Du würdest als Übersetzer*in gern in einem neuen, lukrativen Themenbereich arbeiten, aber weißt nicht wie? In deinen bisherigen Arbeitsgebieten werden die Übersetzungen immer weniger oder die maschinelle Übersetzung immer besser? Du hast eine Anfrage von einem Neukunden, der regelmäßig Übersetzungsleistungen in einem Bereich benötigt, in dem du bisher nicht gearbeitet hast? Es kann Hunderte Gründe geben, um sich als Übersetzer*in mit neuen Themenbereichen vertraut zu machen und der eigenen Spezialisierung eine weitere hinzuzufügen. Wie aber gehst du dabei als Sprachmittler*in genau vor?
So arbeiten sich Übersetzer*innen in neue Themenbereiche ein
#1 Mit Websites und Webinaren auf zu neuen Ufern
Zum Einarbeiten in ein neues Gebiet nach relevanten Websites suchen
Nehmen wir einmal an, ein Kunde beauftragt dich schon seit Jahren mit Übersetzungen. Nun hat dieses Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen in einem neuen Bereich entwickelt und möchte auch in diesem Gebiet mit dir als Übersetzer*in zusammenarbeiten. Die Firma kennt dich gut und weiß, dass du Qualität liefern wirst. Du aber siehst dich mit einem Themenbereich konfrontiert, in den du dich ganz neu einarbeiten musst. Wie gehst du nun als Übersetzer*in vor?
Wenn ich mich in einen neuen Bereich einarbeite, suche ich als erstes nach Webseiten, die für mein Thema relevant sind und die in meinen Arbeitssprachen geschrieben wurden. In meinem Fall sind dies Englisch, Deutsch und Französisch.
Bevorzugt suche ich nach Webseiten von öffentlichen Institutionen, Ministerien und anderen seriösen Gremien. Oft sind für mich zum Beispiel auch die Websites der EU oder der UNO interessant. Offizielle Websites enthalten immer grundsätzliche Erläuterungen und Glossare mit Begriffserklärungen. Für mich als Übersetzerin ist es wichtig, hierbei in mehreren Sprachen zu arbeiten.
In einem nächsten Schritt mache ich mich auf die Suche nach Websites von Privatunternehmen. In der Regel finde ich auf Webseiten von Firmen detaillierte technische Erklärungen, die es mir erlauben, in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Verfahren kennenzulernen. Verfügen die Websites nicht über mehrere Sprachen, suche ich nach Unternehmen, die in Frankreich, Deutschland oder Großbritannien ansässig sind oder dort Tochtergesellschaften haben.
Sich als Übersetzer*in mit Webinaren und Konferenzen weiterbilden
Eine andere Möglichkeit ist, an Webinaren oder Konferenzen teilzunehmen. Seit der Pandemie ist es sehr einfach, sich so weiterzubilden. Dabei kann auch das Level ausgewählt werden, auf dem man sich als Übersetzer*in befindet. Webinare gibt es auf jedem Niveau, egal ob Basiskenntnisse oder bereits ein sehr spezielles Wissen gefragt ist. Belegt man ein Webinar, bekommt man meist auch ein Replay, so dass man sich die Informationen noch einmal anhören und mitschreiben kann.
Beim Erstellen von Notizen konzentriere ich mich auf folgende Infos:
- Technische Abläufe
- Entwicklungsmöglichkeiten, Fortschritt, Vor- und Nachteile von Abläufen und Arbeitsprozessen
- Unternehmen, die in dem Bereich arbeiten (so dass ich zum Beispiele weitere spezialisierte Websites entdecken und eventuell auch neue Kunden gewinnen kann)
- Kontaktdaten von Personen, die Übersetzungsleistungen benötigen könnten
- Fachbegriffe, mit denen ich mein eigenes Glossar erstellen kann
Dies erlaubt mir, neue Themenbereiche besser zu verstehen und qualitative hochwertige Übersetzungen anzufertigen.
#2 Sich als Übersetzer*in mit Vorlesungen und Dissertationen spezialisieren
Sich als Gasthörer*in an der Universität einschreiben
In den letzten 10 Jahren habe ich mich als Übersetzer*in weniger in komplett neue Bereiche eingearbeitet, sondern vor allem bereits bestehende Kenntnisse erweitert.
Der Fall war und ist dies insbesondere im Bereich Erinnerungskultur. Um meine Kenntnisse über die NS-Zeit zu vertiefen, belege ich pro Monat mindestens zwei Webinare bei unterschiedlichen Historiker*innen über den Holocaust, das NS-Konzentrationslagersystem, Endphasenverbrechen, Hitlers Ernährungspolitik, Widerstandskämpfer*innen …
Bereits mehrmals war ich als Gasthörerin im Bereich Geschichte an einer deutschen Universität eingeschrieben und habe über ein ganzes Semester ein oder zwei Vorlesungen im Bereich der Geschichte des Nationalsozialismus belegt. Während ich seit Corona viele Angebote online nutze, habe ich mich vorher auf mehrtägigen Präsenzveranstaltungen von NS-Gedenkstätten fortgebildet. Ein Highlight war für mich 2018 die Sommeruniversität der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück.
Sich als Übersetzer*in mit Dissertation in neue Fachgebiete einarbeiten
Als Übersetzer*in bilde ich mich aber nicht nur durch Vorlesungen, Workshops und Webinare weiter, sondern lese auch sehr viel. Im Bereich Nationalsozialismus finde ich insbesondere Dissertationen eine gute Möglichkeit, um bestehende Kenntnisse zu erweitern, aber auch um sich in ganz bestimmte Gebiete neu einzuarbeiten.
Die Fortbildungsangebote der eigenen Kunden wahrnehmen
Im medizinischen Bereich nehme ich gern die Angebote meiner Kunden an, um mich weiterzubilden. So habe ich in der Sprachrichtung Französisch-Deutsch jahrelang Patienteninformationen zu teils sehr seltenen Krankheiten übersetzt. Bevor wir mit einem Übersetzungsprojekt gestartet sind, war für uns Übersetzer*innen eine ein- oder zweitägige firmeninterne Fortbildungsreihe mit Mediziner*innen und Forscher*innen vorgesehen. Diese Veranstaltungen fand ich immer sehr interessant. Im Laufe des Kurses wurden wir Sprachmittler*innen vom Kunden auch mit Material und Links zum Eigenstudium versorgt.
#3 Als Übersetzer*in mit geeigneten Nebenjobs zum erforderlichen Fachwissen
Sich neue Spezialgebiete durch Fachliteratur und Gesprächen mit Fachpersonen erschließen
Wie ich mich als Übersetzerin in einen neuen Bereich einarbeite, hängt davon ab, um was für einen Bereich es sich handelt, wie viel Vorwissen ich schon habe und wofür ich die Kenntnisse brauche.
Geht es um Detailwissen in einem Fachgebiet, in dem ich mich schon gut auskenne, dann genügt eventuell Internetrecherche, Recherche in Fachliteratur oder das Gespräch mit Fachpersonen. Internetquellen muss man als Übersetzer*in natürlich immer prüfen und hinterfragen. Wir alle wissen ja, wie viele Fehlinformationen sich dort verbreiten. Im Zweifelsfall lasse ich mir das, was ich recherchiert habe, durch eine Fachperson bestätigen. Und die haben wohl die meisten Übersetzer*innen schon im familiären Umfeld … In meinem Fall ist das zum Beispiel mein Mann, unser “hauseigener“ Apotheker. Er ist mein Ratgeber für medizinische oder pharmazeutische Fragen.
Als Übersetzer*in an Fortbildungen teilnehmen
Kenne ich mich als Sprachmittlerin in einem Bereich noch gar nicht aus und brauche wirklich vertiefte Kenntnisse, mache ich eine Fortbildung. Ich habe zum Beispiel vor Beginn meiner freiberuflichen Arbeit eine Weiterbildung zur Buchhaltungsfachkraft gemacht, um die Grundlagen von Buchführung und Rechnungsstellung zu lernen. Dabei ging es weniger um Fachwissen für meine Übersetzungen, sondern um die Grundtechniken der freiberuflichen Arbeit und die Perspektive auf Nebenjobs, falls erforderlich.
Mit Nebenjobs zu mehr Wissen als Übersetzer*in
Nebenjobs sind eine weitere Sache, die hilft, sich Fachwissen anzueignen und zu vertiefen. Natürlich nur, wenn es der richtige Nebenjob ist. Ich habe eine Zeitlang in Teilzeit als Kundenbetreuerin für einen Autoteileversand gearbeitet. Da habe ich in unseren Fortbildungen unglaublich viel über Automobiltechnik gelernt … Und darüber, wie man mit Kunden umgeht.
Zum Thema Suchmaschinenoptimierung (weil es bei Übersetzungen von Blogartikeln und Texten für Internetseiten und auch für die eigene Homepage gebraucht wird) habe ich auch Webinare gemacht. Zu manchen Themen und von manchen Anbietern werden diese sogar kostenlos angeboten.
Bei Fortbildungen auf Berufsverbände setzen
Was Webinare, Fortbildungen oder Fachliteratur angeht, haben Berufsverbände und ihre Fachverlage ein breites Angebot für uns Freiberufler*innen auf Lager. Um sich als Sprachmittler*in in ein neues Fachgebiet einzuarbeiten, sind sie eine gute erste Anlaufstelle.
#4 Mit allen Sinnen lernen
Als Übersetzer*in unterschiedliche Lernkanäle nutzen
Dolmetscher*innen sind wie Eisberge, aber weniger gefährlich: Nur der kleinste Teil ist sichtbar. Das Gros der Arbeitszeit vertiefen wir uns in neue oder alte Themenfelder. Doch wie wird aus einem neuen ein altes Themenfeld?
Ich nutze unterschiedliche Kanäle: Lernkanäle, bei denen ich alle Sinne anspreche, aber auch die Kanäle unterschiedlichster Quellen. Ich arbeite gehirnfreundlich, das Zentralorgan liebt Altbekanntes, also nehme ich zuerst Wissens- und Vokabelsammlungen benachbarter Themenfelder hervor. Dann setze ich auf inzidentelles Lernen, höre beim Spazierengehen Sendungen und Podcasts zu neuen Themen.
Zu den neuen Fachgebieten Vokabellisten anlegen
Manches davon werte ich später aus, lege Vokabellisten an, zunächst einsprachig. Über die Begriffe stoße ich auf einschlägige Webseiten, über den Zusatz von .pdf im Suchfeld auf Hintergrundtexte, über Fachseiten oder Kleinanzeigen auf Schulungsmaterial. Ich speichere, überfliege, verschlagworte grob, sortiere fürs Nachlesen, lerne vom Allgemeinen zum Besonderen, setze auf Zusammenhänge. Zu vielem gibt es Onlinevideos und Univorlesungen, Messen und Märkte sind andere Quellen.
Mit der Zeit ergänze ich die jeweils andere(n) Sprache(n), nutze Vokabeltabelle, Wandtafel, Papier, bunte Stifte, Pinsel, Schere, Klebstoff: Wortfelder und Spickzettel entstehen zumeist per Hand, was das Lernen fördert. Ich hänge sie zentral auf, zum Beispiel im Klo. Ich kenne die meisten Open Source-Anbieter, nutze aktiv Bibliotheken, das gehört schon zur Vertiefung.
Begriffe im Gespräch mit Fachleuten überprüfen
Zur weiteren Überprüfung und Ergänzung ist für mich als Übersetzerin und Dolmetscherin die Kundenauswahl wichtig. Vor zwei Jahren habe ich Baustellenschuhe gekauft, bin oft dolmetschend vor Ort. Hier darf ich fragen: „Wie nennt ihr das wirklich?“, fotografiere Verpackung oder Bauzeichnung. Manches Gespräch zeichne ich auf, kann so Begriffe „ernten“, die sonst durchrutschen würden. Die Kunden mailen Datenblätter oder andere Dokumente; durch Produktnamen oder Baukontext „bohre“ ich mich tiefer rein.
In den Bereichen Architektur, Urbanismus, Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien dominiert die Theorie, aber zum Thema Bodengesundheit habe ich einen Kompost angelegt.
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