Letztes Jahr bekam ich von einem Kunden folgendes Feedback: “Vielen Dank für die ausgezeichnete Übersetzung. Wir hätten aber noch eine Bitte: Könnten Sie etwas mehr Abwechslung in die Leichte Sprache bringen? Uns ist aufgefallen, dass bestimmte Wörter sehr oft vorkommen …” Nein, kann ich nicht!
Leichte Sprache: gleiche Wörter für gleiche Dinge
Es ist wichtig, dass du in Leichter Sprache darauf achtest, leichte Wörter zu verwenden. Einmal gewählte Wörter für Personen oder Gegenstände solltest du beibehalten, also konsequent benutzen.
In den Regeln des Netzwerks Leichte Sprache e. V. heißt es: “Benutzen Sie immer die gleichen Wörter für die gleichen Dinge.”
Für Menschen, die nicht auf Leichte Sprache angewiesen sind, klingt der in Leichte-Sprache-Texten verwendete Wortschatz oft wenig abwechslungsreich. Eine Tram zum Beispiel heißt immer “Tram” und nicht auch “Straßenbahn”, “Bahn” oder “öffentliches Verkehrsmittel”.
Wird in einem Text eine Person einmal als “Autor”, dann als “Schriftsteller”, anschließend als “Hamburger”, “Preisträger” oder “40-jähriger” bezeichnet, ist für die Zielgruppe Leichter Sprache nicht klar, dass es sich dabei jeweils um dieselbe Person handelt.
Leichte Sprache: Vorsicht vor Pronomen
Vorsicht ist für Übersetzer*innen und Texter*innen, die mit Leichter oder stark vereinfachter Einfacher Sprache arbeiten, auch bei Pronomen geboten. Insbesondere das Pronomen “sie” hat es in sich. Es kann für mehrere Personen (Gruppe von Frauen, Gruppe von Männern, Gruppe mit verschiedenen Geschlechtern …) oder aber nur für eine Person stehen:
Stefanie hat mit ihren Freundinnen eine Reise in die Bretagne unternommen.
Sie hat dort ein Haus gemietet. (sie = Stefanie)
Sie haben dort viele Wanderungen gemacht. (sie = Stefanie und die Freundinnen)
Sie waren sehr schön. (sie = die Wanderungen)
Die Reise war ein tolles Erlebnis.
Sie hat 10 Tage gedauert. (sie = die Reise)
Während Leser*innen, die nicht auf Leichte Sprache angewiesen sind, kein Problem damit haben, Pronomen Substantiven zuzuordnen, ist dies für die Zielgruppe Leichter Sprache nicht so einfach. Auf die Pronomen der 3. Person Singular und Plural (sie, er) wird in Leichter Sprache daher weitgehend verzichtet.
In standarddeutschen Texten dienen verschiedene Bezeichnungen nicht nur dazu, einen Text abwechslungsreicher zu gestalten. Sie liefern auch zusätzliche Informationen:
Die Skulptur wurde von dem Manfred Müller gestaltet. Der Bildhauer arbeitet vor allem mit Materialien aus der Natur. Seine Inspirationen bezieht der 50-jährige aus seinen vielen Reisen nach Afrika, wo er einen Großteil des Jahres verbringt. Ansonsten lebt der gebürtige Münchner in Berlin.
Leichte Sprache: Prinzip der Textökonomie greift nicht
Zugrunde liegt dabei das Prinzip der Textökonomie. Das heißt, durch Bezeichnungen, wie “Münchner” oder “50-jähriger”, werden weitere Infos zu Manfred Müller platzsparend in den standarddeutschen Text “eingestreut”. In Leichter Sprache ist dies so nicht möglich. Hier könnte es zum Beispiel heißen:
Manfred Müller hat die Skulptur gemacht.
Manfred Müller ist Bildhauer.
So nennt man eine Person,
die Skulpturen macht.
Manfred Müller ist viel in der Natur.
In der Natur hat Manfred Müller die Ideen für seine Skulpturen.
Manfred Müller ist 50 Jahre alt.
Er wurde in München geboren.
Manfred Müller ist sehr oft in Afrika.
Und er hat auch eine Wohnung in Berlin.
Die Folge: Leichte-Sprache-Texte wirken nicht nur monotoner und weniger abwechslungsreich. Sie sind auch erheblich länger, so die gleiche Zahl an Informationen vermittelt werden soll.
Bedenkenlos verwenden kannst du Pronomen, mit denen Personen direkt angesprochen werden (“du”, “Sie”, “ihr”), sowie “wir”.