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Leichte Sprache: Pleiten, Pech und Pannen

Fuß, der kurz davor ist, auf eine Bananenschale zu treten

Nicht selten lautet die Reaktion auf Leichte-Sprache-Texte: „Sieht leicht aus. Das kann ich auch!“ Und so passiert es immer wieder, dass Kund*innen in bestehende Texte selbst Sätze oder ganze Passagen einfügen. Zum Beispiel weil sie kurz vor dem Druck der Meinung sind, dass wichtige Punkte in ihrem Leichte-Sprache-Text fehlen, und sie sich die Änderungen zutrauen. 

Warum dies problematisch ist, erfährst du in diesem Artikel an ausgewählten Sätzen, die Kund*innen in meine Texte eingefügt haben.

Leichte Sprache ist schwer

Satz 1: Es fuhren keine Straßenbahnen und keine Busse mehr.

Auf den ersten Blick wirkt dieser Satz einfach. Er ist kurz, besteht nur aus einem Nebensatz und enthält keine Fremdwörter. Dennoch hat es dieser Satz in sich. Als Tempus wurde nämlich das Präteritum (fuhren) gewählt, eine Zeitform, die in Leichter Sprache kaum verwendet wird. Warum? Weil das Perfekt (sind gefahren) im Mündlichen häufiger ist und weil starke Verben im Präteritum einen Vokalwechsel vollziehen, im Fall von fahren zu u. Präteritums-Formen werden dadurch schwer verständlich und sorgen für Barrieren, die nicht sein müssten. Am verständlichsten wird dies für dich vielleicht, wenn du dich daran erinnerst, mit wie viel Aufwand du im Englischen oder Französischen unregelmäßige Verben pauken musstest und dir häufig nicht klar war, welches Partizip zu welchem Infinitiv gehört. Wie heißen noch einmal die Präteritums-Formen von break, blow oder become? Von welcher Grundform stammen bled oder brought ab?

Die Zeitform ist im obigen Satz aber nicht das einzige Problem. Leichte Sprache formuliert positiv und meidet, wenn es irgendwie geht, Verneinungen. Müssen sie trotzdem sein, werden Negationspartikel (zum Beispiel nicht, niemand) unterstrichen oder gefettet. Besonders schwierig sind Sätze mit kein. Da sich kein nur durch einen Buchstaben von ein unterscheidet, wird die Verneinung oftmals nicht erkannt. Mehr hierzu kannst du auch in meinem Artikel Leichte Sprache: K-Negation oder N-Negation? nachlesen.

Straßenbahnen wiederum ist kein so leichtes Wort, wie man dies als Laie vermuten würde. Es ist recht lang und schwer lesbar.

 

Satz 2: Dort werden alle möglichen Sachen repariert.

Auch dieser Satz ist kurz. Doch ist er wirklich leicht verständlich? Nein! Er enthält nämlich ein Vorgangspassiv (werden repariert). Vorgangspassiv mag im Standarddeutschen praktisch sein, weil der Handlungsträger (also wer etwas macht) nicht genannt werden muss. Wir greifen darauf also unter anderem dann zurück, wenn wir gar nicht wissen, wer für eine bestimmte Tat verantwortlich ist, wie zum Beispiel bei einem nicht aufgeklärten Einbruch: In die Wohnung wurde eingebrochen. Dass ein Vorgangspassiv schwer verständlich ist, zeigt sich allein schon daran, dass deutschsprachige Kinder Passivkonstruktionen in der Regel erst ab ihrem 12. Lebensjahr aktiv verwenden. Für Menschen mit einer geistigen Behinderung ist Vorgangspassiv oft unverständlich. Zustandspassiv (zum Beispiel: Das Geschäft ist geschlossen) wird verstanden. Mehr zum Thema Passiv erfährst du in meinem Artikel Leichte Sprache: Schmeißt endlich das Passiv raus!

 

Satz 3: In dem Raum sollte eine Ausstellung zur Stadt-Geschichte von [weggelassen] entstehen.

Dieser Satz ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Zum einen ist er relativ lang, zum anderen enthält er ein Modalverb (sollen), dessen Bedeutung schwer zu erfassen ist. Bei Stadt-Geschichte handelt es sich um ein langes, wenn auch durch einen Bindestrich untergliedertes Wort. Der Satz enthält mehrere Aussagen: 1. Man hatte vor, eine Ausstellung zu machen. 2. Die Ausstellung sollte die Geschichte einer Stadt zeigen. 3. Die Ausstellung sollte in einem Raum stattfinden. In Leichter Sprache gilt jedoch: Jeder Satz darf nur EINE Aussage enthalten.

 

Fazit: Hände weg von den Leichte-Sprache-Texten deiner Übersetzer*innen und Texter*innen. Möchtest du einen Abschnitt oder einen Satz ergänzen, dann melde dich bei deinen Expert*innen für barrierefreie Kommunikation. Mitunter wird eine kurze Passage auch kostenfrei ergänzt. Die Barrierefreiheit deiner Leichte-Sprache-Texte solltest du nicht durch eigene Ergänzungen ruinieren, auch wenn diese für dich noch so leicht aussehen!

 

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Zur Autorin:

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen und wurde vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. sowie von der Universität Hildesheim in Leichter Sprache ausgebildet. Sie erstellt vor allem für Museen, Gedenkstätten, Politiker*innen und Gesundheitsbehörden Texte in Leichter und Einfacher Sprache.

 

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