Bilder in der Leichten Sprache (LS)
Eine Übersetzung in Leichte Sprache besteht nicht nur aus der Übertragung eines Textes vom Standarddeutschen in eine leicht verständliche Sprache. Sie beinhaltet auch die Visualisierung der Inhalte, d. h. die Unterstützung durch geeignete Bilder.
Leichte Sprache: Funktion von Bildern
In der Leichten Sprache haben Bilder die Aufgabe, die Bedeutung des Texts zu verstärken und dadurch das Textverständnis zu erhöhen.
Bilder werden textergänzend verwendet und bieten dem Leser außerdem visuelle Orientierung. Sie sind nie Selbstzweck, sondern zeigen, worum es im Text geht.
Kriterien für die Auswahl von Bildern
Bilder in Texten in Leichter Sprache müssen folgende Anforderungen erfüllen:
- Sie müssen scharf und klar und dürfen nicht verschwommen sein.
- Sie müssen so groß sein, dass man gut erkennen kann, was auf ihnen abgebildet ist.
- Ist von einer bestimmten Person die Rede, sollte nur diese Person auf dem Bild zu sehen sein.
- Das Bild zeigt lediglich, wovon im Text die Rede ist.
- Bilder müssen also eindeutig sein.
- Manchmal können Bilder auch Symbol-Charakter besitzen.
- Bilder können Zeichnungen oder Illustrationen sein.
Bei der Auswahl von Bildern ist selbstverständlich auf die Wahrung von Urheber- und Persönlichkeitsrechten zu achten.
Bilder in der Leichten Sprache: Positiv- und Negativbeispiele
Bild 1: Negativbeispiel
Für die Illustration des folgenden Abschnitts ist das Bild oben denkbar ungeeignet:
“Mein Name ist Andrea Halbritter.
Ich übersetze Texte in Leichte Sprache.
Ich schreibe auch Texte in Leichter Sprache.”
Zum einen sind auf dem Bild zwei Frauen zu sehen, zum anderen lenkt der Hintergrund (Stechpalme + Gebäude ab).
Bild 2: Positivbeispiel
Dieses Bild wurde ausgewählt, um folgenden Satz zu illustrieren:
“In Nantes gibt es viel Graffiti.”
Das Foto eignet sich hierfür gut. Es ist scharf und zeigt nur Graffiti.
Nichts lenkt ab. Zu Nantes müsste selbstverständlich in einem weiteren Satz eine Erklärung erfolgen.
Bild 3: Negativbeispiel
Zum besseren Verständnis desselben Satzes würde sich dieses Bild dagegen nicht eignen, da es nicht nur Graffiti zeigt, sondern auch zwei Betonblöcke, Bäume, ein Wohnhaus …
Bild 4: Positivbeispiel
Auch Speisepläne, Menüs usw. können in Leichte Sprache übersetzt werden.
Als Illustration zu “Gebäck-Teil mit Himbeeren” würde sich dieses Foto hervorragend eignen. Das Gebäckteilchen ist sehr gut zu sehen, das Bild ist scharf, wurde von oben aufgenommen, der Hintergrund neutral, nichts lenkt ab.
Bild 5: Negativbeispiel
Auf diesem Foto hingegen sind zu viele Elemente vorhanden: Zeitschriften, eine Schale mit Tee, ein bunter Teller, eine Rosinenschnecke …
Für die Illustration von “Rosinen-Schnecke” könnte man dieses Bild daher nicht nehmen.
Bild 6: Negativbeispiel
Unscharfes Bild und damit ungeeignet.
Texte in Leichter Sprache: Wo platziert man Bilder?
Bilder werden meist rechts neben dem Text platziert. Manchmal ist dort jedoch nicht genügend Platz, so dass man sie in diesem Fall auch unterhalb des jeweiligen Abschnitts einfügen kann. Meiner Meinung nach ist aber auch eine Platzierung links vom Text möglich.
Da Bilder zeigen, was der Text daneben bzw. darüber beschreibt, wird in Leichter Sprache auf Bildunterschriften verzichtet.
Leichte Sprache: Auch Bilder werden geprüft
Um sicherzustellen, dass die ausgewählten Bilder das Textverständnis unterstützen, werden auch sie von Prüfern mit Lernschwierigkeiten geprüft. Unter Anleitung einer qualifizierten Prüfassistenz prüfen mindestens zwei Prüfer bzw. Prüferinnen, ob die verwendeten Bilder gut zu erkennen sind oder ob sie durch andere ersetzt werden müssen. Prüfer mit einer Lernschwierigkeit beurteilen, ob ein Bild wirklich gut zum Text passt oder nicht. Manchmal zögert der Übersetzer für Leichte Sprache vielleicht auch zwischen zwei Bildern und möchte vom Prüfer wissen, welches Bild für ihn besser passt.
Bilder in der Leichten Sprache: Kasten oder Kasten?
So auch während meiner Ausbildung zur Übersetzerin in Leichte Sprache:
Unter mehreren Übersetzern diskutieren wir, wie ein Abschnitt in Leichter Sprache am besten zu illustrieren ist. Im Text geht es um Bier, genauer um Weizen.
Zur Illustration schlägt eine Kollegin ein mit Bier gefülltes Weizenglas vor. Es handelt sich dabei um ein Foto mit hellem Hintergrund, was wiederum andere für die Illustration des Texts in Leichter Sprache nicht ideal finden.
Eine der angehenden Übersetzerinnen in Leichte Sprache schlägt vor: “Wie wäre es, wenn wir um das Bier einen Kasten machen? Dann hebt sich das besser ab!”
Während der Diskussion ist auch eine Prüferin mit Lernschwierigkeiten anwesend.
Sie schaltet sich ein: “Einen Kasten finde ich nicht gut. Wenn einer einen ganzen Kasten trinkt, hat er ein Alkoholproblem. Macht lieber nur das Weizenglas hin.”
Was können wir daraus für die Kommunikation in Leichter Sprache lernen?
Menschen mit Lernschwierigkeiten kennen oft nur eine Bedeutung eines Wortes. Ist von einem Kasten die Rede, wird davon ausgegangen, dass damit ein Gegenstand gemeint ist. Daher denkt die Prüferin in obigem Kontext an einen Bierkasten, nicht aber an einen Rahmen, welcher das Vorhaben ferner exakter beschrieben hätte.
Wenn wir unsere Texte in Leichter Sprache unseren Prüfern vorlegen und ihnen Fragen zu Textverständnis, Inhalten und Bildern stellen, ist es daher sehr wichtig, dass wir uns eindeutig ausdrücken. Eventuell kann hier auch die mündliche Kommunikation von Bildern unterstützt werden. Im obigen Fall hätte man der Prüferin zum Vergleich ein Bild mit Rahmen vorlegen oder zum besseren Verständnis schnell eine Zeichnung anfertigen können.
Ich habe mich für eine Erklärung mit Zeichnung und einen Vergleich mit einem Bilderrahmen entschieden. Unsere Prüferin hat’s verstanden. Den Rahmen fand sie allerdings nicht nötig.
Bleibt mir nur noch ein Prost … Vielleicht denkt ihr ja beim nächsten Bier an uns und an die Leichte Sprache!
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Fotos: © Andrea Halbritter