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10 Möglichkeiten, Leichte Sprache in ein Museum zu integrieren

Ausstellungsraum in einem Kunstmuseum

Teilhabe ist auch im kulturellen Bereich wichtig. Kultur macht das Leben von allen reicher, auch von Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind. In Museen zum Beispiel gibt es in Bezug auf leicht verständliche Sprache noch viel zu tun. Wie aber ist es möglich, Leichte Sprache in ein Museum zu integrieren?

Wie kann man Leichte Sprache in ein Museum integrieren?

Zunächst einmal gilt es, zwischen Leichter und Einfacher Sprache zu unterscheiden. Leichte Sprache ist die am stärksten mögliche Vereinfachung des Deutschen. Einfache Sprache dagegen gibt es in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. So sollte es zumindest sein. Geschützt sind beide Begriffe nämlich bisher nicht.

Für Leichte Sprache existieren diverse Regelwerke. Das Bekannteste dürfte das des Netzwerks Leichte Sprache e. V. sein. Die Hauptzielgruppe Leichter Sprache besteht aus Menschen mit einer geistigen Behinderung. Nützlich können Leichte-Sprache-Texte mit ihren leicht verständlichen Informationen aber natürlich auch für andere Gruppen sein.

Spricht man über die Möglichkeiten, Leichte-Sprache-Texte in inklusive Museen zu integrieren, ist es wichtig, die Hauptzielgruppe nicht aus den Augen zu verlieren. Menschen mit einer geistigen Behinderung benötigen nämlich nicht nur sehr leicht verständliche Texte, sondern auch eine bestimmte Präsentation der in Leichter Sprache zur Verfügung gestellten Informationen.

Sehr verbreitet ist Leichte Sprache in Museen noch nicht. Dennoch bekomme ich besonders in den letzten Monaten immer mehr Anfragen von Kunstmuseen, Heimatmuseen, Erinnerungsorten, Gedenkstätten, Ausstellungsmacher*innen, Kurator*innen …, die ihr Museum inklusiver machen möchten. Das freut mich natürlich sehr!

10 Möglichkeiten, Leichte Sprache in ein Museum zu integrieren

#1 Leichte Sprache auf Wandtexten im Museum

Die Texte einer Ausstellung bestehen meist aus mehreren Ebenen. Neben Einführungstexten, die sich mit Aufbau und Thema der Ausstellung beschäftigen, gibt es in Museen Bereichstexte, die die Ausstellungsräume in verschiedene Bereiche gliedern sowie Objekttexte.

In Leichter Sprache zusammengefasste Einführungs- und Bereichstexte lassen sich zumindest in der Theorie auf Wandtexten anbringen. Wer schon einmal mit der Konzeption einer Ausstellung betraut war, weiß jedoch: Platz ist Mangelware.

Einführungstexte und Bereichstexte werden in Museen oft in Deutsch und in einer Fremdsprache (meist Englisch) angeboten. Für weitere Sprachen ist selten Platz oder aber nur in Form einer kurzen Zusammenfassung.

Leichte Sprache und kurz passen jedoch nicht wirklich zusammen: Die Hauptzielgruppe Leichter Sprache braucht weit mehr Erklärungen als andere Museumsbesucher*innen, die keine geistige Behinderung haben.

Manche Übersetzer*innen in Leichte Sprache schlagen daher vor, die Informationen auf Standarddeutsch wegzulassen und sie durch Leichte Sprache zu ersetzen. Die Mehrheit der Museumsbesucher*innen sei mit stark vereinfachten Informationen zufriedener. Daher sei es möglich, in Wandtexten nur Leichte Sprache und kein Standarddeutsch zu bieten, womit das Platzproblem behoben sei.

Dem wage ich zu widersprechen. Wie oben schon erwähnt, ist Leichte Sprache nicht nur für Menschen mit einer geistigen Behinderung nützlich. Allerdings sind sehr, sehr viele Teile der Bevölkerung mit Ausstellungstexten in Leichter Sprache auch unterfordert. Und zwar nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich.

Bei Texten in Einfacher Sprache mag das etwas anders aussehen, vor allem wenn das angebotene Sprachniveau in etwa bei B2 liegt.

Menschen, die Leichte Sprache benötigen, haben oft eine Mehrfachbehinderung. Das heißt: Sie haben eine geistige Behinderung und bewegen sich mit einem Rollstuhl fort oder haben eine Sehbehinderung.

Bei einem Museumsbesuch mit einer Gruppe mit behinderten Menschen haben wir uns zunächst sehr gefreut: In den Ausstellungsräumen gab es Wandtexte in Leichter Sprache. Leider waren diese aber für unsere Rollifahrer*innen viel zu hoch angebracht oder die einfachen Infos aus anderen Gründen nicht zugänglich.

 

#2 Begleitheft in Leichter Sprache zur Ausstellung

Wesentlich kostengünstiger als Wandtexte in Leichter Sprache ist für Museen ein Begleitheft mit leicht verständlichen Informationen.

Im Gegensatz zu Ausstellungstexten, die im Raum angebracht werden, besteht in einem Begleitheft zur Ausstellung kein Platzproblem. Inklusion erscheint durch ein Heft mit leichten Erklärungen also sehr einfach umsetzbar.

Museen, die ein eher reduziertes Budget haben und etwas für kulturelle Teilhabe tun möchten, setzen häufig auf ein Leichte-Sprache-Heft mit Informationen zur Ausstellung.

Da ich selbst sehr gern in Museen unterwegs bin und mich natürlich auch interessiert, was dort für Inklusion und Barrierefreiheit getan wird, versuche ich ab und zu, Ausstellungen mit einem solchen Begleitheft zu erkunden.

Bisher hat mich leider keines überzeugt. Dies lag in der Regel an verschiedenen Punkten. Der Hauptpunkt war aber immer: Ich fand mich mit dem Kompendium, das mir in die Hand gedrückt wurde, nicht zurecht.

Die meisten Begleithefte in Leichter Sprache sind sehr, sehr lang. Bei den Museen, die ich mit einem Leichte-Sprache-Begleitheft besucht habe, hatte ich ein Geheft von 30-50 Seiten mit leichten Texten in der Hand. Manchmal gab es davon sogar mehrere.

Als Museumsbesucherin ohne Beeinträchtigung stellte ich mir immer wieder die Frage: Welcher Text mit leichten Erklärungen gehörte wozu? Es war ein endloses Geblättere.

Häufig waren die Begleithefte außerdem wenig ansprechend aufbereitet. Oft fühlte ich mich vom Leichte-Sprache-Text erschlagen … Lust weiterzublättern hatte ich … nicht. Museum einfach erklärt? Geht anders!

Fazit: In sehr kleinen Museen eine Möglichkeit, wenn gut gemacht. In größeren ziemlich sicher nicht. Aus meiner Sicht sollte das Begleitheft 12 Seiten nicht überschreiten. Ein von mir erstelltes Begleitheft in Leichter Sprache für einen Erinnerungsort findest du hier (leider wurde der letzte Abschnitt vom Kunden umformuliert, so dass er nicht mehr ganz barrierefrei ist …).

 

#3 Laminierte Leichte-Sprache-Texte an Stationen im Museum

Gute Erfahrungen gemacht habe ich mit folgendem System: In Ausstellungsräumen werden mehrere Stationen eingebaut, an denen laminierte Texte mit Infos in Leichter Sprache entnommen werden können.

Nach dem Lesen werden die leicht verständlichen Texte wieder in die Stationen zurückgestellt. Eine kostengünstige Möglichkeit, die funktioniert, wenn sie den Besucher*innen erklärt wird und geschickt gemacht ist.

 

#4 Audioguide in Leichter Sprache fürs Museum

Eine sehr gute Idee für Informationen in Leichter Sprache und auch in Einfacher Sprache ist ein Audioguide.

Der Vorteil: Menschen, die schlecht oder gar nicht lesen, können sich die einfachen Ausstellungstexte anhören. In der Regel werden so auch etwas schwerere Strukturen verstanden, wie zum Beispiel einfache Nebensätze.

Die Nachteile: Die Herstellung eines Audioguides ist im Vergleich zu anderen Möglichkeiten, Leichte-Sprache-Texte in ein Museum zu integrieren, recht teuer. Zwischen den Kosten für laminierte Ausstellungstexte und einem Hörtext besteht ein immenser Unterschied. Nicht immer klappt es ferner mit der Technik. Audioguides müssen für Menschen mit einer geistigen Behinderung ganz besonders einfach zu bedienen sein.

Zu beachten ist auch, dass die Aufmerksamkeitsspanne dieser Museumsbesucher*innen bei maximal einer Stunde liegt.

In größeren Museen ist es möglich, verschiedene Touren in Leichter Sprache zu konzipieren und die Besucher*innen mit Lernschwierigkeiten aus mehreren leicht verständlichen Themenführungen auswählen zu lassen. So ist für jeden Geschmack und jedes Interesse etwas dabei und im Museum für Barrierefreiheit und Teilhabe gesorgt!

 

#5 Führungen und Workshops in Leichter Sprache

Einige barrierefreie Museen und Gedenkstätten arbeiten auch bereits mit Guides, die in Leichter Sprache durch die Ausstellung führen. Diese Guides haben meist vorher eine Ausbildung zu Übersetzer*innen in Leichter Sprache durchlaufen. Zusätzlich wurden sie dann noch vom jeweiligen Museum geschult.

Momentan ist dieses Angebot aber noch nicht sehr verbreitet. Wenn es vorhanden ist, richtet es sich meist nur an Gruppen beziehungsweise muss vorher für die Ausstellungen gebucht werden.

Eine tolle Möglichkeit, Besucher*innen im Museum wirkliche Teilhabe zu bieten, aber nicht sehr spontan …

 

#6 Leichte-Sprache-Website für dein Museum

Seit Ausbruch der Pandemie werden auch für Museen leicht verständliche Websites immer wichtiger. Wieso nicht auch eine Website in Leichter Sprache oder einen Leichte-Sprache-Blog für dein Museum?

Wie dies möglich ist? Das Historische Museum in Frankfurt und das Freilichtmuseum am Kiekeberg machen es vor!

 

#7 Leichte-Sprache-App für deine Ausstellung

Auch Leichte-Sprache-Apps können eine Möglichkeit sein, Museen mit einfachen Texten zu mehr Barrierefreiheit zu verhelfen. Eine solche Museums-App besitzt zum Beispiel das Bach-Museum Leipzig.

#8 Kurze Filme in Leichter Sprache

Hervorragend für inklusive Museen sind ferner kurze Filme in Leichter Sprache. Am besten mit Untertiteln!

 

#9 Hörstationen in Leichter Sprache

Eine gute Idee für Ausstellung sind auch Hörstationen in Leichter Sprache. Möglich sind zum Beispiel ein bis zwei Stationen pro Raum. Der Vorteil: Sie sind leichter zu bedienen als ein Audioguide und auch für blinde Menschen und funktionale Analphabet*innen barrierefrei. Solltest du in deinem Museum Hörstationen nicht nur für Leichte Sprache, sondern auch für Standarddeutsch oder Englisch anbieten, achte bitte darauf, dass für die Besucher*innen klar ist, wie Spracheform beziehungsweise Sprache gewechselt werden. Ich persönlich bin erst kürzlich in einem Museum am Wechsel der Sprache gescheitert …

 

#10 Leichte-Sprache-Stationen auf Säulen

Bei einem meiner letzten Museumsbesuche habe ich eine interessante Entdeckung gemacht. Auf etwa 150 cm hohen Säulen waren Büchlein für die Besucher*innen angebracht, die sich zusätzliche Infos wünschten. Solche Säulen wären in Museen auch als Leichte-Sprache-Stationen geeignet.

Der Vorteil: Die Säulen benötigen nur wenig Platz. Die Broschüren befinden sich fest auf den Säulen. Sie können nicht mitgenommen werden und verschwinden nicht. Die Besucher*innen müssen die richtigen Texte nicht in einer größeren Broschüre suchen. Die Texte für den jeweiligen Raum befinden sich auf der Säule. Die Säulen waren mit einer Höhe von 150 cm allerdings zu hoch. Für Rollifahrer*innen und sehr kleine Personen waren die Leichte-Sprache-Texte daher nicht zu lesen. Ideal fände ich pro Raum eine große und eine kleine Säule, gern nebeneinander, um nicht für Verwirrung zu sorgen.

Der Nachteil: Für Gruppen sind Leichte-Sprache-Stationen auf Säulen nicht geeignet, da die Texte nur von maximal zwei Personen gleichzeitig gelesen werden können.

Wie du beim Integrieren von Leichter Sprache in dein Museum vorgehst

Du möchtest auch in deinem Kunstmuseum, Technikmuseum, Naturkundemuseum … für mehr Inklusion sorgen und mit leichten Inhalten begeistern?

Am einfachsten ist dies natürlich für inklusive Museen und Ausstellungen, die erst am Entstehen sind. Schließlich ist es auch einfacher, barrierefreie Zugänge für Rollifahrer*innen bereits vor dem Bau zu bedenken, als im Nachhinein dafür zu sorgen.

Aber auch ein bereits bestehendes Museum oder eine schon bestehende Ausstellung kann natürlich “aufgerüstet” und verständlicher gemacht werden!

Am besten du lässt dich dabei von Expert*innen beraten. Wenn sich ein*e Spezialist*in für Leichte Sprache im Museumsbereich auch noch bei dir vor Ort umsehen kann, umso besser!

Wie Teilhabe für Menschen, die Leichte Sprache benötigen, in deinem inklusiven Museum möglich ist, hängt nicht zuletzt von dem Budget ab, das dir zur Verfügung steht. Vorstellbar ist zum Beispiel auch ein Mix aus Wandtexten und Audioguide.

Unbedingt einplanen solltest du bzw. dein Experte für Barrierefreiheit im musealen Bereich außerdem Prüfgruppen: Prüfer*innen, mit denen geprüft wird, ob die Ausstellungstexte wirklich leicht verständlich sind oder ob noch mehr Erklärungsbedarf besteht. Enthalten die Leichte-Sprache-Texte für dein barrierefreies Museum bzw. deine barrierearme Ausstellung wirklich keine schweren Wörter?

Wichtig sind auch Prüfer*innen, die vor der Eröffnung deiner Ausstellung testen, ob alles so passt, wie es präsentiert wird:

Sind die leicht verständlichen Informationen gut zugänglich? Oder hängen sie zu hoch? Sind die Erklärungen in Leichter Sprache in deinen Ausstellungsräumen gut auffindbar? Ist der Audioguide mit Hörtexten in Leichter Sprache einfach zu bedienen? Welche Probleme treten bei der Bedienung auf und wie können sie behoben werden? Passt die Geschwindigkeit? Ist wirklich alles leicht erklärt oder sind manche Infos unverständlich?

 

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Zur Autorin:

Leichte-Sprache-Übersetzer Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Romanistin und Germanistin mit 2. Staatsexamen und arbeitet als Übersetzerin vom Französischen ins Deutsche und vom Standarddeutschen in Leichte und Einfache Sprache. Tätig ist sie regelmäßig für verschiedene Museen, unter anderem für das Centre Pompidou Metz-Nancy. Außerdem textet sie in Leichter Sprache und schreibt Blogartikel. Im musealen Bereich sorgt sie gemeinsam mit anderen Anbieter*innen für mehr Inklusion und bietet auch Schulungen für Guides an. Ihre Spezialgebiete im Museumsbereich: Kunst, Literatur, Geschichte, Erinnerungskultur, Medizin.

 

 

Zeichnung: © Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V. Illustrator Stefan Albers, Atelier Fleetinsel, 2013

Foto: © Andrea Halbritter

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