Post-Editing (PE) und MTPE (Machine Translation + Post-Editing) sind in Übersetzerkreisen in aller Munde. Die Positionen zur Überarbeitung maschinell übersetzter Texte könnten unterschiedlicher nicht sein. Die einen verteufeln Post-Editing, die anderen bieten es widerwillig an und wieder andere finden es gar nicht so schlecht. Von den Übersetzer*innen in meinem Netzwerk wollte ich wissen: Bietest du als Übersetzer*in Post-Editing an? Warum (nicht)? Und wenn ja, zu welchen Konditionen? Was sind deine besten Tipps zu Post-Editing?
Gehört Post-Editing zu deinen Leistungen als Übersetzer*in?
#1 Post-Editing als Übersetzer*in? Ungern und ohne Kostenersparnis!
Für bestimmte Bereiche ist MTPE nicht sinnvoll
Für Werbetexte, audiovisuelle Übersetzung und Dialogbücher (Synchronfassung) ist MTPE nicht sinnvoll, denn Menschen sollen emotional bewegt und überzeugt werden, zum Beispiel von der Sinnhaftigkeit des Kaufs, der inneren Logik einer Geschichte oder eines Protagonisten.
Emotionen sind universell, aber kulturspezifisch. Keine KI (Künstliche Intelligenz) kann Texte so instinktsicher wie professionelle Übersetzer*innen übertragen und an den richtigen Stellen neu erfinden. Oder SEO- und Marktrecherchen durchführen, die Zielkundschaft oder den kulturellen Hintergrund der Zuschauer*innen mitdenken. Bei audiovisueller Übersetzung kommt das Zusammenspiel von Text, Ton und Bild hinzu: KI strauchelt bei textbasiertem Humor, aber Wort-Bild-Witze gehen an ihr völlig vorbei. Dazu kommen Fragen wie, ob „you“ ein „du“, ein „Sie“ oder gar ein „ihr“ ist. Ist der Film-„lawyer“ ein „Anwalt“ oder eine „Anwältin“? Ist der Satz ironisch gemeint? Antworten darauf findet nur ein Mensch, auch wenn der oft interpretieren und entscheiden muss.
Verkaufsargumente der KI halten der Realität nicht stand
Meiner Erfahrung nach halten die Verkaufsargumente für KI der Realität nicht stand: Sie sei schneller, besser und daher günstiger – doch bisher macht KI meine Arbeit weder schneller noch besser, also auch nicht günstiger. Sie hemmt meine Kreativität, verführt dazu, suboptimale Übersetzungen abzunicken und birgt das Risiko, dass ich Fehler übersehe, die mir selbst gar nicht erst passiert wären.
Übersetzung oder Transkreation, aber kein Post-Editing
Bei mir gibt es deshalb immer eine Übersetzung oder Transkreation. Wer möchte, kann mir eine maschinelle Übersetzung zwar mitliefern, aber ich behalte mir vor, sie komplett zu ignorieren und alles selbst zu übersetzen beziehungsweise zu schreiben. Es gibt keinen Rabatt für Wörter oder Sätze, die ich übernehme, denn ob sie korrekt sind und in den Gesamtkontext passen, muss ich prüfen und entscheiden. Entsprechend kostet MTPE bei mir mindestens genauso viel wie eine normale Übersetzung. Und das Training von KI, wenn diese also von mir lernt, sollte noch mehr kosten. Für die meisten Kunden ist damit das schlagende Argument vom Tisch und sie akzeptieren, dass ich ihre mitgelieferte MT ignoriere.
MT nur zum Nachschlagen von Vokabeln
Bis urheberrechtliche und datenschutzrechtliche Bedenken geklärt sind, ist MTPE nicht in meinem Interesse. Ab und zu nutze ich MT, um Vokabeln oder Formulierungen nachzuschlagen, überprüfe diese dann aber mit einer weiteren Recherche. Und wenn ein Bestandskunde auf MTPE besteht, mache ich das in Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn die zweisprachige Website mit einem Plug-in gemanagt wird, das eine MT-Funktion hat. Ich mache das ungern, denn dabei kann die KI theoretisch „gratis“ von mir lernen. Die meisten Kunden kann ich davon überzeugen, dass ich ohne MT schneller eine mindestens genauso hohe Qualität zu einem fairen Preis liefern kann.
#2 Post-Editing als Übersetzer*in: bisher selten und nur auf Stundenbasis
Als Übersetzerin kaum Anfragen für Post-Editing
Ich bekomme kaum Anfragen für Post-Editing. Dies liegt vermutlich daran, dass ich (fast) ausschließlich für Direktkund*innen arbeite. Im Weinbereich übersetze ich vorwiegend im Premiumsegment. Meine Texte sind alle von mir selbst übersetzt. Meine Kund*innen erwarten hervorragende Qualität, beschäftigen eigene Korrekturleser*innen und würden ihre Marketingtexte nicht KI anvertrauen. Als Übersetzerin vom Französischen und Englischen ins Deutsche benutze ich MT bei Weinübersetzungen nur hin und wieder, zum Beispiel wenn mir ein Begriff fehlt oder der Satzbau etwas “vertrackter” ist. In solchen Fällen schaue ich, welche Lösung mir die Maschine bietet. Manchmal liefert MT nützlichen Input, den ich nach einer Überprüfung anpasse. Meist sind die von der Maschine im Weinmarketing angebotenen Sätze nicht zu gebrauchen, so beispielsweise diese Übersetzung einer Weinverkostungsnotiz durch DeepL: “Ein Leichentuch aus kondensierten, glasierten Früchten gibt den Blick auf ein frischeres Gemüt frei.”
Als Übersetzerin zu perfektionistisch für Light PE
Post-Editing lehne ich bei fremdsprachlichen Übersetzungen nicht grundsätzlich ab. Für Light PE (nur so viele Korrekturen, dass der Text verständlich ist) bin ich aber zu perfektionistisch. Insgesamt hatte ich bisher nur zwei Post-Editing-Projekte für eine Agentur. Obwohl im selben Bereich (Gesundheitsprävention durch Luftreinigung), war die Qualität der maschinellen Übersetzung bei Text 1 gut und bei Text 2 (fast) unverständlich. Fakturiert habe ich beide Projekte nach Aufwand, wobei ich in begonnenen Viertelstunden abrechne und der Gesamtpreis maximal dem einer vollständigen Neuübersetzung entspricht. Der Ausgangstext in der Quellsprache muss mir vorliegen. Agenturen fragen nach festen Wortpreisen für Post-Editing. Von einer solchen Abrechnung rate ich ab.
Maschinenübersetzung und Leichte Sprache
In Leichter Sprache bietet KI seit Ende 2022 – je nach Bereich – passable oder desaströse Ergebnisse. Die Maschinenübersetzung muss noch überarbeitet, illustriert, in ein den Regeln entsprechendes Layout gebracht und mit einer inklusiven Gruppe geprüft werden. Bisher setze ich KI im Bereich Leichte Sprache nicht ein. Der Grund ist vor allem, dass ich in Leichter Sprache mehr texte als übersetze. Für meine Kund*innen entwickle ich in Leichter Sprache komplett neue Konzepte.
Bei einem sehr hohen Auftragsvolumen (zum Beispiel für Behörden) und kurzen Lieferfristen kann ich mir den Einsatz von MTPE für Leichte Sprache künftig auch für mich vorstellen, insbesondere wenn Auftraggeber*innen die von der Maschine vereinfachten Texte liefern und es sich um ein Gebiet handelt, auf dem KI gute Ergebnisse liefert. Oft ist die Leistung von KI in Leichter Sprache nämlich schlecht. Ein KI-Abo für Leichte Sprache ist zudem teuer und schließt geringe Zeichenmengen ein – außer die Übersetzer*innen stimmen zu, die Maschine zu trainieren. Hier sehe ich ein Datenschutzproblem.
Tipps für Übersetzer*innen, die kein Post-Editing anbieten möchten
Auch die Problematik des Urheberrechts in Zusammenhang mit dem Einsatz von KI bei der Texterstellung (und die eventuelle Erschaffung von Duplicate Content) wird aus meiner Sicht zu wenig thematisiert. Allen Übersetzer*innen, die kein Post-Editing anbieten möchten und deren Umsatz in den letzten Jahren durch KI sinkt, würde ich Folgendes empfehlen: 1. Spezialisiert euch, sucht euch eine Nische! 2. Setzt auf Direktkund*innen im Premiumbereich. 3. Bietet einen Mehrwert, den die Maschine nicht leisten kann.
In Leichter und Einfacher Sprache begleite ich Museen und Gedenkstätten bereits bei der Ausstellungskonzeption. Um mein Know-how auszubauen, absolviere ich ab September 2023 eine berufsbegleitende Ausbildung zur Museumspädagogin mit dem Schwerpunkt Inklusion.
In bestimmten Segmenten, Fachgebieten und Sprachkombis werden Übersetzer*innen in den nächsten Jahren nicht mehr um Post-Editing herumkommen.
#3 Post-Editing: eine Gratwanderung zwischen Automatisierung und Kreativität
Die Übersetzungsbranche verändert sich radikal
Die digitale Revolution hat auch die Übersetzungsbranche grundlegend verändert. Die Entwicklung von maschinellen Übersetzungen (MT) hat enorme Fortschritte gemacht und wir sind sicherlich noch lange nicht am Ende der Reise angelangt. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, Post-Editing anzubieten. Warum? Weil ich fest davon überzeugt bin, dass der Fortschritt nicht aufzuhalten ist. Und ich möchte meiner Kundschaft ermöglichen, diese Technologie für sich zu nutzen – und trotzdem eine nuancierte, verständliche und fehlerfreie Übersetzung zu erhalten.
Der zeitliche Aufwand für MTPE wird unterschätzt
Der zeitliche Aufwand für MTPE wird meiner Erfahrung nach von Agenturen und Kunden häufig unterschätzt. Hier müssen wir Sprachmittler*innen (und auch die Übersetzungsagenturen) einfach mehr Aufklärungsarbeit leisten. Denn während maschinelle Übersetzungen meist praktisch keine Rechtschreibfehler enthalten, müssen inhaltliche Aspekte besonders sorgfältig geprüft werden. Es kommt durchaus vor, dass die MT-Engine ein bedeutungsschweres Wort wie „nicht“ einfach unterschlägt – und damit den Sinn eines Satzes vollkommen verändert. Auch die korrekte Platzierung von Formatierungstags und die ordnungsgemäße und kontextabhängige Verwendung unterschiedlicher Glossareinträge stellt die Maschinen offenbar vor eine große Herausforderung. Hier für Konsistenz zu sorgen, kann sehr zeitaufwendig sein. Deshalb bevorzuge ich bei MTPE die Abrechnung nach Stunden.
Viele Textsorten sind für Post-Editing nicht geeignet
Der Nutzen von maschineller Übersetzung hängt vor allem von der Textsorte ab. Für standardisierte Inhalte wie Hilfetexte oder technische Dokumentationen kann sie äußerst effizient sein. Die Variationsmöglichkeiten bei einem Satz wie „Klicken Sie auf Einstellungen und dann auf Allgemein.“ sind doch relativ gering. Das schafft eine MT-Engine schnell und meist auch fehlerlos. Schon schwieriger wird es bei scheinbar einfachen Wörtern ohne Kontext. Soll „Open“ jetzt mit „Öffnen“ oder „Offen“ übersetzt werden? Menschliche Übersetzer*innen können einen Blick auf den mitgelieferten Screenshot werfen oder den Hinweis des Kunden berücksichtigen. Die MT-Engine stößt hier aber schnell an ihre Grenzen. Genau wie bei kreativen Inhalten mit Wortspielen, bildhafter Sprache oder Popkultur und bei Texten mit visuellem Kontext – etwa bei der Artikelbeschreibung eines Kleids oder dem Text zu einer Werbeanzeige. Hier bleiben die menschliche Intuition, Intelligenz und Kreativität unverzichtbar.
Übersetzer*innen müssen Stärken und Schwächen von KI erkennen
Für uns Sprachmittler*innen ist es wichtig, die Stärken und Schwächen der maschinellen Übersetzung zu erkennen und MTPE als eine Möglichkeit zu betrachten, um qualitativ hochwertige, präzise und kulturell angemessene Übersetzungen zu liefern. Die Zukunft wird zweifellos eine spannende Kombination aus Technologie und menschlichem Fachwissen bringen.
#4 Übersetzer*innen sollten Engines als neue Werkzeuge verstehen und nutzen
Maschinenübersetzung als neues Werkzeug von Übersetzer*innen
Ich biete Post-Editing an. Das hat mehrere Gründe:
Ich sehe Maschinenübersetzung, wie Google Translate oder DeepL, oder auch KI-Anwendungen, wie ChatGPT oder AlephAlpha, als neue Werkzeuge in meinem Berufsfeld. Ich bin Profi, also muss ich mich mit neuen Werkzeugen beschäftigen. Man stelle sich vor, ich hätte zu Beginn meiner Selbstständigkeit 1998 darauf bestanden, weiter mit der Schreibmaschine zu arbeiten oder das Internet nicht zu nutzen – undenkbar. Meine Auffassung von meinem Beruf ist die einer Sprachexpertin, die ihrer Kundschaft hilft, zu guten Lösungen zu kommen. Dabei muss ich in der Lage sein, auch die Vor- und Nachteile von Maschinenübersetzungen mit Nachbearbeitung („Post-Editing“) zu erläutern.
Zertifikatskurs Maschinenübersetzen
Im November werde ich beim SDI München einen Zertifikatskurs Maschinenübersetzen absolvieren. Ich bin davon überzeugt, dass viele Firmen davon profitieren könnten, sich ihren eigenen MT-Engine zu kaufen oder zu mieten und diesen dann mit sorgfältig kuratierten Texten aus der eigenen Firma zu betreiben. In der technischen Dokumentation oder auch in meinem Feld – juristische Übersetzungen im Business- und Finanzbereich – sind viele Texte recht repetitiv. Mit guter MT lässt sich der Durchsatz steigern, ohne bei der Qualität oder der Vertraulichkeit Abstriche zu machen. Die Tendenz speziell von Jurist*innen, sich für Übersetzungen kritiklos bei den (fast) kostenlosen Amateur-Tools zu bedienen, sehe ich als sehr problematisch. Ich finde, dass man schon in dem Moment, in dem man einen Text an einen Online-Engine schickt, seine Geheimhaltungsvereinbarung verletzt.
Maschinen verstehen Texte nicht
Ein Hochleistungscomputer kann riesige Datenmengen viel besser und schneller durchsuchen und auswerten als ein Mensch. Schon Konrad Zuse hat seinen Z1 gebaut, weil er auf diese langweilige und repetitive Tätigkeit keine Lust hatte. Aber: Auch heute noch verstehen Rechenmaschinen, egal wie leistungsfähig sie auch sein mögen, Texte nicht. Warum das so ist, war am 28. Juli 2023 sehr schön im Forbes-Magazine zu lesen: ChatGPT und Konsorten haben kein „Textverständnis“ im eigentlichen Sinne. Sie haben heute maximal das Weltwissen von Dreijährigen.
Ob ein Richter, der im Englischen das Verb „to enjoin“ benutzt, etwas auferlegen oder untersagen will, muss der verständige Mensch anhand des Kontextes entscheiden. Und ob ein „chip“ ein Halbleiter, ein Snack, ein Splitter, Teil einer Spanplatte oder die schlechte Stimmung problembeladener Mitmenschen ist („chip on their shoulder“), versteht Kollege Computer auch nicht zuverlässig. Aber er kann die verschiedenen Möglichkeiten suchen und der kundigen übersetzenden Person zur Entscheidung vorlegen.
Die maschinelle Übersetzung gehört in die Hand von Profis
Maschinelle Übersetzung und KI gehören in die Hände von Sprachprofis, die sie als Unterstützung und zur Steigerung der Effizienz sinnvoll einsetzen. Das geht aber nur, wenn wir Übersetzer*innen uns damit auskennen – und wenn diejenigen, die uns diese Aufträge erteilen, zu einer fairen Bezahlung bereit sind. Vor allem viele sehr große Übersetzungsanbieter versuchen, durch den MT-Quirl gedrehten Mist für einstellige Centbeträge pro Wort nachbearbeiten zu lassen. Die so erstellten Texte werden als „Human Translation“ weiterverkauft. Daher: Augen auf beim Übersetzungseinkauf! Niedrige Preise stehen für schlechte Qualität.
#5 Post-Editing als Übersetzer*in? Nein, danke!
Maschinen können nur eine Rohübersetzung liefern
Post-Editing gehört seit ein paar Jahren zu den am häufigsten diskutierten Themen in der Übersetzerwelt. Beim Post-Editing oder PEMT (Post-Editing of Machine Translation) liefert eine Maschine eine Rohübersetzung, diese soll „nur“ noch überarbeitet werden. In den Köpfen vieler Kund*innen sind damit wenige kleine Anpassungen gemeint. Wir Übersetzer*innen hingegen wissen, wie viel Aufwand tatsächlich anfällt.
KI erzeugt oft schwerfällige Übersetzungen
In den letzten Monaten ist es mehrere Male vorgekommen, dass ein Kunde oder eine Agentur bei mir eine Überarbeitung einer Übersetzung anforderte, die bemängelt worden war. Nach genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass die Übersetzer*innen – trotz Verbots durch den Auftraggeber – den Text mit einem Tool wie DeepL vorübersetzt und dann nur noch leicht überarbeitet hatten. Im Marketingbereich fallen solche Übersetzungen häufig durch Schwerfälligkeit auf. In Sachen Inhalt sind sie auf den Markt der Ausgangssprache ausgerichtet. Die Zielkultur wird nicht berücksichtigt, fixe Ausdrücke wörtlich übernommen, auch wenn sie im Deutschen keinen Sinn ergeben oder nicht passen.
Oft sieht die maschinelle Übersetzung nur auf den ersten Blick gut aus
Ein Beispiel: 50 000 Wörter kreativer Website-Text wurden mit einem NMT-Tool (Neuronale maschinelle Übersetzung) übersetzt. Auf den ersten Blick sah die Übersetzung gut aus, es waren keine Grammatik- oder Tippfehler vorhanden. Aber bei genauerem Hinsehen kippte der Eindruck schnell: nicht idiomatisch, nicht auf die Zielkultur zugeschnitten, viel zu viele Nebensätze …
KI denkt beim Übersetzen nicht mit
Solche Tools werden zwar immer besser, denken aber nicht mit. Das bedeutet, sie können nicht entscheiden, wann es angebracht ist, etwas wegzulassen. Sie können auch keine erklärenden Hinweise hinzufügen oder Nachfragen stellen, falls Fehler oder Unklarheiten im Ausgangstext vorhanden sind. Zudem können sie Emotionen schlecht übertragen, die Texte lassen einen kalt.
Mehrwert statt Post-Editing
Deshalb biete ich kein Post-Editing an. Natürlich bekomme auch ich immer wieder Anfragen dafür, aber diese lehne ich ab – und erkläre den Kund*innen die Gründe. Meist sind sie dann schnell bereit, eine Übersetzung von mir anfertigen zu lassen. Mit Agenturen, die sich auf PEMT spezialisiert haben, arbeite ich nicht zusammen. Im Hinblick auf die Zukunft denke ich vorläufig nicht, dass eine Maschine den Mehrwert bringen kann, den wir Übersetzer*innen schaffen. Und ich glaube, genau da liegt der Punkt: Wir müssen Mehrwert liefern.
#6 Post-Editing als Übersetzer*in? Ja, aber lieber ein gutes TM!
Post-Editing mit der MT des Kunden
Ich übersetze lieber richtig, aber ich biete auch MTPE aus dem Englischen, Norwegischen, Schwedischen, Dänischen ins Deutsche an. Für mich ist wichtig, dass die Kund*innen mit Post-Editing Erfahrung haben und wissen, was sie erwartet. Ich bevorzuge, wenn mir die Kundschaft ihre MT gibt, auch, weil ich in Norwegen nur die kostenlose Version von DeepL nutzen kann.
Post-Editing als Übersetzer*in am besten mit Stundensatz
Die meisten Agenturen möchten einen Wortpreis bezahlen, am liebsten 1 bis 2 Cent pro Wort. Sie sind der Ansicht, man müsse nur ein paar Fehler korrigieren. Und sie unterscheiden nicht zwischen den verschiedenen MTPE-Arten. Die Bezahlung sagt Light PE, die Agentur will Full PE. Ich bevorzuge einen Stundensatz, weil die meisten Agenturen keine eigene Engine benutzen, sondern DeepL. Übersetzungsagenturen versuchen, die Kosten zu senken, in dem sie MTPE anbieten. Aber das geht schnell nach hinten los, auch weil innerhalb der Agenturen die Erfahrung mit Post-Editing fehlt.
Sich die maschinell übersetzte Datei vor dem Angebot anschauen
Für Übersetzer*innen ist wichtig, die gesamte Datei vorher zu sehen. Wenn mir jemand mit NDA und Datenschutz kommt, um mir die Texte nicht zu zeigen, antworte ich mit meinem Stundensatz. Da diskutiere ich nicht weiter.
Bei Direktkund*innen habe ich erlebt, dass diese Übersetzer*innen mit einer MT einen Gefallen tun wollen. Da kann man nicht böse sein, sondern muss Aufklärung betreiben. Ein gutes TM (Translation Memory) kann sich unterm Strich mehr lohnen als MTPE.
Wer nicht übersetzen kann, sollte kein Post-Editing anbieten
Grundsätzlich denke ich, wer nicht übersetzen kann, sollte auch kein Post-Editing anbieten. Nichts ist schlimmer als eine MTPE-Übersetzung, die zum Beispiel eindeutig denglisch ist. Beim Post-Editing überliest man leicht Sachen. Und die meisten Kunden erwarten ein Full PE und kein Light PE, auch wenn sie dies nicht explizit angeben.
Als Übersetzerin beschäftige ich mich, seit ich mich 2017 selbstständig gemacht habe, mit dem Thema Post-Editing. Ich habe 2021 bei der SDI die Zertifikatskurse „Post-Editing“ und „Maschinelle Übersetzung“ absolviert. Inzwischen haben viele Übersetzer*innen das „SDL Post Editing”-Zertifikat, aber das ist nur die Theorie und gibt einen groben Überblick. Erfahrung kann es nicht ersetzen.
Nicht KI bedroht Übersetzer*innen, sondern Unwissenheit
Ich glaube weniger, dass KI unsere Arbeit als Übersetzer*innen bedroht als Unwissenheit und Fehlinformationen. Woher soll ein Laie wissen, wo die Probleme bei MT liegen? Die größte Bedrohung für Übersetzer*innen sind die selbsternannten „Übersetzer*innen“, die glauben, Schulenglisch und MT ersetzen ein Studium oder langjährige Erfahrung.
#7 (N)MTPE als Übersetzer*in? Ja, aber mit Plan!
Bei Übersetzungen Revision und Post-Editing nicht verwechseln
Bei MTPE liest beziehungsweise hört man nur wenig über das Qualitätsmanagement des (N)MTPE-Outputs. Noch seltener werden die Auswirkung auf unsere Dienstleistungsqualität oder der Einfluss auf unser bestehendes Dienstleistungsportfolio erörtert. Ein Grund dürfte sein, dass sehr viele in diesem Bereich nach dem Motto learning by doing ohne gezielte PE-Ausbildung unterwegs sind. Einer der größten Denkfehler ist, Revision mit Post-Editing zu verwechseln.
Tipps für Übersetzer*innen mit Direktkunden in der Industrie
Mein Round-up-Beitrag wendet sich an Kolleg*innen, die mit Direktkunden in der Industrie zusammenarbeiten. Vieles aus meiner Praxis lässt sich kaum auf die Zusammenarbeit mit Agenturen anwenden.
Für das Qualitätsmanagement im Zusammenhang mit (N)MTPE sind unter anderem Fähigkeit zur Risikobewertung, strategische Kompetenzen und Beratungskompetenz nötig. Darüberhinaus sollten Übersetzer*innen beim Post-Editing neben den traditionellen Kompetenzen wie Übersetzungs-, Revisions- und Recherchekompetenz über eine bilinguale Kompetenz (nicht nur Muttersprachenprinzip), Kenntnisse im Fachgebiet und „instrumentelle“ Kompetenzen (Funktionsweise von CAT- und Revisionstools sowie integrierten MÜ-Systemen) verfügen.
Diese Kompetenzen schlagen sich in Dienstleistungskompetenz und -qualität nieder. Das bedeutet unter anderem, dass Auftrag nehmende Post-Editoren*innen in der Lage sein müssen, den Bedarf des Kunden mit dem Aufbau und den Bedingungen der PE-Aufgabe sowie mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen abzustimmen, ein faires Angebot zu erstellen und einen realistischen Zeitrahmen für den Auftrag zu kalkulieren. Zur Beratungskompetenz gehört auch die Unterstützung beim Präeditieren (eine extreme Form des übersetzungsgerechten Schreibens) und bei der Erstellung von (N)MT-geeigneten Redaktionsleitfäden.
Bei Neu-Projekten, die auf bestehendes Textmaterial aufbauen, ist sinnvoll zu prüfen, ob die vorhandene Qualität angemessen ist. Qualitätsmängel müssen vorab behoben und eine Wiederholungsgefahr abgestellt werden. Hierzu müssen Post-Editoren*innen psychologisches Feingefühl besitzen und argumentativ stark sein. Redakteur*innen sind in ihre Texte verliebt! Es ist bisweilen ein mühsamer Umerziehungskampf hin zu einer extrem standardisierten, vereinfachten Ausdrucksweise, frei von Schönheitsmerkmalen, persönlichen Vorlieben und eigenem Stil, damit die Maschine verlässlich eins zu eins übersetzen kann.
(N)MTPE stellt an Übersetzer*innen ganz neue Anforderungen
Fazit: Mit (N)MTPE kommen im Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagement völlig neue Dienstleistungsanforderungen auf uns zu. Wir müssen uns von vielem, was jahrzehntelang galt, verabschieden und neue, beidseitig faire Kalkulationsmodelle entwerfen.
#8 Was bei MTPE-Aufträgen zu beachten ist
Die besten Tipps zu Post-Editing
Meine Tipps zu Post-Editing sind folgende: Berechnet zuerst euren Stundenpreis und legt diesen fest. Wenn Agenturen MTPE-Aufträge anbieten und nach Wort abrechnen wollen:
- Erste Frage: Full oder Light PE?
- Prüfen, mit welchem Tool die MT erstellt wurde (Kunden-TM, DeepL, Google Translate …) Kunden-TMs sind meist die besten.
- Einen Auszug oder eine Datei mit dem zweisprachigen Resultat zur Ansicht erbitten. (Ich schaue mir zum Beispiel an, ob Adressen übersetzt wurden … Falls ja, ist das kein gutes Qualitätsmerkmal.)
- Testen, wie viele Wörter ihr zum Beispiel in 15 Minuten korrigieren könnt.
- Fragen, welche QCs (XBench zum Beispiel) gefordert sind und wie viel Zeit dafür eingeplant werden muss.
- Abklären, inwieweit Formatierungsänderungen nötig sind. Wenn ihr zum Beispiel in einem Text mit vielen Tabellen oder Zahlen alle Dezimalpunkte gegen –kommas austauschen müsst, kann das sehr zeitraubend sein.
- Mathematisch ausrechnen, mit welchem Wortpreis ihr euren Stundenpreis erzielt.
Manchmal lohnt es sich, einen niedrigeren Preis zu akzeptieren
Weiterhin beachte ich auch, ob ich für den gleichen Endkunden Folgeaufträge bekommen werde. Wenn ja, lohnt es sich manchmal, einen etwas niedrigeren Wortpreis zu akzeptieren, denn, wenn die Agentur das TM richtig pflegt, werden die MTs im Laufe der Zeit besser und bedeuten weniger Arbeit für euch. Wenn ich bei einem Endkunden regelmäßig weniger als meinen Stundenpreis erziele, verhandele ich mit dem*r zuständigen PM.
Welche Arten von Texten sind für MT geeignet?
Bedienungsanleitungen (BDAs) und sonstige technische Texte eignen sich gut, vor allem wenn eine Terminologie für die Fachbegriffe existiert. Auch interne Anweisungen für Mitarbeitende mit sich wiederholenden Formulierungen können sich eignen.
Welche Arten von Texten sind für MT kaum geeignet?
Werbetexte, Pressemitteilungen …, wo eher freie Übersetzungen gefordert sind. Wenn die Autoren kreativ schreiben, ist MT oft überfordert, wenn die idiomatischen Wendungen oder Stilfiguren eins zu eins übersetzt werden.