Übersetzer und Übersetzerinnen gibt es viele, wirklich gute Übersetzer aber nur wenige. Was aber macht einen wirklich guten Übersetzer bzw. eine wirklich gute Übersetzerin aus? Und woran erkennt man eine gute Übersetzung?
In Teil 1 dieses Blogartikels verraten dir 8 Sprachmittler, was für sie einen guten Übersetzer ausmacht. In Teil 2 erzähle ich dir, an welchen sechs Punkten du eine gute Übersetzung erkennst.
Was macht einen guten Übersetzer aus?
#1 Ein guter Übersetzer ist spezialisiert
Odilon Dubost übersetzt vom Deutschen und Englischen ins Französische und arbeitet auch als Konferenzdolmetscher. Beheimatet ist der französische Muttersprachler zwischen Heilbronn und Heidelberg. Seine Spezialgebiete sind Technik, Gastronomie und Sport.
Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Um ein guter Übersetzer zu sein, reicht es nicht, eine Fremdsprache zu beherrschen. Man muss sich auch mit dem Thema gut auskennen, sich regelmäßig weiterbilden und immer neugierig bleiben. Je „besser“ ein Übersetzer ist, desto spezialisierter ist er.
Ein „guter Übersetzer“ in einem Bereich kann aber in einem anderen Bereich auch eine mittelmäßige Übersetzung abliefern, weil er sich weniger in dieses Thema eingearbeitet hat. Das bedeutet wiederum nicht, dass er ein schlechter Übersetzer ist. Es ist nur ein Zeichen, dass der Übersetzer sich in seinem Fachgebiet auskennt und weniger in anderen. Man wird vergibt keinen Kaufvertrag an einen Übersetzer, der sich auf Medizintechnik spezialisiert hat.
Klar muss man als Übersetzer auch Spaß an seiner Arbeit haben: aus Erfahrung kann ich sagen, dass ein langweiliger Text schlechter übersetzt wird als ein interessanter Text. Und was interessant und langweilig ist, ist für jeden Übersetzer unterschiedlich, das ist das Gute! Es ist für jeden etwas da.
Also kurz gesagt: Spezialisierung und Spaß an der Sache und dann ist man gut in dem, was man macht. Und wenn man gut ist, ist es auch einfacher, hohe Preise zu verlangen und diese zu erhöhen.
#2 Ein guter Übersetzer passt sich an die Bedürfnisse seines Kunden an
Ilka Waßmann übersetzt aus dem Chinesischen und Italienischen ins Deutsche und ist auch als Dolmetscherin und Sprachtrainerin tätig. Die Spezialgebiete der in Osnabrück ansässigen Diplom-Übersetzerin sind chirurgische Instrumente, Medizintechnik, Nahrungsmittel und Recht.
Das Bedürfnis des Kunden muss auch das Bedürfnis des Übersetzers sein. Ich arbeite überwiegend für Direktkunden. Als gute Übersetzerin muss ich in der Lage sein, aus Kundensicht mitzudenken. Wenn beispielsweise ein Text für eine Messebroschüre übersetzt werden soll und ich sehe, dass auch der Ausgangstext Fehler enthält, zücke ich nicht den Rotstift. Ich freue mich nicht, dass ich es besser weiß. Ich frage den Kunden, ob die Broschüre zweisprachig erscheinen soll und ob evtl. ein Korrektorat bzw. ein Lektorat für den Ausgangstext angebracht sein könnte.
Ein guter Übersetzer muss zuverlässig sein und sich an Termine halten. Für mich sind Termintreue und Zuverlässigkeit sehr wichtig. Denn auch darüber erarbeite ich mir das Vertrauen meines Kunden. Kunden möchten nicht nur einen “schicken” Zieltext haben, sondern auch darauf vertrauen können, dass sie absolute Planungssicherheit haben. Zuverlässige Übersetzer enttäuschen ihre Kunden in dieser Hinsicht nicht.
Ein guter Übersetzer muss an seinen Kunden echtes Interesse zeigen. Ich interessiere mich auf authentische Weise für die Produkte oder Serviceleistungen meiner Kunden und stelle Fragen, auch wenn ich diese Zeit nicht in Rechnung stellen kann: Hier ein kurzer Talk über die Dienstleistung des Kunden, da mal nachgefragt, wie der neue Produktlaunch gelaufen ist. Oder aber ein kurzer Austausch über seine Erfahrungen im Land meiner Zielsprache, das ich als Übersetzerin ja bestens kenne. Auf diese Weise vertiefe ich die Kundenbeziehung und lerne den Kunden, seine Produkte und sein spezielles “wording” noch besser kennen.
#3 Ein guter Übersetzer hat Geduld
Die französische Muttersprachlerin Bénédicte Deweerdt arbeitet mit den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Sie ist sowohl als Übersetzerin als auch als Dolmetscherin tätig. Spezialisiert hat sich die bei Lille wohnende Sprachmittlerin auf die Bereiche Engineering und Maschinenbau.
Was macht einen guten Übersetzer aus? Die meisten würden wohl als erstes Sprachtalent, Fachwissen und gute Grammatikkenntnisse nennen und wahrscheinlich werden auch andere Kollegen und Kolleginnen darüber schreiben. Damit haben sie natürlich Recht!
Daneben benötigt ein guter Übersetzer aber Geduld. Warum Geduld?
Schon beim Sprachenlernen werden Jahre benötigt, um die jeweilige Sprache gut zu beherrschen. Dasselbe gilt natürlich auch für die Muttersprache. Übersetzer werden außerdem mit jedem Projekt besser. Sie sammeln jedes Jahr Erfahrungen und erweitern ihre Skills. Von Projekt zu Projekt und von Jahr zu Jahr.
Geduld und Zeit braucht man aber auch, um ein gutes Kunden- und Kollegennetzwerk aufzubauen. Um z. B. Kunden davon zu überzeugen, dass eine Sprachspezialistin viel effizienter ist in der Übersetzung, als es ein Vertriebsleiter je sein wird. Oder davon, dass ein guter Übersetzer viel genauer und professioneller arbeitet als beispielsweise Google Translate.
Das alles braucht Zeit und Geduld. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen bestimmten Kunden. Als ich ihn das erste Mal traf, antwortete er mir: “Im Team sind wir alle zweisprachig.” Ich entgegnete darauf: “Das verstehe ich gut, aber vielleicht brauchen Sie doch irgendwann einmal meine Hilfe.” Einige Monate später erhielt ich eine erste Anfrage, dann eine zweite, eine dritte … usw. Das Team wurde dadurch auch effizienter, weil es mit Übersetzungen keine Zeit mehr verlor.
#4 Die Arbeit mit einem guten Übersetzer ist angenehm
Ein guter technischer Übersetzer baut zu seinen Kunden eine vertrauensvolle Beziehung auf. Eine langfristige Zusammenarbeit lässt sich nur so erzielen. Ein guter, zuverlässiger Übersetzer recherchiert. Er lernt nie aus, bleibt immer neugierig auf seine Fachgebiete und bildet sich beständig weiter.
Ein guter Übersetzer ist Teil eines Netzwerks von Sprachmittlern, die sich gegenseitig helfen und unterstützen: mit Arbeit, Korrektorat und Lektorat.
Ein guter Übersetzer überschätzt sich und seine Fähigkeiten nicht. Er überlegt gut, ob ein Übersetzungsprojekt wirklich in seinem Fachressort liegt, bevor er es annimmt. Er sucht immer nach den richtigen Begriffen und traut sich, Fragen bezüglich Kontext und Terminologie zu stellen. Er kann den Text so übersetzen, dass er für das Zielpublikum passt und klar verständlich ist.
Für einen guten Sprachmittler ist es extrem wichtig, den Ruf zu erlangen, zuverlässig und kompetent zu sein. Als Übersetzer muss man sich seiner eigenen Expertise bewusst sein und dies klar vermitteln. Nur so verstehen Kunden, dass man vom Fach ist und kein Billiganbieter. Wichtig ist auch, dass man immer pünktlich liefert, dass man immer höflich ist. Auf Anfragen sollte ein guter Übersetzer immer prompt antworten und nie vergessen, dass er einer von vielen Übersetzern ist und er nur dann im Gedächtnis bleibt, wenn er dem Kunden eine gute Erfahrung bietet. Nicht vergessen darf man außerdem den Spaß. Einem guten Übersetzer macht seine Arbeit Spaß!
#5 Ein guter Übersetzer sagt Nein
Ein guter Übersetzer braucht für mich v. a. den Mut zum Nein. Auch in Zeiten, in denen wenig los ist.
Er sollte z. B. Projekte ablehnen, für die die Lieferfrist zu knapp ist. Wer zu “hudeln” anfängt, völlig übernächtigt ist oder keine Zeit mehr hat, um sich seine Übersetzung durchzulesen, liefert im besten Fall mittelmäßige Qualität ab.
Nein sagen sollte ein guter Übersetzer natürlich auch zu Projekten, die nicht in seiner Kompetenz liegen. Beispielsweise weil er sich im betreffenden Fachgebiet nicht auskennt. Oder weil von ihm verlangt wird, dass er in eine Sprache übersetzt, die nicht seine Muttersprache ist.
Natürlich sollte ein guter Übersetzer auch Ausgangstexte, also zu übersetzende Texte, ablehnen, die in einer Sprache verfasst sind, die er zu wenig beherrscht. Dasselbe gilt natürlich auch für andere Skills. Immer mehr Agenturen und auch Direktkunden verlangen von Übersetzern, dass sie mit bestimmten Tools arbeiten. Ein Sprachmittler, der ein bestimmtes Tool nicht beherrscht, sollte dies klar so sagen.
Nur Übersetzer, die gelernt haben, Nein zu sagen, liefern immer gute Qualität und immer termingerecht. Weil sie sich nicht übernehmen, sondern nur Projekte annehmen, für die sie eine hochwertige Übersetzung garantieren können. Weil sie die nötigen Sprachkenntnisse haben, auf das jeweilige Fachgebiet spezialisiert sind, die Zielgruppe gut kennen und wissen, wie viele Wörter sie pro Tag übersetzen können, ohne dass die Qualität darunter leidet.
Ich persönlich nehme außerdem nur Projekte an, die mich begeistern. Entweder weil ich sie interessant oder nützlich finde oder weil sie mich sprachlich vor besondere Herausforderungen stellen.
#6 Ein guter Übersetzer weiß, wo er das perfekte Wort finden kann
Ein guter Übersetzer zu sein, heißt, eine proaktive und wissbegierige Einstellung zu haben.
Ein Sprachmittler, der hochwertige Übersetzungen liefert, beherrscht seine Arbeitssprachen ausgezeichnet, hat ein sehr gutes Allgemeinwissen und bildet sich durch ständiges Lesen und Reisen weiter. Der kulturelle Austausch mit Personen aus anderen Ländern ist für ihn sehr wichtig.
Viele halten Übersetzer für ein wandelndes Wörterbuch. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen Spezialisten der interkulturellen Kommunikation, der sich zwischen zwei oder mehreren Kulturen bewegt und der genau weiß, wie und wo er das perfekte Wort oder den perfekten Ausdruck finden kann.
Ein Übersetzer muss sich spezialisieren. Nur dadurch kann er hohe Qualitätsstandards gewährleisten. Die Wahl der Spezialgebiete sollte möglichst seinen Neigungen und Interessen entsprechen.
Ein Sprachmittler, der qualitativ hochwertige Übersetzungen bieten will, darf nur in seine Muttersprache übersetzen.
#7 Zwischen Übersetzer und Kunden muss es zu einer wirklichen Verbindung kommen
Ganz klischeehaft könnte man meinen, ein guter Übersetzer braucht kompetentes Fachwissen oder einen Master in Fremdsprachen bzw. in Übersetzungswissenschaften oder aber eine gute Kenntnis bestimmter CAT-Tools.
Ja, das hilft, aber viel wichtiger ist meiner Meinung nach die Verbindung bzw. das Verständnis zwischen Übersetzer und Kunden. Damit meine ich, dass der Übersetzer und der Kunde sich so gut kennen, dass sie beide wissen, wie der andere arbeitet und wie der andere tickt.
Übersetzungstheoretiker Lawrence Venuti spricht von „simpatico“ – damit meint er, dass der Übersetzer nicht nur mit dem Kunden gut klarkommen, ihn also sympathisch finden sollte, sondern zwischen beiden auch eine gewisse Einheit bestehen sollte.
Ein guter Übersetzer sollte genau wissen, was sein (Stamm)kunde von ihm braucht. Bei Neukunden ist das ein bisschen anders, aber ein guter Übersetzer sollte schnell mit dem neuen Kunden „simpatico“ werden. Was es dazu braucht, sind Zeit, Geduld, Mühe und die Bereitschaft zu kommunizieren.
#8 Ein guter Übersetzer verfügt über gute kommunikative Fähigkeiten
Neben hervorragenden Sprachkenntnissen in seinen Arbeitssprachen sollte ein Übersetzer sich vor allem gut in seinen Fachgebieten auskennen, sodass er von seinen Kunden als Experte wahrgenommen wird und auf Augenhöhe mit ihnen kommunizieren kann.
Er sollte dabei aber auch seine Grenzen kennen und Aufträge, die außerhalb seines Kompetenzbereichs liegen, entweder ablehnen oder den Kunden idealerweise an einen Kollegen verweisen.
Was die Fachgebiete anbelangt, so können sie bei „großen“ Sprachen, wie z. B. Englisch, auch sehr speziell sein. Übersetzer einer kleineren Sprache, wie z. B. Rumänisch, werden eher Generalisten sein.
Des Weiteren sind meines Erachtens gute kommunikative Fähigkeiten seitens des Übersetzers für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen unabdingbar: Er fragt nach, wenn etwas unklar ist, und berät seine Kunden. Zudem halte ich solide IT-Anwenderkenntnisse sowie persönliche Zuverlässigkeit und Termintreue für sehr wichtig. Ein guter Übersetzer bildet sich ständig weiter und hält sich über die neuesten Entwicklungen sowohl in der Übersetzungsbranche als auch in seinen Fachgebieten auf dem Laufenden.
6 Punkte, an denen du eine gute Übersetzung erkennst
#1 Der übersetzte Text ist idiomatisch
Einer qualitativ hochwertigen Übersetzung merkt der Leser nicht an, dass es sich bei ihr um eine Übersetzung handelt. Sie ist idiomatisch und verwendet genau die Wendungen, die ein Muttersprachler im jeweiligen Kontext benutzen würde, ohne von einer Fremdsprache beeinflusst zu sein. Bei einer guten Übersetzung kann es sich daher um keine Wort-für-Wort-Übersetzung handeln. Qualitäts-Übersetzungen geben den Text nicht wörtlich wieder. Stattdessen wirken sie authentisch. Ein professioneller Übersetzer weiß: Sachverhalte werden in unterschiedlichen Sprachen selten gleich ausgedrückt, selbst wenn haargenau dasselbe gemeint ist.
#2 Die Terminologie passt
Ganz besonders bei Fachübersetzungen spielt die richtige Terminologie eine große Rolle. Nötig sind hierfür sorgfältig gepflegte Terminologie-Datenbanken und ein entsprechendes Fachwissen. Terminologie-Datenbanken stellen sicher, dass Benennungen einheitlich erfolgen, und erhöhen die Qualität von Übersetzungen. Eine qualitativ hochwertige Übersetzung verwendet die richtige Terminologie und verwechselt z. B. nicht Totschlag und Mord.
#3 Der Stil berücksichtigt Textkonventionen
Ein guter Zieltext entsteht nicht allein durch die Verwendung der korrekten Termini. Bestimmte Textsorten unterliegen – auch was den Stil betrifft – bestimmten Konventionen. Solche Konventionen sind z. B. die Verwendung von Infinitiv oder aber die direkte Anrede. Oder aber Nominalstil und Passivkonstruktionen. Eine gute Übersetzung berücksichtigt die Textkonventionen der Zielsprache und bricht mit ihnen nicht.
#4 Die Übersetzung passt zur Zielgruppe
Eine gute Übersetzung orientiert sich an der Zielgruppe. Es ist z. B. ein Unterschied, ob ein Produkt an Teenies, an junge Erwachsene oder an Senioren verkauft werden soll. Marketingübersetzungen sprechen die Zielgruppe meist am besten an, wenn sie ihre Sprache verwenden.
#5 Der Text beinhaltet keine Verstöße gegen Sprachregeln
Eine hochwertige Übersetzung hält sich an Rechtschreib- und Zeichensetzungsregeln. Sie weist keine Verstöße gegen Satzbau oder Grammatik auf. In einem gut übersetzten Text wimmelt es also nicht vor Rechtschreibfehlern, falschen Präpositionen, Tempus-Fehlern usw. Kommata werden nicht nach dem Streuselkuchen-Prinzip über den Text verteilt, sondern befinden sich genau da, wo sie sich befinden sollen. Und nirgendwo anders.
#6 Der Inhalt ist korrekt wiedergegeben
Inhaltliche Fehler gibt es nicht. Die Übersetzung gibt den Inhalt korrekt wieder. Sie lässt nichts aus und fügt nichts hinzu.
Fotos: © Odilon Dubost, Ilka Waßmann, Bénédicte Deweerdt, Heather McCrae, Andrea Halbritter, Annalisa Piersanti, Adam Yeomans, Petra Wagner
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