Meine 10 skurrilsten Erlebnisse als freiberufliche Übersetzerin

Tafel mit der Aufschrift "Teamwork" und in verschiedenen Farben aufgemalten Personen

Die eigene Übersetzung wird verändert, Kunden verschwinden plötzlich ins Nirwana. Bekannte meinen, als Sprachmittler*in übersetze man in so ziemlich jede Sprache unseres Erdballs … Freiberufliche Übersetzer*innen erleben so allerlei! Dennoch gibt es Ereignisse, an die Frau sich noch länger erinnert als an andere. Momente, in denen eine richtig dicke Elefantenhaut benötigt wird oder die einen kopfschüttelnd zurücklassen. Auch ich habe als Übersetzerin so einige Erfahrungen gemacht. Mein Ranking der skurrilsten Erlebnisse, die mir in den 12 Jahren meiner Selbstständigkeit untergekommen sind, verrate ich dir hier.

Ranking meiner 10 skurrilsten Erlebnisse als freiberufliche Übersetzerin

Und damit es noch etwas spannender wird, starten wir – wie in der Hitparade – mit der Nummer 10 und nicht mit Kuriosität Nummer 1.

#10 Die ehemalige Austauschschülerin

Bei einem Messebesuch schallte mir plötzlich auf Französisch von einem Stand entgegen: „Aber Sie sind doch Frau Halbritter, oder?“ In meinem vorherigen Leben als Französischlehrkraft hatte ich regelmäßig Schüleraustausche organisiert und begleitet. Vor mir hatte ich eine ehemalige Schülerin unserer Partnerschule im Anjou, die inzwischen im Weinmarketing unterwegs war. Ja, so vergeht die Zeit! Frau hat inzwischen Brille und die ersten grauen Haare. Die Ex-Schüler*innen sind Mitte 30 und in verantwortlicher Position. (Ja, ein Übersetzungsauftrag ergab sich aus dem Treffen für die freiberufliche Übersetzerin auch. Allerdings ins Englische, nicht ins Deutsche.)

#9 Alle werden bezahlt, nur die freiberuflichen Übersetzer*innen nicht

Eigentlich ein Klassiker, mit dem sicher schon mal die meisten Übersetzer*innen konfrontiert waren – wie auch Grafiker*innen, Künstler*innen und weiß der Geier wer. Warum sollte auch jemand auf den Trichter kommen, für Arbeit Geld zu wollen? Ruhm und Ehre oder Applaus, ein vergnüglicher Nachmittag und ein Snack reichen doch auch!

2019 bekam ich das Angebot, auf einer Bootsfahrt zu dolmetschen und vorher noch eine schriftliche Übersetzung abzuliefern, alles für umme. Interessant? Mehr über dieses dreiste Projekt, an dem alle verdient haben, nur die Sprachmittler*innen nicht, kannst du in meinem Artikel Dolmetschen und übersetzen Sie eigentlich auch ehrenamtlich? nachlesen.

#8 Der freiberufliche Übersetzer, der das Handtuch warf

Zum Übersetzen bin ich kurz nach meiner Elternzeit während eines Frankreichaufenthalts gekommen. Ohne wirklich aktiv zu suchen, hatte ich plötzlich Kunden und meine ersten Rechnungen beliefen sich auf recht stolze Summen. Sehr bald zog ich dann die ersten Kunden an Land, die nicht nur Übersetzungen ins Deutsche benötigten: „Entweder Sie können drei Sprachen liefern oder wir suchen uns eine Übersetzungsagentur.“

So kam es, dass ich etwa ab 2015 nicht nur Projekte annahm, die ich selbst stemmen konnte. Fortan bot ich auch Projektmanagement an, zunächst vor allem Übersetzungen ins Englische, Italienische, Niederländische und Spanische. Später kamen weitere Sprachen dazu. Die Kolleg*innen, die für mich arbeiteten, wählte ich sorgfältig aus. Die ersten Jahre hatte ich vor allem Kunden für Übersetzungen im Gesundheitsbereich. Übersetzungen ins Englische übernahm ein britischer Mediziner für mich, der schon seit ein paar Jahren nicht mehr praktizierte, sondern nur noch übersetzte. Pro Monat vertraute ich ihm etwa 3000 Wörter an.

“Ich habe ein interessanteres Übersetzungsprojekt angenommen …”

Während die ersten Texte bei mir pünktlich eingingen, hörte ich bei Projekt 3 oder 4 nichts mehr von ihm. Er hatte den Auftrag angenommen, lieferte aber nicht. Recht naiv wähnte ich ihn im Krankenhaus. Auf Rückfrage reagierte er schließlich lapidar. Er habe ein interessanteres, besser bezahltes Projekt angenommen und daher beschlossen, meine Texte nicht zu bearbeiten.

#7 Die Agentur, die mir ihre Übersetzungskunden abgab

Von Anfang an arbeitete ich als Übersetzerin fast ausschließlich für Direktkunden. Eine Agentur war aber seit 2013 durchgehend dabei. Ungewöhnlich: Das Übersetzungsbüro hatte mich gefunden und nicht andersherum – damals noch über Social Media. Nach Jahren der Zusammenarbeit beschloss die Inhaberin, nur noch Sprachen anzubieten, die die Agentur intern übersetzen konnte. Sie gab mir daher sämtlich Kunden für Übersetzungen ins Deutsche ab. Die meisten davon mit einem regelmäßigen Bedarf. Ein außergewöhnlicher Glücksfall! Für die Mehrzahl dieser Unternehmen arbeite ich auch heute noch – als Weinübersetzerin vom Französischen und Englischen ins Deutsche.

#6 Die Wörter, die aus den Überschriften verschwanden

Agenturen, die Direktkunden abgeben, sind selten bis inexistent. Kunden, die übersetzte Texte verändern, dagegen nicht. Manche ergänzen Abschnitte, formulieren um, meinen, „Verbesserungen“ anbringen zu müssen, die keine sind. Was jedoch nicht allzu häufig sein dürfte: Grafiker*innen, die bei Überschriften einfach irgendein beliebiges Wort rauswerfen, weil der Titel zu lang ist. Während sich die meisten bemühen, irgendeine neue Überschrift zu kreieren, die halbwegs Sinn macht, war der Grafiker meiner Gourmetzeitschrift völlig furchtlos. Munter strich er einfach irgendetwas aus dem Titel. Und direkt darunter stand mein Name als Übersetzerin. Ich hätte in den Erdboden versinken können! Gleichzeitig redete ich mir aber ein, dass die Fehler so offensichtlich waren, dass sie keiner der Übersetzerin ankreiden würde.

#5 Der Kunde, der sich am Leichte-Sprache-Label vergriff

Allmählich bin ich ja der Ansicht: Es gibt nichts, was es nicht gibt! Leichte-Sprache-Texte werden mit einem Label versehen. Je nach Label ist dieses blau, orangerot oder grün-gelb. Und ja, zugegebenermaßen passt die Label-Farbe nicht immer zu den Farben der jeweiligen Website. Ein Webmaster passte die Farbe daher einfach an das Farbschema seiner Website an. Davon, dass man Label nicht einfach so verändern kann, schien er nie was gehört zu haben … Oh, well!

Frau mit roter Regenjacke und Regenhut vor zerklüfteter Küstenlanschaft mit Nebel und Nieselregen
Freiberufliche Übersetzerin bei miesem Wetter im Finistère (Bretagne)

#4 Der Reiseführer ohne Leerzeichen

Vor Corona übersetzte ich einige Reiseführer und Verkaufshandbücher aus dem Französischen und Englischen ins Deutsche. Die meisten über Gegenden in Frankreich, aber auch Regionen in anderen Ländern der Erde waren dabei. Oft sind Reiseführer Projekte, an denen Übersetzer*innen einen ganzen Monat oder länger arbeiten. An den Sätzen wird gefeilt, sie sollen den Urlauber*innen Lust auf das Reiseziel machen. Häufig sind auch viele Recherchen nötig – zum Beispiel, wenn es sich um architektonische Besonderheiten oder um Fauna und Flora handelt.

Als freiberufliche Übersetzerin war mir zum Heulen zumute

Kurzum: Ich hatte dieses Reisehandbuch mit Herz und Seele übersetzt. Als ich es dann im Internet entdeckte, hätte ich am liebsten geheult. Es fehlten sämtliche, wirklich sämtliche Leerzeichen. Von Seite 1 bis zum Schluss. Weshalb, warum, wozu? Keine Ahnung! Wie bitte kommt man auf so etwas? Der Text war komplett unlesbar geworden.

#3 Der Übersetzungskunde, der nicht zahlte

Im Laufe meiner Selbstständigkeit hatte ich mehrmals Kunden, die nicht zahlten. Bei allen Nicht-Zahlern handelte es sich um Personen oder Unternehmen, für die ich im Vorfeld bereits zwei oder mehr Jahre gearbeitet hatte. Rechnungen schrieb ich monatlich. Sie wurden immer pünktlich bezahlt, bis die Überweisungen irgendwann nicht mehr stattfanden. Ein Kunde begründete dies damit, dass er bereits seit längerem auf eine Zahlung wartete, die nicht eintraf. (Solvent wäre er trotzdem gewesen.) Wiederum ein anderer tauchte plötzlich ab und ghostete mich. Egal, auf welchem Weg, er war nicht mehr zu erreichen – allerdings auf Facebook sehr aktiv, also noch am Leben. (Das Geld bekam ich nie, trotz Inkassounternehmens.)

“Wir zahlen die Übersetzungen in 4 Sprachen nicht, weil in einer ein Begriff falsch war!”

Am skurrilsten verhielt sich die Sache jedoch mit Kunde Nr. 3. Für dieses Unternehmen arbeitete ich jahrelang. Mein Übersetzungsbüro lieferte fünf Sprachen. Teils handelte es sich um Übersetzungen, teils um redaktionelle Arbeiten. Mein Umsatz mit dieser Firma belief sich auf etwa 30 000 € bis 40 000 € pro Jahr. Das Unternehmen bezahlte jede Rechnung pünktlich, bis plötzlich eine „vergessen“ wurde – vor meiner Urlaubszeit. Nach den Ferien erinnerte ich daran. Keine Antwort. Aber man bestellte weiter und die neuen Rechnungen wurden beglichen. Mit der alten kam ich nicht weiter. Es handelte sich um einen höheren vierstelligen Betrag – etwa 6500 € für Übersetzungen in vier Sprachen. Nach beharrlichem Nachbohren hieß es, es gebe ein Problem mit der englischen Übersetzung. Ein englischer Begriff sei nicht korrekt gewesen und daher habe man sich entschlossen, für keine Sprache zu zahlen.

Ich beauftragte auf eigene Kosten einen erfahrenen Revisor, der die Qualität der gelieferten Übersetzung beurteilen sollte. Ja, das beanstandete Wort sei nicht ganz ideal, aber verkehrt sei es auch nicht. Ich bot einen Rabatt auf die englische Übersetzung an. Der Kunde stellte sich stur, wir arbeiteten aber weiter zusammen. Das Geld ging nicht ein, auch für die anderen Sprachen nicht – obwohl der Kunde zugab, dass er an den anderen Texten nichts zu beanstanden hatte, und er die Übersetzungen verwendete.

Inkassounternehmen treibt das Geld für die Übersetzungsleistungen ein

Ende vom Lied: Ich beauftragte 15 Monate später ein Inkassounternehmen, die Summe für die Übersetzungen in drei Sprachen einzutreiben. Das Geld hatten wir innerhalb von vier Tagen. Die englische Fassung fakturierte ich zu 50 Prozent und wir beendeten die Zusammenarbeit ein paar Monate später, nachdem mein Rahmenvertrag ausgelaufen war.

Alle Übersetzer*innen hatten ihr Geld selbstverständlich pünktlich erhalten. My risk. Verlust: etwa 2500 €. No fun.

#2 Der LinkedIn-User, der ein sexuelles Abenteuer suchte

Kurz nachdem ich mir ein Profil zugelegt hatte, um durch LinkedIn an Übersetzungsaufträge zu kommen, bekam ich eine private Nachricht. Ein leitender Angestellter in circa 50 km Entfernung. Angeblich benötigte seine Firma regelmäßig Übersetzungen in mehrere Sprachen. Dafür wolle man mit einem lokalen Anbieter zusammenarbeiten. Ob man sich mal treffen könne?

Der Kunde, der mit der freiberuflichen Übersetzerin allein sein wollte …

Wie in Frankreich üblich, machten wir einen Termin für ein Geschäftsessen zur Mittagszeit in einem Restaurant aus. Am Tag vorher eine weitere Message. Mein Ansprechpartner meinte, er arbeite ausnahmsweise im Homeoffice. Seine Frau sei verreist, sodass wir uns bei ihm zuhause treffen könnten. Er würde kochen. Was ich gerne esse? Ich meinte, das könnten wir machen, ich würde dann aber meinen Lebensgefährten mitbringen. Dreiste Antwort: Der störe bei dem, was er mit mir vorhabe. Ach, ja?

Natürlich fuhr ich nicht hin. Auf den Auftrag war gepfiffen, wenn er überhaupt einen zu vergeben hatte. Ich blockierte ihn auf LinkedIn. Er spürte mich auf Facebook auf. Nachdem ich ihn auch dort geblockt hatte, war Ruhe im Karton.

#1 Die Reichsbürger-WG

Dem Fass den Boden schlug aber die Reichsbürger-WG aus. Während einer mehrtätigen Fortbildung far from home wollte ich als freiberufliche Übersetzerin nicht im Hotel übernachten. Erstmals buchte ich ein Zimmer über Airbnb mit eigener kleiner Küche. Das war billiger, ich hatte abends jemanden zum Quatschen und ich konnte selbst kochen. Das mache ich nämlich recht gern. Kochen ist für mich Entspannung.

Chemtrails, Selbstverwaltung und Co während einer Fortbildung

Das Quatschen hatte ich mir allerdings anders vorgestellt. Als ich nach etwa 13 Stunden Autofahrt (verteilt auf 2 Tage, für alles andere bin ich zu alt) vor meiner Airbnb-Bleibe stand, wurde ich ins Wohnzimmer geführt. Erstes Kennenlernen, okay. Glas Wasser, okay. Ich. Hundemüde. Die Stimmung kippte spätestens ab Satz 3. Da begann man mir nämlich zu erzählen, dass ich die nächsten Tage am besten nicht das Haus verlassen solle – wegen Regens. Chemtrails und so. Sogleich versuchten mir meine Mitbewohner*innen mit allen möglichen Mitteln zu beweisen, dass es Chemtrails wirklich gab und dass uns irgendwer vergiften wolle. Und ach ja, die BRD sei kein Staat, sondern eine Firma!

Gehirnwäsche für die freiberufliche Übersetzerin

Ab Satz 8 fühlte ich mich wie im Schleudergang der Waschmaschine. Und hier sollte ich nun ganze 4 Tage verbringen. Herrje, herrje! Widerspruch war zwecklos. Ich versuchte das Thema zu wechseln. No chance. Hoffentlich kamen die nicht auf die Idee, mich zu googlen.

Am Ende des Abends war für mich klar: Wenn ich aus dem Aufenthalt nicht mit einer Hirnwäsche herausgehen wollte, durfte ich so wenig Zeit wie möglich in der Bude verbringen. Ich verließ das Haus und kam, wenn alle schlummerten. Nächstes Mal wieder Hotel! 😉

Allerlei skurrile Erlebnisse? Ja! Aber es gab auch viel Schönes, sonst würde ich nicht seit 2013 übersetzen!

Frau mit schulterlangen blonden Haaren und grauen Strähnen, blauen Augen, Brille und grauem Mantel

Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen und vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert. Sie erstellt Texte in Leichter und Einfacher Sprache für NS-Gedenkstätten, Museen, politische Parteien und Gesundheitsbehörden. In den Sprachrichtungen Französisch-Deutsch und Englisch-Deutsch übersetzt Andrea vor allem im Bereich Wein.

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