Leichte-Sprache-Texte sollten immer von einer Prüfgruppe auf ihre Verständlichkeit überprüft werden. Das heißt: Ein oder mehrere Prüfer*innen mit einer geistigen Behinderung lesen sich den Leichte-Sprache-Text durch und werden dann von einer Prüfassistenz ohne Behinderung zu den Inhalten, dem Layout, der Bebilderung usw. befragt.
Regeln, wie dabei vorgegangen werden soll, gibt es bisher kaum. Das Netzwerk Leichte Sprache e. V. schreibt lediglich vor, dass es sich um mindestens zwei Prüfer*innen handeln muss. Zur Verwendung des Easy-to-Read-Logos reicht aber zum Beispiel nur ein Prüfer.
Wer übernimmt die Prüfassistenz? Der Übersetzer oder Texter, der den Text erstellt hat, oder jemand anderer?
Ich handhabe das je nach Zeit unterschiedlich. So prüfe ich zum einen mit je einem Prüfer selbst online, arbeite aber auch mit Prüfgruppen zusammen, outsource also quasi diesen Teil meiner Arbeit als Leichte-Sprache-Übersetzerin.
In diesem Artikel möchte ich dir zeigen, was ich die letzten Monate als Leichte-Sprache-Texterin von meinen Prüfer*innen gelernt habe.
9 Dinge, die ich als Leichte-Sprache-Texterin von meiner Prüfgruppe gelernt habe
#1 Ähnliche Wörter werden miteinander verwechselt
Die Arbeit mit meine Leichte-Sprache-Prüfgruppe hat mir gezeigt: Wörter, die sich nur durch eine Vorsilbe voneinander unterscheiden, werden verwechselt. So hatte ich vor ein paar Monaten einen Text in Leichte Sprache zu übertragen, bei dem es um Haussanierungen ging. Dass meine Prüfer*innen das Wort sanieren nicht kennen, war mir klar. Ich ersetzte es im Text daher durch herrichten.
Als ich mir von einem der Prüfer*innen die Bedeutung des betreffenden Abschnitts erklären ließ, bekam ich die Antwort: “Die Bewohner von den Wohnungen bekommen neue Möbel, also eine neue Einrichtung.” Der Prüfer hatte herrichten entweder als einrichten missverstanden oder aber sich verlesen.
Was ich daraus als Leichte-Sprache-Texterin gelernt habe: immer Wörter verwenden, bei denen keine Verwechslungsgefahr besteht (hier zum Beispiel neu machen) oder aber Beispiele hinzufügen (hier zum Beispiel die Wohnungen bekommen eine neue Heizung, neue Fenster und Bäder).
#2 Wörter müssen immer möglichst kurz sein
Selbst wenn manche lange Wörter auch geläufig sind, sollten in Leichter Sprache immer möglichst kurze Wörter verwendet werden, also zum Beispiel Infos statt Informationen oder Uni statt Universität. Die längeren Varianten sind mündlich zwar teils bekannt, aber wesentlich schwerer zu lesen. Einer meiner Prüfer kannte das Wort Universität auch nicht, sicher weil wir in der Umgangssprache viel häufiger das Wort Uni benutzen. Mehr zu kurzen Wörtern erfährst du auch in meinem Artikel: 5 Wörter, die du ganz schnell durch leichtere ersetzen kannst
#3 Wichtige Wörter sollten farbig sein
Wörter, die für den ganzen Abschnitt wichtig sind, sollten farbig gekennzeichnet und gleichzeitig fett gedruckt sein. Prüfer*innen ist beim Lesen des Leichte-Sprache-Textes so gleich klar: Das Wort ist wichtig. Jetzt muss ich besonders aufpassen und den Satz ganz genau lesen.
Übertreiben sollte man es mit der Sprache als Leichte-Sprache-Texter*in jedoch nicht. Wird zu viel Farbe verwendet, wird Farbe inflationär, sticht sie nicht mehr heraus. Kunterbunt ist auch keine gute Idee. Wichtiges sollte innerhalb eines Textes immer mit derselben Farbe gekennzeichnet sein. Ansonsten sucht die Prüfgruppe nach einem Grund für die unterschiedlichen Farben.
#4 Die Aussprache häufiger Fremdwörter anzugeben ist nicht immer nötig
Wenn ein Leichte-Sprache-Übersetzer Fremdwörter benutzt, muss er deren Aussprache angeben, zum Beispiel:
Ich bin Coach.
Das spricht man so:
Kootsch.
Manche Fremdwörter werden aber derart häufig verwendet, dass auch deren Schreibung meist bekannt ist. Dies ist zum Beispiel der Fall von E-Mail oder Computer. Es ist also in der Regel nicht mehr nötig, die Aussprache dieser Wörter anzugeben.
#5 Wörter mit mehreren Bedeutungen vermeiden
Kürzlich habe ich für die Website einer Tanz- und Bewegungspädagogin einen Text in Leichter Sprache geschrieben. In der Erstfassung hieß es zum Thema Tarife:
Vielleicht hast du auch Fragen:
Zum Beispiel zu meinen Preisen.
Trotz eines sich daneben befindenden Bilds mit Geldscheinen war sich die Prüfgruppe ob der Bedeutung von Preisen in meinem Leichte-Sprache-Text nicht sicher: Ging es um Preise im Sinne von Auszeichnungen, also Prämierungen oder ging es um Preise im Sinne von Tarifen?
Ich formulierte diesen Teil daher um und schrieb:
Vielleicht hast du auch Fragen.
Vielleicht fragst du dich zum Beispiel:
Was kostet das?
Wörter, die verschiedene Bedeutungen haben können, werde ich als Leichte-Sprache-Texterin also künftig vermeiden.
#6 Prüfer*innen haben unterschiedliche Wortschatzkenntnisse
Selbstverständlich können die Wortschatzkenntnisse auch innerhalb einer Prüfgruppe ganz unterschiedlich ausgeprägt sein. Diesen Winter zum Beispiel habe ich einen Leichte-Sprache-Text zu Elektro-Rädern geschrieben. Während manche Prüfer*innen E-Bike kannten, bevorzugten andere in der Prüfgruppe Elektro-Rad. Synonyme sollten in einem Leichte-Sprache-Text aber nicht verwendet werden. Es galt also, sich für ein Wort zu entscheiden und es zusätzlich gut zu erklären.
#7 Pronomen können teils verwirren
Pronomen können auch in Leichter Sprache Eingang finden. Voraussetzung ist aber, dass die Bezüge wirklich ganz klar sind. Schwierig wird es, wenn ein Satz mehrere Pronomen enthält, also zum Beispiel:
Bettina hat ihre Freundin zuletzt im Sommer gesehen.
Sie ruft sie aber oft an.
Insbesondere bei zwei identischen Pronomen stutzen meine Prüfer*innen: Wer ist mit sie gemeint? Mein Tipp ist, in solchen Sätzen ein Pronomen durch ein Nomen zu ersetzen:
Sie ruft ihre Freundin aber oft an.
#8 Kausale Bezüge müssen verdeutlicht werden
Kausale Bezüge müssen durch Wörter wie deshalb oder deswegen verdeutlicht werden. Wird der Zusammenhang von Ursache und Wirkung nicht explizit erwähnt, wird dieser von Menschen mit einer mittelgradigen geistigen Behinderung nicht erfasst.
Also zum Beispiel nicht:
Es hat geregnet.
Sie ist zuhause geblieben.
Sondern:
Es hat geregnet.
Deswegen ist sie zuhause geblieben.
Mehr über die Darstellung kausaler Zusammenhänge kannst du auch in diesem Artikel lesen: Wie du in Leichter Sprache kausale Zusammenhänge verdeutlichen kannst
#9 Bei Vokalwechsel im Plural Singular wählen
Vorsicht geboten ist bei Substantiven, die im Plural den Vokal wechseln. Prüfer*innen erkennen Firmen nicht unbedingt als den Plural von Firma.
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