOTE geben. Das heißt: Es muss zum Beispiel Erzieher*innen geben, die mit den Kindern Hausaufgaben machen. Nur so können ALLE Kinder gut lernen.
#7 Im Wortschatz abwechseln
Nun ist es an der Zeit, etwas Abwechslung in den Wortschatz zu bringen. Ist ja schließlich langweilig, wenn in deinem Wahlprogramm bestimmte Wörter regelmäßig vorkommen. Stattdessen suchen wir jetzt mal nach Synonymen oder verwandten Begriffen und setzen diese ein. Auch Fremdwörter dürfen dabei sein! Ob der Leser oder die Leserin dadurch verwirrt wird, ist uns egal:
Viele Mädchen und Jungs unter fünfzehn Jahren leben in Dortmund in prekären Verhältnissen. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas unternehmen. ALLE Kids und Jugendlichen sollen die GLEICHEN Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern arm sind oder vermögend.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen VIEL lernen. Wir müssen vor allem den Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kindergärten, Krippen und Grundschulen mehr BETREUUNGSANGEBOTE geben. Das heißt: Es muss zum Beispiel Erzieher*innen geben, die mit den Schüler*innen Hausaufgaben machen. Nur so können ALLE Mädchen und Jungen gut lernen.
#8 Abkürzungen in dein barrierearmes Wahlprogramm einbauen
Unsere nächste Tat: Wir bauen Abkürzungen in dein ehemals barrierearmes Wahlprogramm ein:
Viele Mädchen und Jungs u. fünfzehn Jahren leben in Dortmund in prekären Verhältnissen. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas unternehmen. ALLE Kids und Jugendlichen sollen die GLEICHEN Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern arm sind oder vermögend.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen VIEL lernen. Wir müssen v. a. den Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kindergärten, Krippen und Grundschulen mehr BETREUUNGSANGEBOTE geben. D. h.: Es muss z. B. Erzieher*innen geben, die mit den Schüler*innen Hausaufgaben machen. Nur so können ALLE Mädchen und Jungen gut lernen.
#9 Sätze in das Passiv setzen
Einige Sätze deines Wahlprogramms klingen von ihrer Struktur her noch viel zu einfach. Daher setzen wir auf Passivkonstruktionen:
Viele Mädchen und Jungs u. fünfzehn Jahren leben in Dortmund in prekären Verhältnissen. Das muss als sehr schlimm angesehen werden. Dagegen muss unbedingt etwas unternommen werden. ALLEN Kids und Jugendlichen müssen die GLEICHEN Chancen ermöglicht werden. Egal, ob ihre Eltern arm sind oder vermögend.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen VIEL lernen. Wir müssen v. a. den Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kindergärten, Krippen und Grundschulen mehr BETREUUNGSANGEBOTE geben. D. h.: Es müssen z. B. Erzieher*innen angestellt werden, die mit den Schüler*innen Hausaufgaben machen. Nur so kann sichergestellt werden, dass ALLE Mädchen und Jungen gut lernen.
#10 Mehr Nebensätze einbauen
Obwohl dein ehemals barrierearmes Wahlprogramm jetzt schon ganz schön schwer verständlich geworden ist, machen wir uns jetzt daran, mehr Nebensätze einzubauen:
Viele Mädchen und Jungs u. fünfzehn Jahren leben in Dortmund in prekären Verhältnissen, was als als sehr schlimm angesehen werden muss. Dagegen muss unbedingt etwas unternommen werden, sodass ALLEN Kids und Jugendlichen die GLEICHEN Chancen ermöglicht werden, egal, ob ihre Eltern arm sind oder vermögend.
Weil alle Kinder VIEL lernen sollen, sind Kitas und Schulen wichtig. Wir müssen v. a. den Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kindergärten, Krippen und Grundschulen mehr BETREUUNGSANGEBOTE geben, d. h., es müssen z. B. Erzieher*innen angestellt werden, die mit den Schüler*innen Hausaufgaben machen. Nur so kann sichergestellt werden, dass ALLE Mädchen und Jungen gut lernen.
#11 Auf Genitivkonstruktionen zurückgreifen
Du findest, dass unser ehemals leicht erklärtes Wahlprogramm noch nicht schwer verständlich genug ist? Dann bau doch noch ein paar Genitivkonstruktionen ein:
Viele Mädchen und Jungs u. fünfzehn Jahren leben in Dortmund in prekären Verhältnissen, was als als sehr schlimm angesehen werden muss. Dagegen muss unbedingt etwas unternommen werden, sodass ALLEN Kids und Jugendlichen die GLEICHEN Chancen ermöglicht werden, egal, ob die Eltern dieser Kinder und Heranwachsenden arm sind oder vermögend.
Weil alle Kinder VIEL lernen sollen, sind Kitas und Schulen wichtig. Wir müssen v. a. den Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen der Quartiere Geld geben, die es AM DRINGENDSTEN brauchen.
Es muss an Kindergärten, Krippen und Grundschulen mehr BETREUUNGSANGEBOTE geben, d. h., es müssen z. B. Erzieher*innen angestellt werden, die mit den Schüler*innen Hausaufgaben machen. Nur so kann sichergestellt werden, dass ALLE Mädchen und Jungen gut lernen.
#12 Abstände innerhalb von Wörtern einbauen
Wenn du ein noch schwerer lesbares Programm haben willst, planst du jetzt zwischen den Buchstaben einzelner Wörter Leerzeichen ein. Am meisten “Spaß” macht das in Kombination mit durchgehender Großschreibung:
Viele Mädchen und Jungs u. fünfzehn Jahren leben in Dortmund in prekären Verhältnissen, was als sehr schlimm angesehen werden muss. Dagegen muss unbedingt etwas unternommen werden, sodass A L L E N Kids und Jugendlichen die G L E I C H E N Chancen ermöglicht werden, egal, ob die Eltern dieser Kinder und Heranwachsenden arm sind oder vermögend.
Weil alle Kinder VIEL lernen sollen, sind Kitas und Schulen wichtig. Wir müssen v. a. den Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen der Quartiere Geld geben, die es A M D R I N G E N D S T E N brauchen.
Es muss an Kindergärten, Krippen und Grundschulen mehr B E T R E U U N G S A N G E B O T E geben, d. h., es müssen z. B. Erzieher*innen angestellt werden, die mit den Schüler*innen Hausaufgaben machen. Nur so kann sichergestellt werden, dass A L L E Mädchen und Jungen gut lernen.
Zur Gegenüberstellung noch einmal unser barrierearmer Ausgangstext in stark vereinfachter Einfacher Sprache:
Viele Kinder unter 15 Jahren sind in Dortmund arm. Das finden wir schlimm. Wir wollen dagegen etwas machen. Alle Kinder und Jugendlichen sollen die gleichen Chancen haben. Egal, ob ihre Eltern reich sind oder arm.
Kitas und Schulen sind wichtig. Alle Kinder sollen viel lernen. Wir müssen vor allem den Kitas und Schulen Geld geben, die es am dringendsten brauchen.
Es muss an Kitas und Grund-Schulen mehr Betreuungs-Angebote geben. Das heißt: Es muss zum Beispiel Erzieher und Erzieherinnen geben, die mit den Kindern Hausaufgaben machen. Nur so können alle Kinder gut lernen.
#13 Noch ein paar Ideen
Zum Abschluss präsentiere ich dir noch ein paar Ideen, die dafür sorgen, dass dein Wahlprogramm ziemlich schnell seine Barrierefreiheit verliert:
- Du verringerst die von deinem Übersetzer in Leichte Sprache oder in Einfache Sprache gewählte Schriftgröße.
- Du veränderst den von deinem Spezialisten für barrierearme Kommunikation gewählte Schriftart und setzt auf besonders enge oder besonders weite Schriftarten. Ganz gut kannst du die Lesbarkeit deines Wahlprogramms auch durch Serifen erschweren. Eine bekannte Serifenschrift ist z. B. Times.
- Du verringerst den von deinem Experten für Leichte oder Einfache Sprache gewählten Zeilenabstand, sodass dieser weniger als 1,5 beträgt.
- Du erlaubst es Word, Wörter am Zeilenende zu trennen, also Zäsuren einzubauen.
Du möchtest, dass dein barrierearmes Wahlprogramm leicht verständlich bleibt und die Ziele deiner Partei leicht erklärt? Dann bleibt nur eines: Am Wahlprogramm deines Büros für Einfache oder Leichte Sprache solltest du rein gar nichts verändern.
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