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Kann ChatGPT Leichte Sprache?

Vor kurzem hat mich ein Bluesky-Follower mit folgendem Post auf dem falschen Fuß erwischt: „Sag mal, Andrea. Ich brauche beruflich Leichte Sprache, kenne mich da aber wenig aus. Kann ChatGPT Leichte Sprache? Kann ich von ChatGPT kostenlos Leichte-Sprache-Texte erstellen lassen?“

Bis zu jener Frage hatte ich ChatGPT nicht ausprobiert: weder für standarddeutsche Texte noch für vereinfachtes Deutsch, wie Einfache oder Leichte Sprache. Aber die Frage interessierte mich! Ich meldete mich bei ChatGPT an und stellte der KI mehrere Aufgaben.

Kann man Leichte-Sprache-Texte von ChatGPT schreiben lassen?

Um zu testen, ob ChatGPT Texte in Leichter Sprache schreiben kann, dachte ich mir für die Künstliche Intelligenz zwei Anweisungen aus. Nummer 1 lautete: „Schreib mir einen Artikel in Leichter Sprache zu Todesmärschen im Jahr 1945!“ und in Nummer 2 verlangte ich von ChatGPT: „Erkläre mir in Leichter Sprache, was Inklusion ist.“ Innerhalb weniger Sekunden lieferte mir die Maschine zwei kostenlose Texte.

ChatGPT-Artikel in angeblicher Leichter Sprache zu Todesmärschen

Als erstes möchte ich dir den Text von ChatGPT zum Thema Todesmärsche vorstellen:

Die Todesmärsche im Jahr 1945 – Ein dunkles Kapitel der Geschichte

Im Jahr 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, ereigneten sich in Europa tragische und grausame Ereignisse, die als „Todesmärsche“ bekannt wurden. Diese Todesmärsche waren ein dunkles Kapitel der Geschichte, das von Leid und Verzweiflung geprägt war. In diesem Artikel werden wir darüber sprechen, was Todesmärsche waren und wie sie das Leben der Menschen beeinflussten.

Was waren die Todesmärsche?

Die Todesmärsche waren lange und zermürbende Märsche, bei denen Zehntausende von KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen von den Nazis gezwungen wurden, weite Strecken zu Fuß zurückzulegen. Diese Märsche begannen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Alliierten Truppen immer näher rückten und die Nazis versuchten, ihre Verbrechen zu vertuschen.

Warum wurden die Menschen auf Todesmärsche geschickt?

Die Nazis schickten die Häftlinge auf Todesmärsche aus verschiedenen Gründen. Einer davon war, die Menschen daran zu hindern, von den Alliierten befreit zu werden und so Zeugen der schrecklichen Bedingungen in den Konzentrationslagern zu sein. Außerdem sollten viele der Häftlinge sterben, um Beweise für ihre Verbrechen zu vernichten.

Die Bedingungen auf den Märschen

Die Bedingungen während dieser Märsche waren entsetzlich. Die Menschen wurden oft ohne ausreichende Kleidung, Nahrung oder Wasser gezwungen, tagelang zu marschieren. Viele waren bereits geschwächt und krank aufgrund der unmenschlichen Bedingungen in den Lagern. Diejenigen, die nicht mehr weitergehen konnten, wurden oft erschossen oder zurückgelassen, um zu sterben.

Das Leiden der Menschen

Die Todesmärsche führten zu großem Leid und vielen Todesfällen. Die Menschen waren verzweifelt, hungrig und krank. Sie hatten Angst vor den Bewachern und wussten oft nicht, wohin sie gebracht wurden. Viele Menschen starben auf diesen Märschen an Erschöpfung, Unterernährung oder Krankheiten.

Die Befreiung

Glücklicherweise endeten die Todesmärsche, als die Alliierten immer näher kamen und die Nazis ihre Macht verloren. Die Alliierten befreiten die Überlebenden und versorgten sie medizinisch. Dies war ein Moment der Hoffnung für viele, die das Leid und die Grausamkeit der Todesmärsche erlebt hatten.

Erinnerung an die Todesmärsche

Es ist wichtig, sich an die Todesmärsche im Jahr 1945 zu erinnern, um sicherzustellen, dass solche Gräueltaten nie wieder geschehen. Diese dunkle Periode der Geschichte mahnt uns dazu, die Werte der Menschlichkeit und Toleranz zu schätzen und sicherzustellen, dass solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit niemals wieder vorkommen.

In Gedenken an die Opfer der Todesmärsche im Jahr 1945 müssen wir uns verpflichten, für eine Welt des Friedens und der Freiheit einzutreten, in der sich solche schrecklichen Ereignisse nie wiederholen.

Computerbildschirm, auf dem ChatGPT steht

Kann ChatGPT Leichte Sprache?

ChatGPT-Text in angeblicher Leichter Sprache zu Inklusion

Zu Inklusion erzeugte ChatGPT diesen Text:

Inklusion bedeutet, dass alle Menschen dazu gehören.

Inklusion ist ein wichtiges Wort. Es sagt, dass niemand ausgeschlossen sein sollte. Jeder Mensch ist wichtig. Egal, wie er aussieht oder was er kann.

Inklusion bedeutet, dass niemand benachteiligt wird.

Inklusion sagt, dass niemand schlechter behandelt wird als andere. Jeder hat die gleichen Rechte und Chancen.

Inklusion bedeutet, dass alle zusammen sein können.

Inklusion sagt, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammen sein können. Sie können zusammen lernen, spielen und arbeiten.

Inklusion macht die Welt besser.

Wenn alle Menschen zusammenarbeiten und sich respektieren, wird die Welt ein besserer Ort. Inklusion ist wichtig, damit jeder ein glückliches Leben führen kann.

 

Experiment ChatGPT und Leichte Sprache

Liefert ChatGPT mit diesen Texten wirklich Leichte Sprache?

In Text 1 fällt auf, dass die von ChatGPT erstellten Sätze viel zu lang sind. Leichte-Sprache-Sätze sind kurz, sie enthalten nur eine Aussage. Der von ChatGPT zum Thema Todesmarsch erzeugte Text besteht aus zahlreichen Nebensätzen. Teils hängen von einem Hauptsatz sogar zwei Nebensätze ab, der Satzbau ist ab und zu sogar recht verschachtelt. Leichte Sprache jedoch meidet Nebensätze. Ein Leichte-Sprache-Satz ist in der Regel eine Zeile lang und überschreitet bei Schriftgröße 14 auf keinen Fall zwei Zeilen. Der Todesmarsch-Text von ChatGPT weist 13 Nebensätze sowie zahlreiche Infinitivkonstruktionen auf. Auch letztere sind nicht barrierefrei und haben in einem Leichte-Sprache-Text nichts zu suchen.

Beim ChatGPT-Text zu Inklusion sieht es satzbaumäßig besser aus. Zwar enthält der von der KI erzeugte Text immer noch zahlreiche Nebensätze (Beispiele: „dass niemand schlechter behandelt wird als andere“; „Wenn alle Menschen zusammenarbeiten und sich respektieren“, „damit jeder ein glückliches Leben führen kann“), doch sind die Sätze kürzer als im Todesmarsch-Text.

Neben einer schwer verständlichen Syntax weisen beide von ChatGPT geschriebenen Texte auch andere nicht-barrierefreie Strukturen auf:

  • Genitivkonstruktionen: „während dieser Märsche“, „Welt des Friedens und der Freiheit“, „aufgrund der unmenschlichen Bedingungen“
  • Vorgangspassiv: „Die Menschen wurden oft (…) gezwungen“; „Warum wurden die Menschen auf Todesmärsche geschickt?“

Das in Text 1 von der Maschine gewählte Tempus ist Präteritum: „schickten“, „wussten“, „begannen“. In Leichte-Sprache-Texten sollte Vergangenes jedoch im Perfekt zum Ausdruck kommen. Präteritum ist nur bei bestimmten Verben, wie zum Beispiel sein oder geben, möglich. Zum Ausdruck der Vorvergangenheit greift ChatGPT auf Plusquamperfekt zurück: „erlebt hatten“. Ein absolutes No-Go!

Was den Wortschatz betrifft, verwendet die Engine in Text 2 fast durchgehend leichte Wörter. In dem von ChatGPT zu Todesmärschen erzeugten Artikel ist der Wortschatz komplexer. „Alliierte“ zum Beispiel ist gewiss kein leichtes Wort. Der Hauptzielgruppe Leichter Sprache müsste es erklärt werden. ChatGPT jedoch liefert keine Erklärung. Die Bedeutung wird von der KI vorausgesetzt. Auch andere schwere Wörter kommen in dem angeblichen Leichte-Sprache-Text vor: „Gräueltaten“, „Toleranz“, „Menschlichkeit“, „Unterernährung“. „Dunkel“ wird von ChatGPT im übertragenen Sinne verwendet. Auch dies entspricht nicht den Regeln Leichter Sprache. „Dunkles Kapitel“ wird von der Hauptzielgruppe Leichter Sprache nicht richtig verstanden.

 

Fazit: ChatGPT kann keine Leichte Sprache

Kann ChatGPT Leichte-Sprache-Texte schreiben? Mein Experiment sagt nein, jedenfalls nicht ohne weitere Anweisungen. Während Text 2 etwas besser gelungen ist, handelt es sich bei dem ersten von ChatGPT erzeugten Text noch nicht einmal um Einfache Sprache. Von Leichter Sprache ist die KI im obigen Versuch weit entfernt! Ob du von ChatGPT als Laie kostenlos Leichte-Sprache-Texte erstellen lassen kannst? Zum jetzigen Zeitpunkt (mein Test fand im September 2023 statt) nein! Und selbst wenn die Maschine beim Formulieren von Leichte-Sprache-Texten besser wäre: Damit wäre es noch lange nicht getan. Leichte Sprache muss zum besseren Verständnis auch illustriert werden. Das Layout unterliegt strengen Regeln und die Leichte-Sprache-Texte werden in einer inklusiven Gruppe auf Verständlichkeit geprüft.

Du interessierst dich für ChatGPT und Einfache Sprache? Zu diesem Thema gibt es auf Multisprech mehrere Artikel, zum Beispiel Einfach schreiben mit künstlicher Intelligenz.

 

Zur Autorin:

Leichte-Sprache-Übersetzerin Andrea Halbritter

Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen. Zur Leichte-Sprache-Übersetzerin wurde sie vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. und von der Universität Hildesheim ausgebildet. Sie schreibt vor allem für NS-Gedenkstätten, Museen und Gesundheitsbehörden Texte in Leichter und Einfacher Sprache.

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