Wie ist es, ein Buch zu schreiben? Interview mit Birgit Susemihl

Tafel mit der Aufschrift "Teamwork" und in verschiedenen Farben aufgemalten Personen

Wie ist es, ein Buch zu schreiben? Meine Texterkollegin Birgit Christina Susemihl hat im Juni 2024 ihr Erstlingswerk “Weltenfäden – Ein wolltastisches Abenteuer” herausgebracht. Der sehr spannende Fantasyroman ist im Novel Arc Verlag erschienen. Er handelt von einem “wolltastischen Abenteuer”, in dem die 13-jährige Jula und Lamm Holly die Hauptrollen spielen. Eines Tages verändert sich für beide die Welt nämlich völlig: Jula hat plötzlich keinen Bruder mehr, sondern eine Schwester. Und Schaf Holly steht auf einer ganz anderen Weide. Gemeinsam lösen sie dieses Rätsel und bringen ihre Welt wieder in Ordnung. Ein Buch, das ich auch als Erwachsene gern gelesen habe.

Mehr über den Roman und seine Entstehung erfährst du in diesem Interview mit der Autorin Birgit Christina Susemihl:

Wie ist es, ein Buch zu schreiben? Interview mit Autorin Birgit Susemihl

Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Buch zu schreiben?

Davon geträumt habe ich immer mal wieder! Als Kind habe ich einmal versucht, eine Art Mystery Thriller und einen Krimi zu schreiben. Daraus ist aber nicht viel geworden … Später habe ich eher von einer Kolumne oder einem Blog geträumt. Aber auch der Traum vom Roman tauchte immer mal wieder auf.

Als ich mich als Texterin selbstständig machte, wurde der Wunsch, außer Kundentexten auch eigene Projekte zu schreiben, wieder größer. Ich habe mit Flash Fiction, also ganz kurzen Geschichten bis 1000 Wörter, angefangen und auch ein, zwei Mal Kurzgeschichten bei Wettbewerben eingereicht.

Im Rahmen einer Flash-Fiction-Challenge habe ich dann ein Miniatur-Märchen über ein kleines Kind und ein Lamm geschrieben. Das war sozusagen die Keimzelle der „Weltenfäden“! Diese erste Idee hat sich dann aber noch sehr stark entwickelt und verändert.

Im Buch geht es um Wolle und Schafe. Hast du zu beiden eine besondere Beziehung?

Ich bin auf dem Land aufgewachsen und es gibt wenig Tiere, die ich gar nicht mag. Schafe habe ich während meines Studienjahrs in England aber ganz besonders ins Herz geschlossen! Wenn man durch die wunderschöne Landschaft fuhr, gehörten sie zum Bild dazu, wie in der Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“.

Ich fand dann die Idee reizvoll, dass ausgerechnet ein junges Schaf die Welt retten muss – als eine von zwei unfreiwilligen Heldinnen einer Abenteuergeschichte. Und ich wollte die Geschichte unbedingt zum Teil aus der Perspektive des Schafs erzählen. Das stand sehr früh fest. Und es brachte natürlich sehr faszinierende Fragen mit sich. Wie gehen die Schafe in einer Herde miteinander um? Was kann ein Schaf über die Welt der Menschen wissen? Und wie können sich ein Schaf und ein Mensch überhaupt verständigen?

Das Stricken ist neben dem Lesen eins meiner liebsten Hobbys! Meine Mutter hat es mir beigebracht, als ich ungefähr 15 war. Damals habe ich einige Jahre ziemlich viel gestrickt. Nach langer Pause habe ich dann mit Ende 30 wieder angefangen. Ich liebe es, mir schöne, besondere Wolle auszusuchen und einer Strickanleitung zu folgen wie der Landkarte einer unbekannten Gegend! Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich auch gerne lernen, wie man Wolle spinnt und mit Naturfarben färbt.

Beim Schreiben war mir schnell klar, dass Wolle in der Geschichte eine wichtige Rolle spielen muss. Und dass die Schafe eine ganz eigene Weltsicht brauchen, mit der sie das interpretieren, was ihnen passiert. Wie zum Beispiel die Schur. So musste die Wolle auch das Weltbild der Schafe entscheidend prägen.

Gab es für Jula oder andere Personen im Buch Vorbilder im realen Leben?

Konkrete Vorbilder gab es nicht. Aber natürlich fließen immer wieder Eigenschaften aus ganz verschiedenen Inspirationsquellen in einige der Figuren mit ein. Zum Beispiel, dass Jula solche Angst davor hat, Referate zu halten oder ihre Hausaufgaben vorzulesen. Das ging mir in meiner Schulzeit genauso.

Oder Julas Oma. Meine eigene Großmutter hat auch wahnsinnig viel gestrickt und hatte, wie Julas Oma, die Gabe, einen so anzunehmen, wie man war, wie man es in dem Moment gerade brauchte, ohne unnötige Fragen zu stellen. So hatte ich sie beim Schreiben immer ein wenig im Hinterkopf. Trotzdem ist Julas Oma eine ganz andere Person mit ihrem ganz eigenen Charakter geworden, und auch optisch habe ich sie mir gar nicht wie meine Oma vorgestellt.

Wie lange hast du für das Buch gebraucht? Wie bist du dabei vorgegangen?

Von der Idee bis zum Erscheinungstermin sind ungefähr anderthalb Jahre vergangen. Ich habe vor allem im November 2022 intensiv am Roman gearbeitet, weil ich den Schwung des NaNoWriMo (National Novel Writing Month) nutzen wollte. Das ist eine Aktion, bei der man versucht, im Lauf des Novembers 50.000 Wörter für ein Romanprojekt zu schreiben. Es gibt eine Website, auf der man seine Wortzahl trackt, es gibt virtuelle Abzeichen für erreichte Zwischenziele und so etwas. In der Zeit habe ich wirklich jeden Tag daran geschrieben, das hat mich gut vorangebracht.

Danach kam eine Phase, in der ich einfach sehr wenig Zeit zum Nebenbei-Schreiben hatte. Als ich dann den Verlagsvertrag bekam, gab es natürlich einen Abgabetermin für das Manuskript und weitere für die Überarbeitung. Da wurde die Arbeit wieder intensiver.

Im Wesentlichen habe ich chronologisch geschrieben. Ich habe mit meiner Grundidee erst mal vorne angefangen und wusste zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bis ins letzte Detail, wie die Geschichte genau gehen sollte. Das hat sich nach und nach entwickelt. Aber zum Beispiel der Schöpfungsmythos der Schafe, der dem Buch voransteht, ist erst so ungefähr nach der Hälfte der Schreibzeit entstanden. Als ich das Gefühl hatte, dass die Schafe eine gemeinsame Sicht auf die Welt brauchen, die natürlich anders ist als die der Menschen.

In der Überarbeitungsphase mit meiner Lektorin habe ich dann tatsächlich noch einige Szenen und Kapitel verschoben und sogar noch ganz neue Szenen dazugeschrieben.

War es schwer, für dein Buch einen Verlag zu finden?

Da hatte ich großes Glück und es war viel einfacher, als ich jemals gedacht hätte. Ich hatte eigentlich noch gar nicht richtig angefangen, nach einem Verlag zu suchen, als ich die offene Ausschreibung des Novel Arc Verlags entdeckte! Der Verlag hatte sehr genau beschrieben, was für Projekte er suchte. „Weltenfäden“ schien mir gut zu dieser Ausschreibung und auch in das Verlagsprogramm zu passen. Also habe ich ein Exposé geschrieben und eine Leseprobe fertiggestellt und eingereicht, obwohl das Manuskript noch gar nicht fertig war. Und dann bekam ich tatsächlich ein Vertragsangebot!

Konntest du bei Titel und Gestaltung des Covers ein Wort mitreden?

Das wunderbare Cover hat der Illustrator Falk Holzapfel entworfen. Der Verlag hat ihn ausgesucht und ich bin sehr froh über diese Wahl. Ich habe mich sofort in den Entwurf verliebt, als der Verlag ihn mir zum ersten Mal zeigte! Es war ein bisschen so, als hätte Falk in mein Herz gesehen und die Seele, das Wesentliche meiner Geschichte in diesem Bild eingefangen. Und das, bevor sie noch ganz fertig geschrieben war.

Das war sehr faszinierend für mich, dass jemand, der Bilder erschafft, und jemand wie ich, die überhaupt kein zeichnerisches Talent hat, sondern mit Worten arbeitet, von zwei verschiedenen Seiten an etwas herangehen und etwas so Stimmiges, Zusammenpassendes hervorbringen können.

Birgit Susemihl vor einem Feld mit ihrem Buch

Was ist bisher dein schönster Moment mit deinem Buch “Weltenfäden”?

Ich fand den ganzen Prozess des Schreibens und Veröffentlichens unglaublich spannend und schön. Jede Phase hatte ihre besonderen Momente. Wenn eine Szene plötzlich beim Schreiben wie von selber entsteht. Wenn ich beim Schreiben merke, dass die Figuren in einem Dialog wirklich genau so sprechen, wie es ihrem Charakter entspricht. Und dann der Tag, an dem das Manuskript fertig wurde, als die Überarbeitung losging, als ich das erste Mal den Cover-Entwurf sehen durfte … das waren alles tolle Erfahrungen.

Aber einer der allerschönsten Momente war natürlich, als das Paket mit meinen Belegexemplaren bei mir zu Hause ankam und ich die gedruckten Bücher zum ersten Mal in der Hand gehalten habe. Das Gefühl, dass Holly und Jula mit ihrer Geschichte jetzt wirklich in der Welt sind. Ich glaube, den Moment vergesse ich nie wieder!

Was sind deine besten Tipps für Leute, die ebenfalls ein Buch schreiben und veröffentlichen möchten?

Schreib das Buch, das du selber gerne lesen würdest. Ich glaube, das ist erst einmal am wichtigsten, allein schon um „dranzubleiben“. Denn so ein Buch ist wirklich ein Mammutprojekt.

Und dann: Schreib! Schreib so regelmäßig wie möglich. Ändern kannst du später immer noch. Erzähl im ersten Entwurf erst einmal dir selber die Geschichte! Ich habe mal gelesen: Der erste Entwurf ist dazu da, die Geschichte zu finden, also herauszubekommen, was eigentlich passiert. In den weiteren Überarbeitungen geht es dann darum, auf welche Weise man die Geschichte am besten und am spannendsten erzählt. Das kann große Umwälzungen bedeuten oder auch kleine Änderungen. Diesen Gedanken finde ich sehr hilfreich, weil er viel Druck aus dem Schreiben herausnimmt.

Was ich auch für sehr wichtig halte: Wer ein Buch schreiben möchte, sollte viel lesen. Im eigenen Genre, aber auch darüber hinaus. Dabei kann man sehr viel lernen, zum Beispiel über den Aufbau, über Erzählperspektive, über Dialoge und Spannungsaufbau.

Hast du zu deinem Buch “Weltenfäden” schon Leserfeedback bekommen?

Ja, und ich freue mich über jeden, der „Weltenfäden“ liest, und über alles Feedback! Besonders spannend ist es natürlich, wenn ich mitbekomme, dass jemand aus meiner Familie, Freunde oder Bekannte es lesen. Ganz besonders froh war ich, als mein Bruder mir schrieb, dass es ihm sehr gut gefallen hat. Denn ich glaube, es ist ein bisschen das Buch geworden, das wir beide als Kids gerne gelesen hätten!

Ich habe auch schon begeisterte Bewertungen und Rezensionen im Online-Buchhandel und auf einigen Buchblogs bekommen. Es freut mich wirklich wahnsinnig, dass Jula und Holly und ihre Geschichte den Leserinnen und Lesern so gut gefallen! Nicht nur Jugendlichen ab 12, was ja die eigentliche Zielgruppe ist, sondern auch Erwachsenen. Und es ist unglaublich interessant, was die unterschiedlichen Lesenden jeweils besonders hervorheben. Was jeder darin sieht und für sich wichtig findet.

Es handelt sich um dein erstes Buch. Was schreibst du sonst so?

Als Texterin schreibe ich ständig irgendetwas – für meine Kund*innen zum Beispiel Texte für ihre Unternehmenskommunikation: Pressemitteilungen und PR-Texte, Produktbeschreibungen, Website-Texte, aber auch Texte im Bereich interne Kommunikation.

Auf meiner Website habe ich einen Blog, für den ich möglichst regelmäßig neue Artikel schreibe. Da geht es vor allem um PR, Sprache und Schreiben. Manchmal stelle ich auch ein Buch vor, das ich gerade gelesen habe. Und natürlich gibt es dort auch Artikel über meine Arbeit an „Weltenfäden“.

Wenn ich Zeit habe, schreibe ich gerne Kurzgeschichten oder Flash Fiction – das ist eine gute Übung, weil alles, Plot, Charakterentwicklung, Spannungsbogen, sich auf sehr begrenztem Raum abspielen muss.

Für einen neuen Roman habe ich auch schon Ideen im Kopf, eigentlich sogar für mehrere. Mal sehen, welche davon ich als nächstes in Angriff nehme!

Vielen Dank für das Interview, liebe Birgit!

Das Buch “Weltenfäden – Ein wolltastisches Abenteuer” hat 341 Seiten und kostet im Hardcover-Format in Deutschland 18 €. Du kannst es unter der ISBN-Nummer 9783989420298 bestellen. Es eignet sich vor allem für Jugendliche im Alter von 12 bis 14 Jahren. Ich habe es aber auch als Erwachsene gern gelesen.

Mehr zu Birgit findest du auf meinem Blog in diesen Round-ups:

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Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen und vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert. Sie erstellt Texte in Leichter und Einfacher Sprache für NS-Gedenkstätten, Museen, politische Parteien und Gesundheitsbehörden. In den Sprachrichtungen Französisch-Deutsch und Englisch-Deutsch übersetzt Andrea vor allem im Bereich Wein.

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