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Was du über Verneinungen in Leichter Sprache wissen solltest

Schere, die das englische Wort can't von seiner Verneinung trennt

Im August 2021 beauftragte mich das Inklusions-Magazin Rollingplanet, die Wahlprogramme für die Bundestagswahl auf ihre Verständlichkeit hin zu untersuchen. Dabei stach mir insbesondere ein Leichte-Sprache-Wahlprogramm ins Auge, in dem es vor Verneinungen nur so wimmelte:

“Die Menschen leben nicht in der Stadt.”

“In der Corona-Krise mussten viele Pfleger und Pflegerinnen viel arbeiten. Deswegen wollen sie ihre Arbeit jetzt nicht mehr weiter-machen.”

“Deshalb ist die Gesundheitsversorgung oft nicht mehr so gut.”

“(…) dann müssen sie kein Geld mehr dazu bezahlen.”

“Das ist nicht nur in großen Städten so.”

Verneinungen sollten in Leichter Sprache nur selten vorkommen

Warum ist das ungünstig? Insbesondere der Negationspartikel nicht wird gern überlesen – und zwar von allen Menschen und nicht nur Leser*innen, die Leichte Sprache benötigen. Zum anderen sind Sätze, die Verneinungen enthalten, häufig sehr anspruchsvoll. Sowohl das Netzwerk Leichte Sprache e. V. als auch Inclusion Europe und BITV 2.0 fordern in ihren Regelwerken zu Leichter Sprache dazu auf, positiv zu formulieren und auf negative Sprache zu verzichten.

Ein Beispiel, das immer wieder auftaucht, ist nicht krank, was durch gesund ersetzt werden kann. Realisiert werden Verneinungen auch mit kein, niemand, nirgends, nie oder mittels Vorsilben wie un- oder des-: uninteressant, unwichtig, Desinteresse.

Vermeidbare Verneinungen in Leicher Sprache 

Lassen sich wirklich sämtliche Negationen vermeiden? Nein! Bei der Übersetzung eines Textes in Leichte Sprache werden Expert*innen für barrierefreie Kommunikation auf vermeidbare und nicht vermeidbare Verneinungen stoßen.

Schaut man sich die obigen Sätze an, wären folgende Formulierungen als vermeidbare Verneinungen einzustufen:

“Die Menschen leben nicht in der Stadt.”

“Deswegen wollen sie ihre Arbeit jetzt nicht mehr weiter-machen.”

“Das ist nicht nur in großen Städten so.”

So könnten die Sätze zum Beispiel wie folgt umformuliert werden:

“Die Menschen leben auf dem Land.”/”Die Menschen leben in einem Dorf.”

“Deswegen wollen sie ihre Arbeit aufgeben.”/”Deshalb machen sie jetzt eine andere Arbeit.”

“Das ist auch in kleinen Städten und auf dem Land so.”

Nicht vermeidbare Verneinungen in Leichter Sprache

Nicht vermeidbar ist die Verneinung dagegen in:

“(…) dann müssen sie kein Geld mehr dazu bezahlen.”

Formuliert man den Satz “Deshalb ist die Gesundheitsversorgung nicht mehr so gut.” in “Deshalb ist die Gesundheitsversorgung schlecht.” um, ergibt sich eine Sinnänderung. Nicht so gut muss nämlich nicht unbedingt schlecht heißen.

Wir sehen: Negationen sind in Leichter Sprache nicht immer vermeidbar, sie sollten jedoch in barrierefreier bzw. -armer Kommunikation so selten wie möglich vorkommen. Greift man in einem Leichte-Sprache-Text auf eine Verneinung zurück, muss diese besonders gekennzeichnet sein, das heißt, am besten setzt man den Negationspartikel in den Fettdruck:

“(…) dann müssen sie kein Geld mehr dazu bezahlen.”

“Deshalb ist die Gesundheits-Versorgung oft nicht mehr so gut.”

Laut Bredel/Maaß sind Sätze mit nicht in der Regel besser verständlich als Sätze mit kein. Wo möglich ist in nicht vermeidbaren Negationen nicht daher der Vorzug zu geben. Dies gilt ebenso für Wörter, die durch ihre Vorsilben zu negativer Sprache werden: Nicht interessant ist besser verständlich und lesbar als uninteressant.

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Zur Autorin: 

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen und vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert. Sie erstellt Texte in Leichter und Einfacher Sprache und übersetzt ferner vom Französischen ins Deutsche.

 

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