Leichte Sprache verzichtet fast vollständig auf Nebensätze. Kausale Nebensätze sollten in Leichter Sprache nicht vorkommen. Wie aber verdeutlicht man in Leichter Sprache dann kausale Zusammenhänge? Wie löst man standarddeutsche Satzgefüge, also Verbindungen von Haupt- und Nebensätzen, auf, bei denen eine kausale Relation vorliegt?
Kausale Relation bedeutet: Für ein Ereignis, einen Sachverhalt … wird ein Grund angegeben. Zwischen Haupt- und Nebensatz besteht ein Verhältnis von Ursache und Wirkung. Während der standarddeutsche Nebensatz die Ursache benennt, enthält der Hauptsatz die Wirkung. Meist wird der Nebensatz dabei nachgestellt:
Frau Meier hat sich ein Bein gebrochen, weil sie auf der glatten Straße ausgerutscht ist.
Er kann jedoch auch vor dem Hauptsatz stehen:
Weil Stefanie Fieber hat, kann sie heute nicht in die Schule gehen.
Eingeleitet werden kausale Adverbialsätze mit der Konjunktion weil oder da.
Leichte Sprache: Auflösung von kausalen Nebensätzen
Im Gegensatz zu anderen Arten von Nebensätzen kannst du untergeordnete Sätze, die einen Grund angeben, in Leichter Sprache sehr einfach auflösen.
Chronologische Perspektive zur Verdeutlichung von Kausalität in Leichter Sprache
In Kausalkonstruktionen tritt die Ursache stets vor der Wirkung ein. Der Grund für ein bestimmtes Ereignis, eine bestimme Entscheidung … ist als erstes da.
Zur Auflösung von Nebensätzen, die eine Kausalität angeben, bietet sich daher vor allem eine chronologische Perspektive an. Das heißt: Übersetzer*innen für Leichte Sprache wählen eine Lösung, bei der es möglich ist, den Grund als erstes zu nennen.
Für die obigen Beispiele in schwerer Sprache ergeben sich in Leichter Sprache bei einer chronologischen Perspektive folgende Möglichkeiten:
Auf der Straße war es sehr glatt.
Deswegen ist Frau Meier ausgerutscht
und hat sich ein Bein gebrochen.
Stefanie hat Fieber.
Deshalb geht sie heute nicht zur Schule.
Bisweilen liest man in Leichter Sprache auch chronologische Auflösungen, bei denen deshalb und deswegen fehlen:
Stefanie hat Fieber.
Sie geht heute nicht zur Schule.
Dies halte ich nicht für ideal. Insbesondere Menschen mit einer mittelgradigen geistigen Behinderung tun sich schwer, kausale Zusammenhänge herzustellen, wenn diese nicht explizit benannt werden.
Mit meinen Prüfer*innen mache ich zwar die Erfahrung, dass Sätze ohne Nennung der Pronominaladverbien deswegen oder deshalb bei bestimmten Ereignissen durchaus verstanden werden. Dies dürfte aber vor allem dann der Fall sein, wenn Leser*innen mit einer geistigen Behinderung bereits ähnliche Erfahrungen gemacht haben, also zum Beispiel schon auf einer glatten Straße gestürzt sind.
Handelt es sich aber um komplexere Zusammenhänge von Ursache und Wirkung, mit denen die Betroffenen selbst noch nicht konfrontiert wurden, sieht dies schon anders aus.
Meiner Meinung solltest du die inhaltlichen Zusammenhänge immer explizit versprachlichen. Also: Deswegen oder deshalb in den Text schreiben. Ist schnell gemacht, nimmt wenig Platz weg und stellt sicher, dass wirklich alle den kausalen Zusammenhang erfassen!
Ein anderer Vorteil der chronologischen Perspektive ist, dass Menschen mit geistigen Einschränkungen Texte, die Ereignisse chronologisch schildern, generell besser verstehen. Deswegen ist es bisweilen die Hauptarbeit eines Übersetzers für Leichte Sprache, bei sogenannten schweren Texten erst einmal eine chronologische Reihenfolge herzustellen und sich zu überlegen: Was ist als erstes passiert, was als zweites usw.? In vielen auf Standarddeutsch verfassten Texten geht es nämlich “kunterbunt durcheinander”, was manchmal auch dazu führt, dass bestimmte Texte auch von Menschen ohne eine geistige Behinderung nicht auf Anhieb verstanden werden.
Mir persönlich geht es bei schlecht geschriebenen Bedienungsanleitungen immer mal wieder so. Erlebt hast du das bestimmt auch schon!
Auflösung von Kausalsätzen mit einer informationsstrukturellen Perspektive
Neben der chronologischen Perspektive ist eine zweite möglich. Dabei handelt es sich um die sogenannte informationsstrukturelle Perspektive, bei der zuerst die Wirkung genannt wird und dann erst die Ursache beziehungsweise der Grund:
Stefanie bleibt heute zuhause.
Sie geht nicht in die Schule.
Sie hat Fieber.
Frau Meier ist ausgerutscht.
Dabei hat sie sich ein Bein gebrochen.
Auf der Straße war es sehr glatt.
Einen expliziten Bezug zwischen Ursache und Wirkung kannst du hier durch nämlich oder Der Grund dafür ist herstellen.
Stefanie bleibt heute zuhause.
Sie geht nicht in die Schule.
Sie hat nämlich Fieber.
Frau Meier ist ausgerutscht.
Dabei hat sie sich ein Bein gebrochen.
Der Grund dafür ist:
Auf der Straße war es sehr glatt.
Mischform in Leichter Sprache bei zwei oder mehr Wirkungen
Im letzten Beispiel sind zwei Wirkungen vorhanden. Hier scheint mir auch möglich:
Frau Meier ist ausgerutscht.
Der Grund dafür ist:
Auf der Straße war es sehr glatt.
Jetzt hat Frau Meier ein gebrochenes Bein.
Auflösung von Kausalsätzen in Leichter Sprache: Zusammenfassung
Mir persönlich scheint die chronologische Perspektive häufig die bessere. Es kommt jedoch auch vor, dass ich zuerst die Wirkung und dann erst die Ursache benenne. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass wir Expert*innen für Leichte Sprache noch über ein zusätzliches Mittel verfügen, mit denen wir für die gute Verständlichkeit der von uns erstellten Übersetzungen sorgen: Leichte-Sprache-Bilder.
Erstellen Übersetzer*innen für Leichte Sprache Texte nach den Regeln des Netzwerks Leichte Sprache e. V., greifen sie immer auch auf Leichte-Sprache-Bilder. Diese unterstützen das Textverständnis erheblich. Geeignete Illustrationen tragen in Kombination mit leicht formulierten Sätzen dazu bei, dass kausale Zusammenhänge verstanden werden.
Mehr über Leichte-Sprache-Bilder erfährst du auf meinem Blog in folgenden Texten:
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