Die Übersetzer*innen-Round-ups dienen auch dem gegenseitigen Kennenlernen und dem Networking unter Sprachmittler*innen. Über die Round-up-Themen stimmt die Community auf Facebook ab. Klar das Rennen gemacht hat dieses Mal die Frage Welchen Beruf würdest du ausüben, wenn du nicht Übersetzer*in wärst? Gestellt habe ich sie fünf Kolleg*innen und natürlich erfährst du auch, welche Tätigkeit mit zu meinen Favoriten gehört.
6 Traumberufe von Übersetzer*innen
#1 Die verhinderte Tierärztin
Meine Ausbildung habe ich in Heidelberg absolviert, danach habe ich 13 Jahre in Paris in internationalen Wirtschaftskanzleien und Industriebetrieben gearbeitet, bevor ich 1995 nach Deutschland zurückkam.
Mein ursprünglicher Berufswunsch war es – Tierärztin zu werden. Doch meine profunden Kenntnisse der Mathematik – um es einmal vorsichtig zu formulieren – bescherten mir einen Notendurchschnitt, mit dem ich recht viel Geduld hätte aufbringen müssen, bis ich einen Studienplatz ergattert hätte …
Ein geplatzter Jugendtraum also? Nicht wirklich:
Zunächst einmal studierte ich Übersetzungswissenschaften – mich faszinierte die sprachliche Kommunikation unter den Völkern. Privat galt mein Interesse der Verhaltensbiologie. Hier wälzte ich Fachliteratur, besuchte Seminare zum Hunde- und Katzenverhalten, legte Prüfungen in der Hundeschule ab und stellte der Leiterin der Hundeschule (sie ist Tierärztin mit Schwerpunkt Verhaltensberatung, Fachautorin und eine gefragte internationale Referentin) immer wieder viele Fragen.
Und eines Tages organisierte diese Hundeschule eine Fortbildung für deutsche Tierärzte und die Referentin war eine amerikanische Verhaltensforscherin. Es musste eine Übersetzung der Seminarunterlagen her – welcher Teil des Gehirns ist für welches Verhalten zuständig, wie geht man mit einem Deprivationssyndrom um? Damit hatte ich mich längst beschäftigt, also übernahm ich den Auftrag!
Der Kreis schließt sich. Bis zum nächsten Auftrag schreibe ich in meiner Freizeit Hundebücher und Blogartikel.
#2 Die Übersetzerin mit Traumberuf Archäologin
Ich war circa 10 Jahre alt, als ich anfing, mich für das antike Griechenland zu begeistern. Ich träumte davon, eines Tages diese wunderbaren Stätten im Mittelmeerraum zu besichtigen und als Archäologin weiter zu erforschen.
Leider bekam ich eine sehr konservative Lehrerin gleichzeitig für Französisch, Latein und Altgriechisch, die auf eine sehr langweilige Weise unterrichtete. Besonders ihr Unterricht in Altgriechisch entmutigte mich sehr schnell. Die Sprache erschien mir viel zu kompliziert.
Da ich lebende Sprachen dagegen schon fast mühelos erlernte, entschied ich mich für ein Studium der Übersetzungswissenschaften. Ein Studium der Archäologie hätte ich im Übrigen auch aufgrund anderer Umstände nicht absolvieren können.
Heutzutage begleitet mich das Thema Archäologie immer noch in meiner Freizeit. Ich lese in diesem Bereich sehr viel und auf meinen Reisen verpasse ich keine archäologische Stätte.
Noch heute denke ich mir: Ich hätte Archäologin werden sollen. Tagelang den Sand von Fundstücken zu „pinseln“ und mich über die kleinsten Scherben zu wundern wäre genau mein Ding gewesen!
Stattdessen durchforste ich als Übersetzerin das Internet, um für meine Übersetzungen die richtigen Begriffe zu finden. Hat durchaus auch etwas!
#3 Nach dem Übersetzen Handarbeiten in der Teestube
Ich war vor langer, langer Zeit, Kontorsionistin, das heißt, ein Schlangenmensch, jemand, der sich biegt und knotet (siehe Titelfoto). Ich war 5, als ich mit dem Training angefangen habe, 12 als ich erstmals auf der Bühne stand und mit 24 habe ich damit aufgehört. Für mich war dies damals mein Leben und mein Traum war es, auf einem Trapez durch die Luft zu schweben. Das habe ich auch verschiedene Male gemacht!
Aber irgendwann muss man zurück auf den Boden und nach einer anderen Arbeit Ausschau halten. Auf vielen Umwegen bin ich dann zum technischen Übersetzen gekommen. Technische Übersetzungen sind nun quasi seit 28 Jahren mein Traumberuf! Ich kann mir kaum einen anderen Beruf vorstellen, der mir so viel bietet wie dieser. Ich liebe es, die Freiheit zu haben, meine Zeit so einzuteilen, wie ich es will (naja, meistens). Mit fast jedem Auftrag lerne ich etwas Neues und kenne durch meinen Beruf sehr viele interessante Leute.
Falls ich jemals in Rente gehe, möchte ich eine kleine Teestube besitzen, in der Leute gemütlich lesen und dabei Handarbeiten ausüben können … und einfach die Seele baumeln lassen.
#4 Statt Reisejournalistin Tourismusübersetzerin
Bereits als Kind hatte ich den Drang zu schreiben. Und so verfasste ich schon ab dem Alter von 6 Jahren erste Kurzgeschichten, die teils auch abgedruckt wurden. Mit 17 Jahren kam dann die Leidenschaft fürs Reisen hinzu, nach dem Abitur war ich mehrere Monate mit dem Rucksack in Frankreich unterwegs, mit 21 auch die Fotografie.
Mein Traumberuf war Reisejournalistin oder Reisebuchautorin. Meine Eltern sahen dies als wenig lukrativ an und so studierte ich Deutsch und Französisch fürs Lehramt. Unterrichtet habe ich über 20 Jahre durchaus mit Begeisterung und helfe auch seit 2021 wieder an einer Schule aus. Zum Schreiben habe ich vor allem durch das Übersetzen zurückgefunden. Seit 2012 habe ich mehrere Reiseführer vom Französischen ins Deutsche übertragen, seit 2021 arbeite ich tatsächlich auch an einem eigenen Reiseführer. Ich hoffe, dass er 2023 das Licht der Welt erblickt!
#5 Traumjob Fahrdienstleiter bei der Bahn
Die Antwort auf die Frage Welchen Beruf würdest du ausüben, wenn du kein Übersetzer wärst? könnte für mich klarer nicht sein: Fahrdienstleiter bei der Eisenbahn!
Von der Eisenbahn war ich schon als kleiner Bursche sehr fasziniert – und noch im Vorschulalter war der Eisenbahnfahrplan mein beliebtestes Buch.
Was mich so sehr an der Eisenbahn fasziniert? Vielleicht der Geruch von Dampf, vielleicht das Fernweh und die Sehnsucht nach Reisen. Und vielleicht ist es das Bahnsystem als Ganzes. Es ist ja auch für einen Erwachsenen faszinierend genug, wie viele Menschen am Bahnverkehr beteiligt sind, wie viele top-moderne Technologien zum Einsatz kommen und was für ein gründlich konstruiertes und stark vernetztes System die Eisenbahn ist.
Meinen Kindertraum, Fahrdienstleiter zu werden, erfüllte ich mir durch mein Universitätsstudium (Eisenbahnwesen) und durch einen Fachkurs. Ich ging jedoch noch weiter und darf mich mit dem Titel Diplom-Ingenieur schmücken.
Auch Übersetzen ist meine Leidenschaft! In vielen Teilbereichen und Spezialisierungen bei der Bahn kenne ich mich mehr als gut aus – in anderen kenne ich die Problematik eher oberflächlich. Trotzdem beherrsche ich die Terminologie für das jeweilige Übersetzungsprojekt sehr schnell.
Aus dem Fahrdienstleiter ist ein Bahnexperte geworden. Als sachkundiger Übersetzer und Dolmetscher nehme ich am liebsten Eisenbahnthemen an.
#6 Die Übersetzerin, die Kamerafrau werden wollte
Als Kind fand ich im Fernsehen die TV-Kameras faszinierend, die damals noch mit diesen fließenden Bewegungen durchs Bild glitten, rauf und runter, vor und zurück. Gleichzeitig wurmte es mich, dass man nie Frauen dahinter sah. Also stand für mich fest, ich werde Kamerafrau! Dieser Beruf erschien meinen Eltern wenig einträglich, daher rieten sie mir davon ab.
In der Schule begeisterte ich mich fürs Theater, also wollte ich Schauspielerin werden und viele Rollen interpretieren. Wieder riet man mir davon ab, zu wenig einträglich! Okay, gelesen hab ich auch schon immer gern und daher stand nach dem Deutsch-LK und Abitur fest, ich will was mit Deutsch machen. Aber was? Fremdsprachen erlernen fiel mir leicht und Schriften fand ich auch faszinierend, daher interessierte ich mich für Orientalistik. Und erneut kam das Argument: zu wenig einträglich! Tja, so wurde ich Literaturübersetzerin aus dem Italienischen und Französischen. Hm, wie war das noch mit “zu wenig einträglich”?!?
Dafür habe ich inzwischen alle meine Wünsche mit meinem aktuellen Beruf vereint – ich stehe mit Veranstaltungen zum Übersetzen zur Sichtbarmachung von Kolleg*innen auf der Bühne und seit zwei Jahren filme ich das auch für einen Youtube-Kanal. Geht doch!
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