Welche*r Übersetzer*in kennt das nicht? Der eigene Text ist endlich gedruckt und wurde in irgendeiner Weise “malträtiert”.
In Leichter oder Einfacher Sprache ist dies nicht anders als bei fremdsprachlichen Übersetzungen. Die nicht ganz so angenehmen Überraschungen, die mich in der letzten Zeit bei der Durchsicht meiner Texte erwarteten, betrafen fast alle den Zeilenumbruch.
Nun kann man sich als Laie, der sich mit barrierearmer Kommunikation nur wenig auskennt, fragen, was denn an einem Zeilenumbruch so besonders ist, dass man ihn nicht verändern darf. Sieht man mal von Gedichten ab, ist es in standarddeutschen Texten ziemlich egal, an welcher Stelle der Zeilenumbruch stattfindet. Er ist halt da, wo es sich gerade ergibt.
In Leichter Sprache und auch in stark vereinfachter Einfacher Sprache beziehungsweise Leichte Sprache Plus sollte dem nicht so sein. Der Zeilenumbruch muss dort sein, wo ihn die Texter*innen beziehungsweise Übersetzer*innen vorgesehen haben. Warum?
Warum du den Zeilenumbruch in barrierearmen Texten nicht verändern solltest
Zunächst einmal ist zu erwähnen, dass Sätze in Leichter Sprache und auch in stark vereinfachter Einfacher Sprache sehr kurz sein sollten. In Leichter Sprache ist sogar vorgeschrieben, wie lange sie maximal sein dürfen: nämlich zwei Zeilen. Nach Möglichkeit sollten Expert*innen für barrierearme Kommunikation in Leichter Sprache aber nur Sätze basteln, die eine Zeile in Anspruch nehmen. Die Zahl der Sätze, die sich in Leichter Sprache über zwei Zeilen erstrecken, ist also in einem Leichte-Sprache-Text nicht so groß.
In Einfacher Sprache sieht es etwas anders aus. Einfache Sprache ist weniger stark reguliert. Jedoch lautet die Faustregel, dass es in Einfacher Sprache pro Satz nicht zu mehr als zwei Kommata kommen sollte.
Barrierearme Kommunikation: Zeilenumbruch in Leichter Sprache
Der Zeilenumbruch ist in Leichter Sprache – wie vieles andere auch – klar geregelt. So dürfen durch den Zeilenumbruch Sinneinheiten auf keinen Fall getrennt werden. Es ist also zum Beispiel nicht möglich, Artikel und dazugehöriges Substantiv voneinander zu trennen. Ebenso sollten Satzglieder – so irgendmöglich – zusammenbleiben.
Hierzu ein paar Beispiele:
In dem Satz
In der Tötungs-Anstalt hat man die Menschen ermordet.
könnte ein Zeilenumbruch an dieser Stelle zum Beispiel nicht nach “die” stattfinden:
In der Tötungs-Anstalt hat man die
Menschen ermordet.
Durch einen derartigen Umbruch würden Artikel (“die”) und zugehöriges Substantiv (“Menschen”) getrennt, was die Leser*innen, die Leichte Sprache benötigen, verwirren und beim Lesen ins Stocken geraten lassen würde.
Möglich wäre in diesem Satz ein Zeilenumbruch nach “man”:
In der Tötungs-Anstalt hat man
die Menschen ermordet.
Insgesamt sind Zeilenumbrüche vermehrt ein Problem in stark vereinfachter Einfacher Sprache beziehungsweise Leichte Sprache Plus, weil diese Sprachform auch kurze Nebensätze erlaubt.
Barrierearme Kommunikation: Zeilenumbruch in stark vereinfachter Einfacher Sprache
Um den Lesefluss nicht zu stören, ist es meiner Meinung nach auch in stark vereinfachter Einfacher Sprache beziehungsweise Leichter Sprache Plus nicht möglich, den Zeilenumbruch irgendwo zu setzen. Vielmehr muss genau überlegt werden, wo der Zeilenumbruch erfolgen kann.
Enthält ein Satz Kommata, empfehle ich, den Zeilenumbruch – so möglich – nach dem Komma zu machen, also in folgendem Beispiel nach “gibt”:
Wenn es dann wieder eine Pandemie gibt,
können wir Dinge besser machen.
Und zum Beispiel nicht nach “können”:
Wenn es dann wieder eine Pandemie gibt, können
wir Dinge besser machen.
Neue Sätze sollten immer in einer neuen Zeile beginnen:
Wie ist das heute, wenn man jemanden trifft,
den man mag?
Kann man ihn noch umarmen?
Und nicht bereits in der Zeile, in der der vorherige Satz endet:
Wie ist das heute, wenn man jemanden trifft,
den man mag? Kann man ihn noch
umarmen?
Auch in stark vereinfachter Einfacher Sprache sollten Satzglieder beziehungsweise Sinneinheiten auch innerhalb eines Haupt- oder Nebensatzes nicht getrennt werden. So dürfte es zum Beispiel in folgendem Satz nicht zu einem Zeilenumbruch nach “an” kommen:
Der Mann von einer anderen Freundin ist an
Corona gestorben.
Die Präposition “an” von “Corona” zu trennen ist äußerst ungünstig.
Unsichere Leser*innen und Menschen mit einer geistigen Behinderung gehen in der Regel davon aus, dass Sätze oder Sinneinheiten am Zeilenende beendet sind. Ist dies nicht der Fall, unterbrechen viele das Lesen und wundern sich über den Sinn beziehungsweise Nicht-Sinn des soeben Gelesenen. Manche fragen sich, ob sie vielleicht etwas überlesen haben und der Satz deshalb keinen Sinn macht. Andere sind verunsichert und fragen sich, ob es an ihnen selbst liegt, dass das Gelesene keinen Sinn ergibt. Vielleicht würden andere den Satz ja verstehen?
Meist dauert es ein paar Sekunden, bis dann weitergelesen wird, die Leser*innen also auf die Idee kommen, dass der Satz vielleicht erst dann einen Sinn ergibt, wenn auch die nächste Zeile gelesen ist.
Übersetzer*innen und Texter*innen, die sich mit Leichter und Einfacher Sprache gut auskennen, haben sich beim Zeilenumbruch IMMER, ja wirklich IMMER etwas gedacht. In nicht ganz so eindeutigen Fällen sind sie vielleicht sogar mehrmals mit Vertreter*innen der Zielgruppe durchgegangen, wo ein Zeilenumbruch das Textverständnis am wenigsten beeinträchtigt. Daher, liebe Kund*innen, Grafiker*innen …: Hände weg vom Zeilenumbruch! Lasst den Zeilenumbruch so, wie er von Expert*innen für barrierearme Kommunikation geplant wurde. Damit dies möglich ist, sollte natürlich auch das Design angepasst sein. Zu enge Spalten sind für Texte in Leichter und Einfacher Sprache zum Beispiel nicht der Hit …
Falls du wirklich etwas ändern musst und den Satz nicht so hinbekommt, wie ihn sich Übersetzer*innen oder Texter*innen vorgestellt haben, halte bitte Rücksprache! Andernfalls war es das mit der Barrierearmut beziehungsweise Barrierefreiheit.
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