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Als Deutsche während der Corona-Krise in Frankreich (Teil 3)

Auswanderer in der Bretagne

Tag 4 als Übersetzer und Texter in der französischen Corona-Krise

Auf 12 Uhr gepolt

19.03.: Am Morgen ist Mathe angesagt. Gott sei Dank rechnet mein Tee-Nager gern!

In der Zeit schaffe ich etwa 800 Wörter. Gerade als ich mitten im Flow bin, schallt es: “Hunger!!!”

In Frankreich aufgewachsene Kids sind essensmäßig auf 12 Uhr gepolt, da kann Mama übersetzen wollen, was sie will …

“Was hältst du davon, wenn DU heute das Essen machst?”

Dank knurrenden Magens ist mein Pubertier kooperativ und meint: “Okay! Aber nur wenn ich Bratkartoffeln machen darf.”

Ich richte ihr das Gemüse raus. Eine Stange Lauch und ein paar Karotten sollen auch rein. Damit ist sie erst einmal eine Weile beschäftigt …

Eine Stunde später ruft Töchterchen stolz wie Bolle zum Essen. Noch ein paar Gewürze drüber und es schmeckt ausgezeichnet.

Am Nachmittag darf sie zur Belohnung Videos schauen, bis um Punkt 16.30 Uhr der Ruf ertönt: “Was gibt’s zum Goûter?”

Gemeinsam schnippeln wir Obstsalat.

Kochen während der Coronakrise in Frankreich

Die Bratkartoffelpfanne von Pubertier

Mutation zur Leseratte

Dann verschwindet Pubertier ins eigene, zugegebenermaßen winzig kleine Zimmer und Mama sitzt wieder über ihrer Übersetzung zu Luftfiltersystemen am PC. Heute mal auf Yogamatte und Yogakissen auf dem Boden. Ob ich die einzige Übersetzerin bin, die so arbeitet? Keine Ahnung! Ein paar Kollegen übersetzen gern am Stehpult. Ich finde es so für meinen Rücken am bequemsten.

Nach zwei Stunden schaue ich zu meiner Tochter.

“Mama, ich hab meine Bücher sortiert! Ich hab einen ganzen Stapel, den ich noch nicht gelesen hab.”

Halleluja! Ob die Corona-Krise aus meiner Tochter noch eine Leseratte macht?

“Schau mal, das Buch hab ich doch letztes Jahr von deiner Freundin Sunita bekommen. Kannst du mir heute Abend daraus vorlesen?”

Nach dem Abendessen (es gibt die Reste der Kartoffelpfanne) und danach Kompott machen wir es uns gemeinsam in unserem Sitzsack bequem und ich lese ihr eine Stunde aus dem von ihr auserwählten Buch vor.

Tag 6 als Übersetzer und Texter in der französischen Corona-Krise

Mit unserem ersten Passierschein unterwegs

20.03.:  Am Morgen habe ich mehrere Rezepte vom Französischen ins Deutsche zu übersetzen. Meine Tochter spielt derweilen mit ihrem tierischen Babysitter auf der Terrasse und erledigt danach ein paar Hausaufgaben.

Nach dem Mittagessen füllen wir heute zum ersten Mal einen Passierschein aus. Was kreuzt man an, wenn man in die Grundschule der Tochter muss, um dort ein paar Unterlagen für den Übertritt einzuwerfen?

Sportliche Betätigung? Nein! Na ja, okay, wenn wir die 3 km joggen oder per Nordic Walking zurücklegen, vielleicht …

Einkäufe? Betreuung abhängiger Personen? Definitiv nein. Wir sind kreativ und fügen ein Kästchen hinzu.

Mit unserem Zettel bewaffnet machen wir uns auf den 3 km langen Fußmarsch quer durch Pornichet. Autos begegnen uns unterwegs kaum.

Frühling während der Ausgangssperre in Frankreich

Die Magnolienbäume blühen schon …

Nach einem extrem verregneten Winter herrscht seit Beginn der Ausgangssperre schönstes Wetter. Die Vögel pfeifen, die Bäume blühen … Sehr viele Leute halten sich in ihren Gärten auf, legen Beete an, schneiden Büsche, jähen Unkraut. Manche streichen auch ihre Fassade. Da die Häuser fast alle sehr niedrig sind, ist die problemlos mit einer Leiter möglich. Ein, zwei Personen führen auch ihre Hunde aus. Ich meine Tochter.

Nach etwa einer halben Stunde kommen wir an der Schule an. Der richtige Briefkasten ist schnell gefunden. Ich werfe den Umschlag ein und bemühe mich, dabei nichts mit den bloßen Händen anzufassen. Vielleicht hat sich ja doch irgendwo ein Virus festgesetzt.

Wir wollen nicht abgeknutscht werden!

Dann lasse ich meine Tochter über den Rückweg entscheiden. Zurück geht es über ein Neubauviertel. Vorbei am Haus eines Klassenkameraden, der mit seinem Stiefvater im Garten werkelt. Der Junge ist häufig sehr spontan und fällt meinem Pubertier gern um den Hals … Ich bete, dass er uns nicht sieht. (Sein Garten hat keinen Zaun, der ihn aufhalten könnte …) Tatsächlich ist er so sehr damit beschäftigt, irgendwelche Zweige in einen Anhänger zu stapeln, dass er uns nicht bemerkt. Meine Tochter, die sowieso keine Lust hat, von ihm abgeknutscht zu werden, verhält sich absolut ruhig.

Vor der nahegelegenen Kirche fällt sie allerdings wie eine völlig erledigt Diva fast schon filmreif auf eine Parkbank: “Ich kann nicht mehr!”

Ja, 6 km zu Fuß sind für ein Pubertier wirklich viel zu viel … Das kann ich jetzt wirklich verstehen … Äh nicht …

Corona-Pandemie in Pornichet

Plage de Bonne Source in Pornichet

Tag 7 als Übersetzer und Texter in der französischen Corona-Krise

Vorstellung ist alles

21.03.: Nach einem ausgiebigen Frühstück (“Iss, Mädchen, heute Mittag koche ich nichts!”) bin ich mit einem Blogartikel beschäftigt, in dem zwei Kolleginnen in Italien berichten, wie es ihnen während der Corona-Krise geht.

Am Nachmittag telefoniere ich etwa eine Stunde mit meinem Stiefvater, der gerade dabei ist, seinen Gemüsegarten in Bayern wiederzubeleben. Die letzten Jahre war er per Rad, Fuß und Wohnwagen sehr viel in Europa unterwegs und hatte ihn eigentlich fast aufgegeben. 2020 ist ob Corona so viel Selbstversorgertum wie möglich angesagt und bei dem schönen Wetter lässt sich das schon mal vorbereiten.

Danach habe ich Lust auf Bewegung. Da ich derzeit weder Platz noch Geld für ein Laufband habe, geht’s mit Blick Richtung Süden auf die Terrasse. So kann ich ein großes Stück unserer Straße überblicken, die sich vor meinen Augen einen Hang hochzieht, auf dem nicht ganz so fitten Radfahrern durchaus die Puste ausgeht.

“Was machst du da?”

In dieser Position jogge ich etwa 20 Minuten auf der Stelle, bis meine Tochter rauskommt: “Was machst du denn da?” “Ich jogge!” Pubertier prustet vor Lachen, stellt sich mir dann gegenüber. Wir halten uns beide an den Händen und laufen etwa weitere zehn Minuten auf der Stelle.

Anschließend ist es Zeit fürs Goûter. Heute gibt es Orangen mit in Butter geschwenkten Dinkelflocken.

Am Abend begeben wir uns gemeinsam mit Nordwind, Ostwind, gefährlichen Ungeheuern und rauschenden Bächen in unseren Sitzsack. Ein neues Ritual ist entstanden!

Als Deutsche während Corona in der Bretagne

Strahlend blauer Himmel in Pornichet

Tag 8 als Übersetzer und Texter in der französischen Corona-Krise

Zum Entdecker werden

22.03.: Kinder, die sich langweilen, mutieren zum Entdecker. Heute wurde mal in meinen Sachen gewühlt. “Mama, können wir da mal was anschauen?” Ich blicke von meinem Stern auf: “Was hast du denn entdeckt?” Schon steht Pubertier mit einem Stapel Videos vor mir. Die meisten noch originalverpackt und längst vergessen. Alles Filme rund um den Zweiten Weltkrieg.

“Bist du sicher, dass du das anschauen willst?” “Ja, Hitler und Pétain haben wir schon in der Schule gehabt. Und Anne auch!” “Anne?” “Na, die Anne mit F …” Mein Groschen braucht eine Weile. Dann verstehe ich, dass sie Anne Frank meint.

Einige der Filme sind erst ab 16. Mein Pubertier ist (fast) 11. Schließlich schauen wir uns Mein Führer an. Eine Hitlerparodie. Ja, ich weiß, nicht jedermanns Sache. Ich aber mag den Film. Natürlich muss ich zwischendurch immer mal wieder was erklären, merke jedoch auch, dass da schon einiges in der Schule durchgenommen wurde.

Und wieder kocht das Muttertier

Danach – ihr habt es erraten – bin ich mal wieder am Kochen. Pubertier hängt abermals der Magen in den Kniekehlen. Dabei ist der Kühlschrank schon fast leer. Mit zwei Tomatendosen, Lasagneblättern und etwas geriebenem Emmentaler zaubere ich eine Lasagne.

Tee-Nager ist erst einmal gesättigt, stellt aber um 16.30 Uhr voller Entsetzen fest, dass rein gar nichts mehr da ist, was auch nur im Entferntesten als Goûter herhalten könnte: “Mama, du musst morgen unbedingt zum Einkaufen!”

Als Übersetzer in der Bretagne

Les Jaunais in Saint Nazaire (an der Grenze zu Pornichet)

Tag 9 als Übersetzer und Texter in der französischen Coronakrise

Futter fassen

23.03.: Aufgrund der gähnenden Leere in meinem Kühlschrank komme ich nicht drumherum, irgendwo Futter zu fassen. Da ich nicht umsonst losziehen will, mache ich mich auf der Website meines Bioladens schlau. Wie vermutet haben sich dessen Öffnungszeiten durch die Coronakrise geändert. Mittags schließt er jetzt für zwei Stunden, in denen die Regale aufgefüllt werden.

Während ich vormittags Rezepte übersetze, hängt mir mein Tee-Nager alle zehn Minuten in den Ohren: “Maaaaaaaaaaamaaaaaaaaa, wann gehst du einkaufen?”

Lasagne

Mittags verspeisen wir den letzten Rest Lasagne vom Vortag. Um 15.30 Uhr mache ich mich mit Passierschein, Auto, Einkaufskorb und zwei riesigen reißfesten Plastiktüten Richtung Bioladen auf. “Huch, gar kein Parkplatz mehr! Das kann ja heiter werden.”

Vor dem Laden steht eine Schlange von etwa fünf Leuten. Zwischen den einzelnen Personen jeweils mindestens 2 m Abstand. Vor dem Geschäft außerdem einer der Verkäufer. Er nimmt die Einkaufswägen der Kunden in Empfang, die ihre Lebensmittelbeschaffung hinter sich haben, und desinfiziert sie. Jedes Mal, wenn ein Kunde den Laden verlässt, winkt er außerdem einen aus der Warteschlange herbei. Der darf dann seine Händchen hinhalten, auf die er etwas Desinfektionsmittel versprüht.

Nach etwa 20 Minuten Wartezeit bin ich an der Reihe. Im Laden dürfen sich nur etwa zehn Kunden gleichzeitig aufhalten. Die meisten außer mir tragen einen selbst gebastelten Mundschutz. Ein paar haben sich auch mit Plastikhandschuhen ausgerüstet. Die Mehrzahl ist alleine da. Lediglich ein etwas älteres Ehepaar irrt zu zweit durch die Reihen. Fast alle halten Abstand. Nur eine Dame in meinem Alter scheint dies nicht notwendig zu finden.

Als Texterin und Übersetzerin am Atlantik

Das Meer haben wir schon wochenlang nicht mehr gesehen

Mehl, aber kein Backpulver

Nach 40 min ist mein Einkaufswagen proppenvoll. Mehr geht nicht rein! Ja, ich gebe zu, ich habe wesentlich mehr gekauft als sonst. Ich will fortan nämlich nur noch maximal alle zwei Wochen einkaufen gehen. Und Pubertier hat Hunger!

Von den meisten Produkten ist genügend da. Was komplett fehlt, ist Backpulver. Von Mehl gibt es nur noch ein paar Packungen. Die Butterauswahl ist geringer, aber ausreichend. Käse gibt es kaum, Kompott nur die teureren Marken. Auch das Schokoregal ist (fast) leergekauft. Milch- und Sojaprodukte gibt es von bestimmten Firmen nicht mehr, dafür ist jedoch von anderen genügend da.

An der Kasse wechsle ich ein paar nette Worte mit der hinter Plexiglas abgeschirmten Verkäuferin. Ich bin Stammkundin. Man kennt sich also. Dann muss ich erst einmal mein Auto umparken. Da vor dem Laden nichts mehr frei war, als ich kam, stehe ich auf der Straße. Der Weg ist jedoch zu abschüssig, als dass ich diesen mit einem vollen Einkaufswagen hinunterlaufen könnte. (Schon mal probiert und für nicht gut befunden …)

Ich lasse ihn also oben stehen, hole mein Auto und lade alles ein.

Der Desinfektionsposten

Inzwischen hat der Desinfektionsposten gewechselt. Die Ablöse nimmt es mit dem Putzen wesentlich weniger genau. Von Freundinnen erfahre ich später jedoch, dass manche Geschäfte in Frankreich gar nicht desinfizieren.

Zu Hause ist dann erst einmal gründliches Händewaschen angesagt. Zur Sicherheit gleich zweimal hintereinander. Dann wird ausgepackt, umgetütet, in Gläser und Plastikbehälter abgefüllt und wieder und wieder die Hände gewaschen.

16.30 Uhr: “Mama! Was gibt’s zum Goûter?”

Ich glaube, ich schaffe sämtliche Uhren im Haus ab. Brauchen wir nicht mehr. Haben ja den Magen von Tee-Nager. Der ist zuverlässiger als jede Zeitansage.

Am Abend sehen wir uns wieder einen Film an. Dieses Mal fällt die Wahl auf Operation Walküre.

Dann fällt mir auf: Beim Einkauf habe ich das Klopapier vergessen. Das kann auch nur mir passieren!

Als Deutsche während Covid-19 in der Bretagne

Tee-Nager und ich während besserer Zeiten in Piriac

Tag 10 als Übersetzer und Texter in der französischen Corona-Krise

Mama macht ein Referat …

24.03.: Vormittags werden wieder Rezepte übersetzt. Danach muss Homeschooling sein. Da wir die Hausaufgaben die letzten Tage total vernachlässigt haben, schwitzen wir den ganzen Nachmittag über einem Referat. Nein, falsch. Es schwitzt v. a. Mama. Selbst mir als Ex-Lehrerin ist kaum klar, was eigentlich erwartet wird. Die Vorgaben fallen sehr spärlich aus.

Wie 10-jährige das allein oder mit akademisch weniger bewanderten Eltern bewerkstelligen sollen, keine Ahnung. Jedenfalls brauche ich als ehemalige Deutschlehrerin fast sechs Stunden, um ein poppeliges 20-Minuten-Referat zu erstellen. Anschließend wird es abgetippt und der Lehrkraft zugeschickt. Ob das so ungefähr passt oder ob wir noch andere Aspekte beleuchten sollen? Die Kollegin ist beeindruckt: “Wow! Geht doch, wenn Klervi sich auf den Hosenboden setzt.” Äh, soll ich jetzt wirklich sagen, aus wessen Hosenboden das stammt? Vielleicht irgendwann demnächst. Beim nächsten Referat oder so. Homeschooling soll es ja noch länger geben …

Danach wieder kochen und weiter im Jugendbuch.

Tag 11 als Übersetzer und Texter in der französischen Corona-Krise

Homeschooling kann uns mal

25.03.: Wieder trudeln Hausaufgaben ein. Also wenn die jetzt meinen, dass ich während Corona zum Vollzeitlehrer mutiere, haben die sich aber geschnitten. Mit den acht Stunden vom Vortag habe ich die nächste Zeit mein Soll erfüllt! Schließlich muss die Kohle für das Essen, das Pubertier täglich vertilgt, ja auch irgendwo herkommen.

Heute stelle ich eine Übersetzung für einen Winzer fertig.

Pubertier hängt vor dem PC. Zwischendurch werden tatsächlich freiwillig ein paar Matheaufgaben für die Schule gelöst. Mit der Korrektur bin ich in Mathe schon in Jahrgangsstufe 6 überfordert.

Waaaaaaaaaaaas? Das Referat soll jetzt auch noch illustriert werden und braucht Zwischenüberschriften? Sind meine Zwischenüberschriften als solche nicht erkennbar oder was?

Nachmittags ist Chillen in der Sonne angesagt. Ich beschließe, mich von keinen Lehrern mehr stressen zu lassen. Wir lesen beide auf der Terrasse und dann bepinseln wir gemütlich unsere Zehennägel. Bis Pubertier wieder Hunger hat.

Deutsche Auswanderer in Frankreich

Plage de Sainte Marguerite, Pornichet

Tag 12 als Übersetzer und Texter in der französischen Coronakrise

26.03.: Den Tag verbringen wir mit Schlafen, Kochen, Essen, Facebook, Videospielen, Lesen … Alles andere kann uns mal!

Die Epidemie verbreitet sich rasant. An unserer Kante sind etwa 150 000 Pariser eingefallen. Dabei haben wir ganzjährig auf unserer Halbinsel nur 140 000 Einwohner. Mittlerweile weiß ich von zehn französischen Bekannten, dass sie infiziert sind. Alle davon sind zu Hause, haben aber immer wieder Atemprobleme und teils auch Panikattacken.

Ich beschließe: Das Biest kriegt uns auf keinen Fall!

Tag 13-15 als Übersetzer und Texter in der französischen Coronakrise

Wir lesen jetzt was anderes

27.03.-29.03.: Die Klassenlektüre war uns zu langweilig. Daher haben wir sie in Absprache mit der Lehrkraft durch eine andere ersetzt. Stattdessen lesen wir jetzt eine Comic-Fassung von Anne Franks Tagebuch. Meine Tochter ist begeistert, die Lehrkraft auch, alle zufrieden.

Am Wochenende kommen einige kürzere Eilübersetzungen rein. Normalerweise arbeite ich am Wochenende nie, aber da jetzt eh alle Tage irgendwie gleich sind …

Die Übersetzungsagentur freut’s und ein paar Kröten mehr schaden nicht. Einer meiner Kunden, ein Winzer, bietet sich an, mir ein paar Kisten Wein zu schicken. Hätte ich da ablehnen sollen?

Tag 16 als Übersetzer und Texter in der französischen Coronakrise

Nein, das Tempolimit wurde nicht abgeschafft

30.03.: Durch das viele Sitzen schwellen mir die Beine an. Tee-Nager will nicht raus, wird aber zu einem Spaziergang zwangsverpflichtet. Wir machen uns nach “Pornichet-City” auf. Liegt gerade noch in dem seit kurzem vorgesehenen maximalen Radius (1 km, insgesamt 1 Stunde).

Heute ist ganz schön was los! Manche Fahrer verwechseln unsere Straße außerdem mit einer Autobahn. Könnte man jedenfalls meinen. Ausgangssperre heißt ja eigentlich nicht, dass das Tempolimit innerorts abgeschafft wurde, weil man nur noch halb so viel Fußgänger überfahren kann.

In die Bretagne auswandern

“Pornichet-City” bei der Eröffnung eines neuen Spielplatzes 2019

Zu kurz geraten

Am Marktplatz angekommen sondiere ich die Lage im Tabac. Davor ein Schild: Maximal drei Personen. Wie ich von draußen sehen soll, wie viele Kunden schon drin sind, ist mir allerdings schleierhaft. Die Schiebetür öffnet sich. Es scheint ziemlich leer zu sein. Wie immer befinden sich mein Stern und mein Spiegel ganz oben in der Auslage. Irgendwie bin ich für deutsche Presse 15 cm zu kurz geraten, schaffe es aber dann doch noch, mir beide Zeitschriften aus dem Ständer zu holen, ohne sie zu zerfetzen.

Jetzt nur noch zahlen und wieder ab nach Hause. Meiner Tochter, die vor dem Laden wartet, nehme ich auch noch was zu lesen mit.

Dann geht’s wieder heim. Kochen und Rechnungen schreiben. Umsatzmäßig war der Monat März okay. Ich hoffe, es bleibt so.

Als Deutsche in Frankreich

Als wir noch an den Strand durften …

Tag 17 als Übersetzer und Texter in der Corona-Krise

Im Flow

31.03.: Am Morgen muss ich für einen Kunden eine Datei aktualisieren. Danach habe ich keine Aufträge mehr und verbringe den Tag mit dem Schreiben eines Blogartikels zu Leichter Sprache: 5 Strukturen, die in Leichter Sprache nichts verloren haben.

(Für alle, die es noch nicht wissen: Ich arbeite auch im Bereich barrierearme Kommunikation.)

Da ich im Flow bin, fällt das Mittagessen flach. Kids von Künstlern, Schreiberlingen usw. haben es halt manchmal schwer. Nachdem meine Tochter merkt, dass sie heute mit keinem warmen Essen rechnen kann, schmiert sie sich ein Brot und haut sich danach noch einen Joghurt rein.

Am späten Nachmittag müssen wir in die Schule abdüsen. Die nächsten Aufgaben abholen. Tinte haben wir nämlich nicht mehr. Die Lehrerin meiner Tochter hat sie daher ausgedruckt und in der Eingangshalle auf einem Tisch deponiert.

Die Aussicht, noch mehr Arbeit zu haben, wirkt sich eindeutig negativ auf die Laufmotivation von Pubertier aus. Man schleppt sich etwa 500 m hinter mir in Richtung Schule. Hoffentlich werden wir nicht kontrolliert!

 

Als Deutsche während der Ausgangssperre in der Bretagne

Frühling während der Ausgangssperre

“Maaamaaaaaaa!!!”

Wieder zu Hause: “Maaaaaaaaaaaaamaaaaaaaaaaa, ich versteh die Fragen zu Napoleon nicht!!!!!” “Lass mal sehen …”

Arghhh! Ich hab auch keinen Plan, was die von uns wollen. Allmählich geht mir das Homeschooling echt auf die Nerven. Beruhigt stelle ich auf Facebook fest, dass es nicht nur mir so geht. Ein österreichischer Vater, der mit dem Nachwuchs zu Hause sitzt, weil seine Frau einen systemrelevanten Job hat, ist auch dem Wahnsinn nah. Wir telefonieren kurz. In der Zwischenzeit beschließt sein Sohn, sich im Wiener März mit dem Gartenschlauch abzuspritzen …

Eine andere Bekannte, ebenfalls alleinerziehend, dreht auch am Rad. Sie soll zu Hause in Telearbeit einem Vollzeitjob nachgehen und gleichzeitig einen Erstklässler betreuen. Willkommen im Club! Da bin ich doch gleich froh, dass ich nur Referate schreiben darf … Halt, stopp! Einen Plural wird es nicht geben, es bleibt hier ganz klar bei einem Referat. Ich bekam übrigens eine Eins dafür. Just saying.

“Maaaaaaaamaaaaaaaaaa! Wie lange dauert das hier mit der Ausgangssperre noch?”

“Bis zu deinem 18. Geburtstag!”

“Maaaaaaaamaaaaaaaaaa!”

Für die Zeit nach Corona trage ich mich mittlerweile ernsthaft mit Internatsgedanken. Mein Soll ist dann erstmal erfüllt.

Du hast die anderen Teile meines Corona-Tagebuchs verpasst?

Corona-Tagebuch Teil 1

Corona-Tagebuch Teil 2

Folge 4 meines Corona-Tagebuchs kannst du hier lesen.

Zu Folge 5 geht es hier.

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Fotos: © Andrea Halbritter

 

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