Du musst als Vertreter einer Behörde oder Vorstand eines Vereins drei Angebote für Leichte-Sprache-Texte einholen, um davon das für dich “wirtschaftlichste” zu ermitteln?
Wie du ein Angebot über eine Übersetzung in Leichte Sprache einholst, ohne dabei Äpfel mit Birnen zu vergleichen, verrate ich dir in diesem Artikel.
Angebote Leichte Sprache: warum es zu Äpfel-Birnen-Vergleichen kommt
Wie komme ich eigentlich darauf zu behaupten, dass Behörden, Verwaltungen, Ministerien, Vereine …, die für Leiche Sprache mehrere Angebote einholen, in der Regel Äpfel mit Birnen vergleichen?
Ganz einfach: Zum einen ist Leichte Sprache kein geschützter Begriff. Es existieren zwar mehrere Regelwerke, doch wer Lust und Laune hat, kann seinen Text als Leichte Sprache bezeichnen, obwohl es sich zum Beispiel genau genommen um Einfache Sprache (eine schwierigere Variante, die sich nicht an Menschen mit einer geistigen Behinderung richtet) oder Standarddeutsch, handelt.
Genauso wenig unterliegt die Ausbildung für Leichte-Sprache-Übersetzer*innen bzw. Leichte-Sprache-Texter*innen irgendwelchen Regeln.
Manche Anbieter*innen belegen nur einen oder zwei Wochenendkurse und legen dann los. Andere besitzen einen Master in barrierefreier Kommunikation oder haben beim Netzwerk Leichte Sprache e. V. eine monatelange inklusive Ausbildung absolviert. Wieder andere liefern verständliche Sprache nach dem capito-System oder bieten Verso an.
Ganz Wagemutige beziehungsweise sehr Selbstbewusste besorgen sich nur ein paar Bücher oder lesen sich im Internet auf diversen Blogs zu Leichter und Einfacher Sprache ein und entschließen sich, ohne jegliche Ausbildung Texte zu erstellen, die sie als Leichte Sprache bezeichnen. Andere haben ihr Wissen in der Praxis erworben, indem sie zum Beispiel mit geistig Behinderten gearbeitet haben.
Das Spektrum an Dienstleister*innen, die von sich behaupten, Übersetzungen in Leichte Sprache anzubieten, ist sehr breit. Für den Laien eigentlich unüberschaubar.
Hinzu kommt, dass bei den einzelnen Angeboten, die du einholst, vermutlich ganz unterschiedliche Posten (druckreifes Layout, Illustrationen, Fotos, Korrekturschleife, Prüfgruppe, Prüfassistenz …) inkludiert sind oder nicht.
Wie du dafür sorgst, dass du die Angebote, die du anforderst, tatsächlich vergleichen kannst, erfährst du im nächsten Abschnitt. Ferner zeige ich dir, wie du sicherstellen kannst, dass du dich an Anbieter*innen wendest, die dir tatsächlich Texte liefern, die von Menschen mit einer geistigen Behinderung verstanden werden.
Angebote Leichte Sprache: wie du den Birnen-Äpfel-Vergleich vermeidest
Damit deine Behörde bzw. dein Verein nach dem Einholen von Leichte-Sprache-Angeboten keine Äpfel mit Birnen vergleicht, solltest du ein Lastenheft erstellen. Das heißt: Du schreibst den Leichte-Sprache-Anbieter*innen deiner Wahl nicht “Könnten Sie mir bitte einen Kostenvoranschlag für die Übersetzung unserer Website in Leichte Sprache erstellen?”, sondern machst genaue Vorgaben.
Dabei sollten folgende Infos sein:
#1 Ungefähre Länge der Leichte-Sprache-Texte
Wenn du Kostenvoranschläge für Leichte-Sprache-Texte einholst. solltest du dich unbedingt zum Volumen der Texte äußern.
Beispiel: “Wir hätten gerne ein Angebot über die Zusammenfassung unserer Broschüre in Leichte Sprache. Die Leichte-Sprache-Version sollte – inklusive Titelblatt und Impressum – etwa 15 Seiten umfassen.”
“Wir möchten auf unserer Website auch Infos in Leichter Sprache bieten. Diese sollten zu folgenden Themenbereichen erstellt werden: […] Pro Themenbereich hätten wir gern eine Zusammenfassung in Leichter Sprache, die 1 DinA4-Seite umfasst.”
#2 Wie sollen die Texte bebildert werden?
Zur Unterstützung des Textverständnisses werden Leichte-Sprache-Texte bebildert.
Sollen die Leichte-Sprache-Expert*innen dabei auf eine möglichst günstige Bilddatenbank zurückgreifen? Sollen dafür eigens für dich bzw. deine Behörde oder deinen Verein Zeichnungen angefertigt werden? Soll eine Bebilderung mit Fotos erfolgen? Kannst du als Kunde eine Auswahl an Fotos bzw. Illustrationen zur Verfügung stellen, aus denen dein Dienstleister sich geeignete aussuchen kann?
#3 Korrekturschleife
Bitte die Leichte-Sprache-Spezialist*innen, von denen du dir einen Kostenvoranschlag erstellen lässt, darum, auch Angaben zur Korrekturschleife zu machen. Wie viel Zeit umfasst die Korrekturschleife? Wann kommt diese Korrekturschleife zum Einsatz?
#4 Leichte-Sprache-Prüfer*innen
Arbeiten dein Leichte-Sprache-Übersetzer*innen mit Leichte-Sprache-Prüfer*innen zusammen, die den von ihm erstellten Text auf Verständlichkeit prüfen? Falls ja, wie viele Prüfer*innen mit einer geistigen Behinderung werden involviert? Wie geht das Prüfen vonstatten? Ist die Prüfgruppe vielleicht sogar vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert? Ist eine Prüfassistenz beteiligt, also gibt es eine Person, die keine geistige Behinderung hat, die mit den Prüfer*innen prüft?
#5 Welches Logo darfst du verwenden?
Zur Kennzeichnung von Leichte-Sprache-Texten gibt es verschiedene Logos. Welches davon darfst du verwenden, wenn du diesen oder jenen Übersetzer bzw. Texter mit der Erstellung deiner Leichte-Sprache-Texte beauftragst?
#6 Wünschst du dir ein Vier-Augen-Prinzip?
Möchtest du, dass an deinem Text zwei Expert*innen für Leichte Sprache arbeiten, also ein sogenanntes Vier-Augen-Prinzip in Auftrag geben?
#7 Lieferformat und Layout
Was für ein Lieferformat wünschst du dir? Soll deine Leichte-Sprache-Übersetzung als Worddatei geliefert werden? Oder aber hättest du gern ein barrierefreies PDF, das auch für Screenreader-Nutzer*innen geeignet ist? Sollen Illustrationen auch im png-Format verschickt werden? Arbeitest du mit einem Grafiker zusammen oder möchtest ein besonderes Layout/Titelblatt, für das deine Übersetzerin einen Grafiker engagieren soll?
#8 Lieferfrist
Bis wann benötigst du die Zusammenfassung deiner Informationen spätestens in Leichter Sprache? Was ist dein Wunschlieferdatum in Bezug auf die Endfassung?
#9 Korrektorat
Solltest du selbst mit einem Grafiker zusammenarbeiten, ist meist ein Korrektorat der Druckfahne nötig. Das heißt: Dein Leichte-Sprache-Experte sollte noch einmal schauen, ob die Druckvorlage nach dem Einsatz deines Grafikers immer noch barrierefrei ist. Ist dies im Preis deiner Anbieter*innen enthalten?
Gleiches gilt für deine Website: Wenn die Leichte-Sprache-Texte auf der Website deiner Behörde, deines Vereins usw. implementiert sind, sollte deine Leichte-Sprache-Texterin noch einmal einen Blick darauf werfen. Wie viel kostet das?
Wie du die Anbieter*innen für den Leichte-Sprache-Kostenvoranschlag auswählst
Wenn du dir zu obigen Punkten Gedanken gemacht hast, kannst du dich nach geeigneten Anbieter*innen umschauen, bei denen du ein Angebot für Leichte Sprache anfordern möchtest.
Hierzu findest du in meinem Artikel Wie wählt man als Partei seinen Übersetzer für Leichte Sprache aus? ein paar wichtige Anregungen. Der Artikel richtet sich zwar hauptsächlich an Politiker*innen, die meisten Punkte sind aber auch für Nicht-Politiker*innen interessant, die auf der Suche nach einem Leichte-Sprache-Anbieter sind.
Unbedingt anschauen solltest du dir, was die Leichte-Sprache-Übersetzer*innen deiner Vorauswahl bereits in Leichter Sprache veröffentlicht haben. Anhand meines Artikels Woran erkennt man einen guten Text in Leichter Sprache? kannst du beurteilen, ob es sich bei diesen Texten um qualitativ hochwertige Leichte Sprache handelt oder nicht.
Leichte-Sprache-Angebot einholen: alternative Vorgehensweise
Wenn dir dies möglich ist, kannst du auch anders vorgehen: Eine Vorauswahl an Leichte-Sprache-Texter*innen treffen, ein Budget vorgeben und dir genau aufschlüsseln lassen, was zu diesem Preis in Bezug auf Volumen, Illustrationen … möglich ist. Auch gute Leichte Sprache kann immer eine Basic- und eine Premium-Version bieten.
Ich wünsche dir, dass du für deine Leichte-Sprache-Texte den richtigen Anbieter findest!
Wichtige Hinweise zum Anfordern von Kostenvoranschlägen gibt auch die DIN SPEC Leichte Sprache.