7 Tipps für die Übersetzung von Speisekarten

Tafel mit der Aufschrift "Teamwork" und in verschiedenen Farben aufgemalten Personen

Am Freitag bekam ich von einer Übersetzungsagentur eine Anfrage zwecks Übersetzung von Speisekarten. Ob ich diesen Auftrag übernehmen könne? Ich schrieb umgehend zurück, dass ich in der Sprachrichtung Französisch-Deutsch regelmäßig Speisekartenübersetzungen anfertige und die Übersetzung prinzipiell bis Montagmittag liefern könne. Einig werden müsse man sich nur noch über den Preis für die Übersetzung der Speisekarten.

Für ein konkretes Angebot bat ich das Übersetzungsbüro, mir die Menükarten zuzuschicken. Ein paar Minuten später gingen vier Getränke- und Speisekarten bei mir ein. Außerdem nannte mir das Übersetzungsbüro in dieser E-Mail sein Budget: 0,08 € pro Ausgangswort. Natürlich schien mir der Preis für die Übersetzung von Speisekarten sofort sehr niedrig, dennoch warf ich einen Blick auf die Dateien. Vielleicht handelte es sich ja um eine Übersetzung des Typs Vegetarische Pizza (Tomaten, Auberginen, Zucchini, Champignons, Käse, Gemüse der Saison) und die 0,08 € pro Wort reichten locker aus. Reichten sie natürlich nicht. Die Karten waren für ein Gourmetrestaurant. Wenn für mich eine annähernd annehmbare Summe herauskommen sollte, musste ich als Gastronomieübersetzerin weit mehr berechnen – Wochenendzuschlag nicht eingerechnet.

20 Minuten später übermittelte ich der Agentur meinen Preis für die Speisekartenübersetzung. Nicht sehr überraschend meldete sich das Übersetzungsbüro nicht mehr bei mir. Mein Tarif für die Übersetzung der Menükarten lag weit über dem veranschlagten Budget. Wahrscheinlich hatte man Übersetzer*innen gefunden, die bereit waren, die Übersetzung zum vorgegebenen Preis anzufertigen.

Nun ist Sonntagabend. Vermutlich ist der Dienstleister gerade mit der Speisekartenübersetzung fertig geworden (oder immer noch am Übersetzen) und rauft sich die Haare: Wochenendarbeit, schönes Wetter nicht genossen, keine Zeit mit der Familie verbracht und dafür maximal 30 € in der Stunde verdient – vor Steuer und Krankenversicherung. Tja, nun …

Tipps für die Übersetzung von Speisekarten und zur Preisberechnung

#1 Nimm bei Speisekartenübersetzungen Abstand von Wortpreisen

Ganz generell bin ich als Übersetzerin kein Fan von Wortpreisen. Wer Kunden Wortpreise nennt, wird unflexibel und kann seine Tarife nur schwer erhöhen. Übersetzer*innen mit Wortpreisen laufen Gefahr immer dieselben Preise pro Ausgangswort verlangen zu müssen – auch für erheblich schwierigere Texte. Für die Übersetzung der meisten Speisekarten eignen sich Wortpreise jedoch gar nicht – außer es handelt sich um Schnellrestaurants oder Pizzerien. Die können dann aber ihre Speisekartenübersetzungen auch mit KI anfertigen lassen, denn bei „tomate“ spuckt die Maschine dann auch „Tomate“ aus.

#2 Lass dir Fotos von den Gerichten schicken

Gastronomieübersetzungen für gehobenere Restaurants sind dagegen weit schwieriger. Hier schadet die KI dem Image des Restaurants. Bei der Übersetzung der Menükarten sind Einfallsreichtum und Wissen von Fachübersetzer*innen gefragt. War der Gastronomiebetrieb bei der Erstellung der Speisekarte besonders kreativ, ist auch die Übersetzung schwierig. Manchmal benötigen Übersetzer*innen für eine Gastronomieübersetzung vielleicht sogar Fotos der Speisen – oder nähere Erklärungen.

#3 Die Übersetzung von Speisekarten kann viel Zeit verschlingen

Das Übersetzen von Speisekarten erfordert häufig viel Zeit. Warum erfährst du mit diesem Dessert: Crème brûlée à l’ananas Victoria. Wenn ich diese Nachspeise vom Französischen ins Deutsche übersetzen will, muss ich zuerst abklären, ob „Victoria“ für eine bestimmte Ananassorte oder für eine spezielle Art der Zubereitung steht. Nach etwas Googlen stelle ich fest, dass es sich um eine Ananassorte handelt, die auf Mauritius und der Insel Réunion wächst. Dies wissen sicher auch die meisten deutschen Gäste nicht. „Victoria-Ananas“ bringt uns daher nicht weiter. Ich muss mir eine Übersetzung überlegen, die die Herkunft nennt, stimmt und gut klingt. Eventuell muss ich abklären, woher das Restaurant seine Früchte bezieht.

Oft sind bei Menüübersetzungen Recherchen nötig

Gleichzeitig muss ich für meine Speisekartenübersetzung aber auch wissen, ob sich die Ananas in kleinen Stücken auf der Crème brûlée befindet oder ob sie vielleicht Eingang in die Crème gefunden hat. Auch Recherchen im Netz bringen mich als Übersetzerin nicht weiter. Es gibt alle möglichen Rezeptvarianten:
Zitronengras-Crème-brûlée mit gebratener Ananas
Crème brûlée mit flambierter Ananas
Crème brûlée mit Ananas-Ragout
Ananas-Crème-brûlée

Die Ananas befindet sich entweder in Form von Stücken auf oder an der Crème brûlée (Rezepte 1 bis 3), teils gebraten oder flambiert, oder sie wird als Saft unter die Crème gerührt (Rezept 4).

Gastronomieübersetzer*innen müssen kreativ sein

Um eine adäquate Übersetzung des Desserts zu finden, muss ich als Übersetzerin für das Hotel- und Gaststättengewerbe beim Kunden nachfragen. Im Idealfall schickt er mir für die Dessert-Übersetzung sogar ein Foto mit. Wenn klar ist, worum es sich handelt, muss ich eine Übersetzung finden. Und zwar eine, die Lust macht, das Gericht zu bestellen und die zum Stil der Karte passt. Dabei gilt es auch die unschönen Bindestriche zu vermeiden, die das Deutsche bei vielen Wortzusammensetzungen fordert. Gar nicht einfach!

Nennen wir das Dessert auf der deutschen Speisekarte „Crème brûlée mit Ananas-Gruß aus Mauritius“, „Flambierte Ananas an Crème brûlée“, „Crème brûlée mit Gruß von der Ananas“, „Crème brûlée mit Gruß aus dem Indischen Ozean“, „Exotische Crème brûlée“, „Crème brûlée mit Victoria-Ananas aus Mauritius“ …? Wie viel Französisch können wir in der gehobenen Gastronomie auf der Speisekarte wagen? Ist vielleicht sogar „Crème brûlée à l’ananas“ möglich? Und verzichten wir wie der Duden auf den Circonflexe, also das Dach über dem u oder nicht? Entscheiden wir uns vielleicht für eine zusätzliche Zeile mit Erläuterungen? Wie lang darf der Titel sein? Wie viel soll er verraten? Gäste, die Französisch sprechen, können nachfragen. Andere nicht …

#4 Schau dir die Speisekarten an, bevor du ein Angebot abgibst

Du möchtest dein Wochenende nicht für Peanuts opfern? Dann schau dir die zu übersetzenden Speisekarten unbedingt an, bevor du ein Angebot abgibst.

#5 Fertige eine Probeübersetzung an und nenne einen Projektpreis

Du kannst nicht abschätzen, wie viel Zeit du für die Übersetzung der Menükarten brauchst? Dann übersetze die Namen von drei Gerichten. Such dir dazu Speisen aus, die für die Karte repräsentativ sind. Es bringt zum Beispiel nichts, drei sehr schnell zu übersetzende Gerichte auszuwählen, wenn der Rest der Karte eher schwierig ist. Schau, wie viel Zeit du für die Übersetzung der drei Gerichte brauchst. Rechne die Zeit dann hoch und nenne dem Kunden für deine Übersetzung ins Deutsche, Englische oder Französische einen Projektpreis. Bedenke: Dein Business muss rentabel sein. Du bist nicht Mutter Theresa! In den Preis solltest du auch die Zeit einrechnen, die du für Absprachen mit dem Kunden brauchst.

#6 Genaue Absprachen sind bei der Übersetzung von Menükarten wichtig

Es ist wichtig, dass du bestimmte Fragen mit dem Kunden klärst, bevor du mit der Übersetzung deiner Speisekarte beginnst, zum Beispiel: Darf die Übersetzung französische Begriffe enthalten? Kann dir das Restaurant Fotos liefern? Wer ist dein Ansprechpartner im Bistro, wenn bei der Übersetzung der Speisekarte Fragen auftauchen? Ist es möglich, in der übersetzten Speisekarte Zusatzzeilen einzubauen, in denen zum Beispiel regionale Spezialitäten erläutert werden? Wie soll bei der Übersetzung der Menükarte mit Fantasienamen verfahren werden? Hat dein Kunde an die Kennzeichnung von Allergenen gedacht?

Deine Übersetzung muss Stil, Ton und Botschaft des Küchenchefs treffen und die Besonderheit der Gerichte wiedergeben.

#7 Übersetze Speisekarten nur in deine Muttersprache

Für professionelle Übersetzungen für die Gastronomie gilt, was auch sonst in der Übersetzer-Community gang und gäbe ist: Übersetze Bistro- und Menükarten nur in deine Muttersprache. Biete deinem Kunden an, auch andere Inhalte zu übersetzen: Texte für Websites, Beiträge für seine Social-Media-Kanäle, Broschüren, Artikel für Gourmetzeitschriften, Werbevideos, Apps, Empfehlungen …

Frau mit schulterlangen blonden Haaren und grauen Strähnen, blauen Augen, Brille und grauem Mantel

Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen und vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert. Sie erstellt Texte in Leichter und Einfacher Sprache für NS-Gedenkstätten, Museen, politische Parteien und Gesundheitsbehörden. In den Sprachrichtungen Französisch-Deutsch und Englisch-Deutsch übersetzt Andrea vor allem im Bereich Wein.

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