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Wie du als Übersetzer*in deine Produktivität steigern kannst

übereinandergestapelte Steine in Flusslauf

Du bist Übersetzer*in und möchtest weniger arbeiten oder aber bei gleichem Zeitaufwand mehr Geld verdienen? Dann ist dieser Artikel für dich wie gemacht! Wenn du weiterliest, erfährst du von fünf erfahrenen Übersetzer*innen, wie du deine Produktivität steigern kannst: für mehr Umsatz oder mehr Freizeit als Sprachmittler*in.

Tipps, mit denen du deine Produktivität als Übersetzer*in steigern kannst

 

#1 Zeitersparnis durch Spezialisierung

 

Übersetzerin Jacqueline Breuer beim Dolmetscheinsatz

Jacqueline rät für mehr Produktivität zur Spezialisierung

Jacqueline Breuer arbeitet seit fast 40 Jahren als Übersetzerin und Dolmetscherin. Ihre Muttersprachen sind Deutsch und Französisch, ihre Arbeitssprachen Englisch, Portugiesisch und Italienisch. Spezialisiert ist die in Hameln lebende Sprachexpertin auf die Bereiche Schienenfahrzeugbau, Ur-/Umform-, Füge- und Trenntechnik, Chemie/Gefahrstoffmanagement.

Man kann als Übersetzer*in noch so viele – durchaus nützliche – technische Apps einsetzen, in der persönlichen Wirtschaftlichkeitsanalyse wird letzten Endes die Tiefe der Spezialisierung stets das Zünglein an der Waage bleiben. Kolleg*innen der sog. kleinen Sprachen werden laut VETO rufen, was allerdings nicht gerechtfertigt ist. Die Rückmeldungen aus der Industrie belegen, dass unabhängig von der Sprache „Expert*innen aus dem Fach“ händeringend gesucht werden. Man kann sich als Sprachmittler*in in einem Bereich richtig gut spezialisieren und davon enorm profitieren, ohne auf seine „Generalistenader“ verzichten zu müssen.

Fakt ist, die Spezialisierung beschleunigt in mehrfacher Hinsicht den Übersetzungsprozess nachhaltig. Man verliert weniger Zeit bei der „Vokabelsuche“, beim Sich-schlau-Lesen, um den Kontext erst noch zu verstehen, unter Umständen kann man sogar in einem „Rutsch“ übersetzen, weil Vokabular wie auch Kontext vertraut sind, Abkürzungen der Branche kein Verständnishindernis sind und last but not least kein „zeitfressendes Rückarbeiten“ anfällt, weil man hinten im Text plötzlich doch noch DIE Vokabel gefunden hat. Hand aufs Herz: Wie oft haben wir als Übersetzer*innen wertvolle Zeit mit „Suche/Ersetzen“ (und damit einhergehenden Anpassungen in Genus/Kasus/Numerus der Adjektive oder der Verbform) verbraten? Bei 2 Seiten ein Klacks aber bei 580 Seiten?! Noch eklatanter wird die Zeitersparnis beim Übersetzen von Materiallisten mit > 40.000 Positionen zum Beispiel für eine SAP-Datenbank. Hier wird der Suchaufwand mangels fundiertem Kontextwissens schlichtweg zum Übersetzermartyrium, von der Unwirtschaftlichkeit einmal abgesehen. In der Kombi App und Spezialisierung liegt der Wirtschaftlichkeitsvorsprung für Übersetzer*innen, egal ob kleine oder große Sprache. Möglicherweise ist die Spezialisierung in einer kleinen Sprache am Ende sogar von noch größerem Nutzen.

 

 

#2 Sieben Arten, als Übersetzer*in produktiver zu werden

 

Übersetzerin Andrea Halbritter

Andrea braucht zum Übersetzen vor allem eine ruhige Umgebung

Ich, Andrea Halbritter, arbeite in der Sprachrichtung Französisch-Deutsch in den Bereichen Tourismus, Wein und Fassbau, Kunst und Gesundheit. Außerdem bin ich vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert und erstelle Texte in Leichter und Einfacher Sprache. In barrierefreier Kommunikation bin ich auf politische Teilhabe, Kunst, Patienteninformationen und Erinnerungskultur spezialisiert. Ich lebe im Großraum Nantes und Augsburg-München.

Wie Jacqueline bin ich der Meinung, dass du deine Produktivität als Übersetzer*in vor allem durch eine Spezialisierung boosten kannst. Zusätzlich helfen mir folgende Dinge, um beim Übersetzen effektiver zu sein: ein CAT-Tool (ich persönlich arbeite mit memoQ), ein Wochenplan, auf dem ich für jeden Tag eintrage, wie viele Wörter ich mindestens von einer Sprache in eine andere übertragen muss, wobei die Wortzahl je nach Projekt durchaus variieren kann. Während einige Sprachmittler*innen mit Musik oder in Co-Working-Spaces arbeiten, benötige ich absolute Ruhe, um als Übersetzerin gut arbeiten zu können. Gerade bei schwierigen Übersetzungen oder bei Texten, an denen sehr am Stil gefeilt werden muss, ist dies überaus wichtig für mich.

Essenziell sind auch Pausen, in denen du als Sprachmittler*in deine Gehirnzellen lüften kannst. Ich verbinde sie gern mit einem Gang zum Briefkasten, auf die Post oder an den Strand. (Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich den Großteil des Jahres am Meer verbringe.) Manchmal auch einfach nur mit dem Aufhängen von Wäsche im Vorgarten … Danach geht es in alter Frische mit dem Übersetzen weiter! Damit ich motiviert bin und nicht ins Prokrastinieren kommen, nehme ich nur Übersetzungsaufträge an, die mich wirklich interessieren. Am Produktivsten bin ich als Übersetzerin, wenn ich zu den Zeiten arbeite, zu denen ich aufgrund meines eigenen Biorhythmus am meisten leisten kann. Welche Zeiten das sind, sollte jede*r Sprachmittler*in für sich selbst herausfinden. Manche Übersetzer*innen sind morgens am produktivsten, manche abends oder sogar nachts … 

Viele Übersetzerkolleg*innen arbeiten außerdem mit Dragon Naturally Speaking und anderen Tools, um ihre Produktivität zu boosten. Ich persönlich setze bisher noch kein Tool zur Spracherkennung ein.

 

#3 Tipps für mehr Konzentration beim Übersetzen

 

Übersetzerin Cassandra Scott

Cassandra Scott: “Das A und O für Übersetzer*innen ist die Konzentration!”

Schottin Cassandra Scott übersetzt vom Deutschen und Französischen ins Englische. Die Arbeitsgebiete der Freiberuflerin sind medizinische Übersetzungen (zum Beispiel Ernährungswissenschaft, klinische Studien) sowie Luxusgüter und Tourismus.

Für Produktivität im Übersetzungsbereich ist es meiner Meinung nach das Wichtigste, dass man sich als Sprachmittler*in zu 100 % auf seine Aufgabe konzentriert. Meine Produktivität als Übersetzerin steigere ich oft, indem ich während der Nacht oder in den frühen Morgenstunden arbeite. Ich schaffe dann ein größeres Übersetzungsvolumen, weil es weniger Störungen gibt: ich arbeite, während der Rest der Welt still ist. Es gibt für mich als Sprachexpertin keine E-Mails und Anfragen zu beantworten, keine Anrufe entgegenzunehmen und kein Abendessen zu kochen.

Die Umgebung am Bildschirm zu kontrollieren ist während des Übersetzungsvorgangs ebenfalls wichtig. Man kann zwar nicht unbedingt kontrollieren, was um einen herum in einem Büro oder zu Hause passiert, aber den eigenen Bildschirm können Übersetzer*innen immer kontrollieren. Ich schließe alle Fenster und Reiter, die ich nicht unbedingt für die Arbeit benötige, stelle mein Telefon auf lautlos und lese E-Mails nur zu vorher festgelegten Zeiten. Wer als Übersetzer*in produktiv arbeiten will, sollte auf keinen Fall das E-Mail-Fenster ständig offen lassen!

Außerdem schreibe ich auf, wie viele Wörter ich pro Stunde übersetzen muss. Jede Stunde halte ich inne und passe das Ziel an. Ich habe als Übersetzerin ein klares Ziel, das ich erreichen will, und ich habe eine gute Vorstellung davon, wie lange die Aufgabe dauern wird. Indem ich das Ziel auf ein Blatt Papier schreibe, ist das so, als würde ich mir selbst ein Versprechen geben. Ich habe festgestellt, dass ich mein Ziel viel häufiger erreiche, wenn ich es von Hand aufschreibe.

Manchmal wenn es mir schwer fällt, mich zu konzentrieren, wende ich die Pomodoro-Technik an. Ich stelle mir einen Timer, zum Beispiel für 25 Minuten, und übersetze, bis der Alarm klingelt. Dann mache ich eine kurze Pause (5 bis 10 Minuten) und fange wieder an. Die Art und Weise, wie man als Sprachmittler*in eine Pause verbringt, ist ebenfalls wichtig für die Produktivität. Wenn ich eine Pause vom Übersetzen mache, versuche ich, etwas mit meinen Händen oder meinem Körper zu tun. Das heißt zum Beispiel kochen, den Geschirrspüler ausräumen, Sport treiben oder ein Computerspiel spielen. Das Wichtigste ist, dass man sich eine Zeitlang Abstand gewinnt von Wörtern und Übersetzung.

#4 So spart man bei beglaubigten Übersetzungen Zeit und gewinnt an Produktivität

 

Julia Sämann

Julia Sämann arbeitet an Möglichkeiten, den Aufwand für das Projektmanagement zu reduzieren

Übersetzerin Julia Sämann lebt in Leipzig und hat sich auf die Bereiche Recht, Urkunden und Immobilien spezialisiert. Sie ist beeidigt und übersetzt in den Sprachrichtungen Katalanisch-Deutsch sowie Spanisch-Deutsch.

Ein Schritt zu mehr Produktivität, den wohl alle Übersetzer*innen kennen, ist die Spezialisierung. Ist man als Sprachmittler*in auf ein Fachgebiet spezialisiert ist, wird der Rechercheaufwand immer geringer und alles geht leichter von der Hand. Meine Spezialisierung liegt in der Urkundenübersetzung. Unter anderem mag ich, dass die Aufträge meist nur ein paar Seiten umfassen, da mir dies eine gewisse Flexibilität bietet. Da es sich meist um Privatkund*innen handelt, liegt im kleinen Auftragsumfang allerdings auch der große Nachteil: Der mit den Übersetzungsaufträgen verbundene administrative Aufwand ist vergleichsweise hoch. Bei mir kommen monatlich im Schnitt 60 Aufträge zustande. Hinzukommen die Anfragen, die nicht bestätigt werden. Ein sehr großer Anteil meiner Arbeitszeit als Übersetzerin ist dem Projektmanagement gewidmet und da liegt es nahe, zu überlegen, wie man dieses optimieren und straffen kann.

Derzeit bin ich dabei, einen Teil der Arbeiten, die für mich als Übersetzerin rings um Privatkundenaufträge anfallen, zu automatisieren. Wie das geht? Ich lasse mir einen Onlineshop bauen, der mir diese Aufgaben abnimmt. Kund*innen suchen sich die Urkunde, deren Übersetzung sie benötigen im Shop, sehen sofort den Preis und können die Übersetzung im Falle einer positiven Kaufentscheidung direkt online bestellen. Während des Bestellvorgangs muss der Scan der Urkunde hochgeladen und die Übersetzung auch direkt bezahlt werden. Meine Hoffnung ist, dass so für Standardübersetzungen die drei E-Mails, die ich momentan pro Auftrag durchschnittlich schreibe, überflüssig werden und auch die Prüfung des Zahlungseingangs wegfällt. Geplant ist, dass der fertig bezahlte Auftrag mit dem dazugehörigen Dokument bei mir als Sprachmittlerin ankommt und ich mich voll und ganz aufs Übersetzen konzentrieren kann.

Der Shop ist natürlich erstmal mit einer größeren Investition und viel Arbeit verbunden, aber wenn er dauerhaft dafür sorgt, dass ich nur noch 10 % meiner Arbeitszeit für die administrative Auftragsabwicklung aufwende, zahlt sich das für mich als Übersetzerin auf lange Sicht aus. Ende 2021 soll der Shop online gehen. Ich werde berichten, ob sich meine Hoffnungen erfüllen und an welchen Stellen ich gegebenenfalls nachjustieren muss.

 

#5 Online-Tools gegen Prokrastination beim Übersetzen

 

Übersetzerin Alexandra Jordan

Alexandra rät zu Tools, mit denen sich Social Media blocken lassen

Alexandra Jordan ist freiberufliche Übersetzerin und Lektorin. Sie lebt bei Köln und übersetzt aus dem Englischen und Italienischen ins Deutsche. Spezialisiert hat sich die Freelancerin auf Games, Literatur und Marketing-Texte. 

Für freiberufliche Übersetzer*innen gibt es jede Menge Tools, die helfen, produktiver zu arbeiten: CAT-Tools, Spracherkennungsprogramme, Rechtschreibprüfungen und so weiter. Man setzt sich morgens ausgeruht und mit einem Kaffee an den Schreibtisch, öffnet alle relevanten Programme für den Arbeitstag, nimmt einen Schluck aus der Tasse, checkt mal eben kurz Facebook … und beim nächsten Blick auf die Uhr sind zwei Stunden vergangen, die Arbeit ist nicht weniger geworden, aber immerhin ist man jetzt Expertin oder Experte im Backen von Einhorntorten.

So oder so ähnlich geht es mir als Übersetzer*in beinahe jeden Tag ­­­– ich bin viel zu gerne und viel zu viel auf Social Media unterwegs und lasse mich davon ablenken. Ich habe mir also überlegt, wie ich meinen Tag „formatieren“ kann, wie ich ihn möglichst effizient gestalten kann. Neben festen Arbeitszeiten (es gibt also einen „Arbeitsblock“ und einen „Alles-andere-Block“) ist vor allem die Pomodoro-Methode mein treuer Begleiter geworden. Sie teilt meinen Tag als Sprachmittler*in in 25-Minuten-Sprints ein. Nach jedem Sprint folgt eine Pause von fünf Minuten und nach insgesamt vier Sprints eine Pause von 15 Minuten. Es gibt viele verschiedene Anbieter und Varianten: mit oder ohne Hintergrundgeräusche, „Study with me“-Videos auf YouTube, die dieser Methode folgen und beispielsweise 50 Minuten arbeiten und dann zehn Minuten Pause machen. Wer also schon immer mal im Gryffindor-Gemeinschaftsraum arbeiten möchte, kann das problemlos tun.

Die zweite App, die mir als Übersetzer*in dabei hilft, konzentriert zu arbeiten und produktiver zu sein, ist die Chrome-Erweiterung „StayFocusd“. Nutzer*innen legen URLs und einen Countdown fest und das Programm misst, wie viel Zeit man beispielsweise auf Facebook verbracht hat. Nach Ablauf der Zeit werden die genannten Seiten gesperrt. Änderungen an der maximal erlaubten Zeit oder den Seiten sind dann erst wieder am nächsten Tag möglich. Natürlich hat die App auch so ihre Schlupflöcher, aber wer dazu neigt, sich einfach immer mehr Zeit zu geben, kann mit der Nuclear Option einfach sofort alle blockierten Seiten sperren … und dann zum Prokrastinieren den Haushalt angehen.

 

Zusammenfassung: wie du als Übersetzer*in deine Produktivität steigern kannst

Pomodoro-Technik, Tools, die Social Media blocken, Spracherkennungsprogramme, eine ruhige Umgebung, als Übersetzer*in auf den eigenen Biorhythmus hören … Es gibt viele Arten und Weisen, wie Sprachmittler*innen ihre Produktivität boosten und effizienter sein können. Das Wichtigste jedoch ist die Spezialisierung … und in den meisten Gebieten auch der CAT-Tool. Wie du den richtigen findest, erfährst du in diesem Round-up: 9 Übersetzer*innen verraten, welche CAT-Tools sie empfehlen und welche sie meiden

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Fotos: © Andrea Halbritter, Jacqueline Breuer, Cassandra Scott, Julia Sämann, Alexandra Jordan

 

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