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7 Übersetzer*innen verraten, ob sie lieber für Übersetzungsagenturen oder Direktkund*innen arbeiten

Tastatur eines PC plus weiße Pfingstrosen und Kaffeetasse auf einem Schreibtisch

Arbeiten Übersetzer*innen lieber für Agenturen oder für Direktkund*innen? Für dieses Round-up habe ich sechs Übersetzerkolleg*innen mit ganz unterschiedlichen Sprachkombinationen und Fachgebieten befragt.

Sie verraten dir, warum sie als Sprachmittler*innen lieber für Agenturen beziehungsweise Endkund*innen arbeiten, erzählen von Vor- und Nachteilen und sagen dir auch, wie sie zu ihren Übersetzungskund*innen kommen. Und natürlich erfährst du auch, ob ich lieber für Übersetzungsagenturen oder für Direktkund*innen arbeite.

Arbeiten Übersetzer*innen lieber für Übersetzungsagenturen oder für Direktkund*innen?

 

#1 Direktkund*innen sind wertschätzender als Übersetzungsagenturen

 

Ricarda Essrich: Wie kann ein Kunde dazu beitragen, dass er eine gute Übersetzung bekommt

Fachübersetzerin Ricarda Essrich arbeitet hautpsächlich für Direktkunden

Fachübersetzerin Ricarda Essrich ist auf die Bereiche Gleisbau/Bahntechnik, Tunnelbau, HR und Marketing/Transkreation für die Industrie spezialisiert. Die Arbeitssprachen der in Düsseldorf lebenden Freiberuflerin sind Schwedisch, Norwegisch, Dänisch, Englisch und Deutsch.

“In den 13 Jahren Selbstständigkeit als Fach- und Literaturübersetzerin hat sich der Schwerpunkt meiner Arbeit immer mehr von Verlagskunden und Agenturen in Richtung Direktkund*innen verlagert. Inzwischen machen Unternehmenskund*innen vorwiegend aus der Baubranche 90 Prozent meines durchschnittlichen Jahresumsatzes aus.

Je besser meine Spezialisierung und meine Positionierung wurde, desto mehr habe ich mich auf diese Zielgruppe konzentriert und mit Agenturen nur noch zusammengearbeitet, wenn wir uns auf angemessene Bedingungen einigen konnten – was leider immer seltener der Fall ist. Ich erlebe, dass die Qualität, die ich aufgrund meiner Erfahrung mit Kunden als Übersetzerin in der Baubranche bieten kann, immer häufiger dem Preisdruck weichen muss, dem die Agenturen heutzutage bei Übersetzungen ausgesetzt sind.

Aus diesem Grund arbeite ich lieber mit Direktkund*innen zusammen. Es ist zwar nicht ganz einfach, als freiberuflich tätige Übersetzerin an Direktkund*innen heranzukommen und sich dort gegen die ‘großen Player’ durchzusetzen. Dafür braucht es meines Erachtens eine gute, nachgefragte Spezialisierung und eine Positionierung als Expertin für das jeweilige Fachgebiet. Doch dann merken die Kund*innen, dass sie von meiner Fachkompetenz und der Möglichkeit, direkt mit mir als Übersetzerin und nicht mit irgendeinem Projektmanager ohne Fachwissen zu kommunizieren, profitieren.

Der Hauptvorteil dieser Kundengruppe besteht für mich vor allem in der Wertschätzung: Ich habe bei Direktkund*innen eher als bei Übersetzungsagenturen das Gefühl, Partnerin auf Augenhöhe zu sein und nicht nur ein Dienstleister, bei dem ausschließlich der Preis der Übersetzung zählt. Außerdem bieten Direktkunden für mich als Übersetzerin das Potenzial für höhere Honorare als Übersetzungsbüros, ganz einfach, weil ein Vertragspartner weniger zwischengeschaltet ist.

Direktkund*innen sind aber häufig auch anspruchsvoller. Man braucht mehr Stressresistenz, Flexibilität und ein dickes Fell, jedenfalls in meinen Branchen. Darüber hinaus kennen sie sich in unserer Branche meist nicht aus, es gibt viel Aufklärungsbedarf darüber, wie Übersetzungsprozesse funktionieren, wie sinnvoll der Einsatz von maschineller Übersetzung und anderen technologischen Hilfsmitteln ist etc. Wenn man sich das aber als Sprachmittler bewusst macht und scheinbar unmögliche Anforderungen (zum Beispiel an die Deadline) nicht gleich als Affront versteht, sondern den Kunden sachlich aufklärt, entstehen häufig langfristige Kundenbeziehungen.

Für mich als Fachübersetzerin hat sich Akquise bzw. Networking auf Veranstaltungen bewährt. Um Übersetzungskund*innen aus der Baubranche zu gewinnen, die an den skandinavischen Ländern interessiert sind, besuche ich Branchentreffen vor Ort, studiere die Teilnehmerlisten und mische mich unters Volk. Alle Teilnehmenden aus dem deutschsprachigen Raum sind meine Zielgruppe. Anfangs fiel es mir nicht so leicht, die Teilnehmenden einfach so anzusprechen, aber mit der Zeit habe ich gelernt, wie man am besten mit ihnen ins Gespräch kommt.

Außerdem betreibe ich ein Nachrichtenportal (Skand.Baunews), auf dem ich Nachrichten aus der Baubranche in Skandinavien veröffentliche, um Bauunternehmen aus D/A/CH auf die skandinavischen Märkte aufmerksam zu machen und mich dabei als Expertin zu positionieren. Zusammen mit Empfehlungen von Übersetzungskolleg*inen und Referenzen meiner Stammkunden sorgt das (zumindest derzeit) für eine gut gefüllte Projektliste.”

 

#2 Leichte-Sprache-Übersetzer brauchen direkten Kontakt zum Endkunden

 

Französisch-Deutsch-Übersetzer Andrea Halbritter: Wie können Kunden zu einer guten Übersetzung beitragen

Andrea Halbritter: “Leichte und Einfache Sprache brauchen direkte Kommunikation.”

Ich, Andrea Halbritter, übersetze in der Sprachrichtung Französisch-Deutsch vor allem Weinverkostungsnotizen, Ausstellungstexte für Kunstmuseen und Reiseführer. Außerdem erstelle ich leicht verständliche Texte in Leichter und Einfacher Sprache für Politiker, Gedenkstätten, Museen und Akteure aus dem Gesundheitsbereich, wobei ich auf Wahlprogramme in Leichter und stark vereinfachter Sprache spezialisiert bin.

“Regelmäßig arbeite ich nur für EINE Übersetzungsagentur. Meine anderen Kund*innen sind alle Direktkund*innen: politische Parteien, Vereine, Touristinformationen, mittelständische Unternehmen, Winzer*innen, Museen, andere Freiberufler*innen … Direktkund*innen machen etwas über 80 Prozent meines Jahresumsatzes als Übersetzerin aus. Die Entscheidung, als Übersetzerin hauptsächlich für Direktkund*innen zu arbeiten, fiel für mich ziemlich früh. Als ich 2013 in die Selbstständigkeit startete, zeigte mir ein Bekannter, der ein großes französisches Industrieunternehmen leitet, welche Wortpreise ihm Agenturen für Übersetzungen in Rechnung stellen. Für die Übersetzer*innen fiel davon nur ein Bruchteil ab.

Damals übersetzte ich noch ausschließlich vom Französischen ins Deutsche. Seit 2019 biete ich auch Übersetzungen in Leichte Sprache und in Einfache Sprache an. Zwar wäre auch dies über eine Agentur für Leichte Sprache möglich, jedoch wenig effizient. Für Expert*innen in barrierefreier Kommunikation ist ein direkter Kontakt mit dem Endkunden überaus wichtig. So sind für die Erstellung leicht verständlicher Texte unbedingt eine umfassende Beratung und Absprachen nötig: Für wen genau wird der Text gebraucht? Was ist die Hauptzielgruppe? Welche Vorkenntnisse bringt die Zielgruppe mit?

Texte in Leichter Sprache beschränken sich nur auf das Wichtigste. Was das Wichtigste ist, wird gemeinsam mit dem Kunden definiert. Über eine Übersetzungsagentur, eine Agentur für barrierefreie Kommunikation oder ein Büro für Leichte Sprache schwierig … 

Als Leichte-Sprache-Übersetzerin und Texterin in Einfacher Sprache arbeite ich daher viel lieber mit Endkund*innen. Die Kommunikation verläuft direkt und ohne zwischengeschaltete Agentur, einzelne Punkte können schneller abgeklärt und Missverständnisse vermieden werden. Hinzu kommt, dass herkömmliche Übersetzungsagenturen, die bisher nur in Fremdsprachen gearbeitet haben, den Markt der barrierefreien Kommunikation zunehmend für sich entdecken, sich aber in dem Bereich überhaupt nicht auskennen.

Wo ich meine Kund*innen für Übersetzungen finde, erfährst du auf meinem Blog zum Beispiel in den folgenden Artikeln: Übersetzungen im Tourismus: 9 Beispiele für Urlaubsfeeling in  mehreren Sprachen und 10 Übersetzer verraten, wie sie zu ihren ersten Aufträgen kamen. Seit dem Beginn der Pandemie werden soziale Netzwerke noch wichtiger für mich und in Telefonakquise bin ich als Leichte-Sprache-Übersetzerin mittlerweile Profi …”

 

#3 Wer für Übersetzungsagenturen arbeitet, kann sich auf seine Übersetzungsarbeit fokussieren

 

Fachübersetzerin Katja Đekić

Katja Đekić: “Mit Direktkunden hat der Übersetzer mehr Stress.”

Katja Đekić lebt in Belgrad und ist freiberufliche Fachübersetzerin in der Sprachrichtung Deutsch-Serbisch im Bereich Life Science (Arztberichte, Arzneimittel) und Zivilrecht.

“Ich arbeite als Übersetzerin lieber mit Agenturen zusammen. Sie machen ungefähr 95 Prozent meines Umsatzes aus, das heißt, Direktkunden sind bei mir nur eine Ausnahme, indem sie per Zufall auf mich stoßen. Übersetzungsagenturen bedeuten für mich als Fachübersetzerin weniger Stress als Direktkund*innen. Der PM (Projektmanager) einer Agentur für Übersetzungen weiß, wie er am besten mit Endkunden kommuniziert, so dass dadurch klare Aufträge mit klaren Wünschen und Anweisungen entstehen. Projektmanager sind diejenigen, die dem Endkunden alles rund um unsere Branche erklären. Die PMs einer Übersetzungsagentur sorgen dafür, dass alles ums Übersetzen herum schnell, glatt und rund läuft, während ich  mich auf meine Übersetzungsarbeit fokussieren kann.

Die meisten Übersetzungsbüros bieten beim Übersetzungsprozess auch viele Arten von Unterstützung an. Die mühselige Suche nach einem Übersetzungsteam erspare ich mir dadurch, dass ich (fast) ausschließlich für Agenturen arbeite. Ein Team zu bilden ist nämlich alles andere als leicht.

Ein weiterer Vorteil der Arbeit mit Übersetzungsbüros ist, dass nicht alles von mir abhängt, das heißt, wenn ich krank werde oder meinen Urlaub aus diversen Gründen kurzfristig planen muss, gibt es immer jemanden, der einspringen kann. Und last but not least: Obwohl bei größeren Agenturen die Zahlungsziele länger sind, kommen in meinem Fall von allen Übersetzungsbüros die Honorare immer pünktlich an – mir hat in acht Jahren noch keine Agentur Geld geschuldet, was bei Direktkunden schon immer mal wieder vorkam, als ich noch für Direktkunden gearbeitet habe.

Bisher habe ich nur mit Übersetzungsagenturen aus Serbien und Kroatien gearbeitet. Begonnen habe ich mit einer großen serbischen Agentur, auf deren Anzeige ich reagiert habe. Dann habe ich ein zweites Übersetzungsbüro in meiner Nähe in den Gelben Seiten gefunden und dem Team Kund*innen geschickt, die ich nicht bedienen konnte. Kurz darauf haben sie mir einen Auftrag erteilt. Das war der Start für unsere langjährige Zusammenarbeit.

Die anderen großen und kleinen Sprachdienstleister, für die ich regelmäßig übersetze, suchten entweder in Facebookgruppen nach Übersetzer*innen oder aber ich wurde von einer Kollegin beziehungsweise einem Kollegen empfohlen.

Dass ich im Bereich Medizin übersetze, hat sich herumgesprochen. Viele Übersetzerkolleg*innen arbeiten nämlich nicht gern im medizinischen Bereich. Ich dagegen habe mich als Übersetzerin für dieses Gebiet entschieden, da ich eine viersemestrige Ausbildung in Molekularbiologie und Physiologie aufweisen kann.

Ein Nachteil bei serbischen und kroatischen Großagenturen für Übersetzungen ist, dass manche die Spezialisierungen ihrer Sprachmittler*innen und Übersetzer*innen nicht in einer Liste führen. Die Gebiete werden also manchmal durcheinandergebracht und ich bekomme Anfragen für Technik statt für meine Spezialgebiete. Ein weiterer Nachteil bei großen Übersetzungsbüros ist, dass es ein paar gibt, die ‘keine Zeit’ haben, um den Eingang der Übersetzung zu bestätigen. Kleine Agenturen sind für eine Zusammenarbeit wesentlich besser und angenehmer.”

 

#4 Die Zusammenarbeit mit Übersetzungsagenturen kann für Übersetzer durchaus gewinnbringend sein

Julia Sämann

Julia Sämann: “Eine Zusammenarbeit mit einer Agentur kann viele Vorteile haben.”

Julia Sämann fertigt Übersetzungen aus dem Katalanischen und Spanischen ins Deutsche an. Spezialisiert hat sich die in Leipzig lebende öffentlich bestellte Übersetzerin auf die Bereiche Recht (Strafrecht, Familienrecht, Gesellschaftsrecht), Immobilien und Urkunden.

“Knapp über die Hälfte meines Umsatzes generiere ich mit Agenturen. Erfahrene Kolleginnen, wie Andrea Halbritter oder Giselle Chaumien, empfehlen nicht ohne Grund immer wieder die Direktkundenakquise. Ich arbeite trotzdem gern mit Übersetzungsbüros zusammen – aber nicht mit allen. Für zwei Agenturen übersetze ich wirklich gern und viel, rund ein Drittel meines Umsatzes geht auf die beiden zurück. Sie sind echte Vorzeigeagenturen und ich möchte euch erklären, welche Vorteile mir die Zusammenarbeit bietet.

Meine Lieblingsagentur arbeitet seit Jahrzehnten für die Justiz. Direkt nach meiner Beeidigung konnte ich sie für mich gewinnen, da ich mit Katalanisch eine seltene Sprache anbiete und mich bereits im Studium auf juristische Fachtexte spezialisiert hatte. Als dann zum ersten Mal eine Ermittlungsakte der spanischen Staatsanwaltschaft auf meinem Tisch lag, musste ich allerdings feststellen, dass mich sechs Jahre Studium darauf nicht vorbereitet hatten. Ich saß vor einer mir gänzlich unbekannten Textsorte und insbesondere die Phraseologie machte mir zu schaffen. Zum Glück konnte ich auf die Kompetenz meiner Übersetzungsagentur zurückgreifen – für Fragen haben die Mitarbeiter*innen stets ein offenes Ohr und jeder Text wird Korrektur gelesen. Im Laufe der vergangenen Jahre konnte ich so viel lernen, wofür ich ausgesprochen dankbar bin.

Die weiteren Vorteile sind ganz pragmatischer Natur: Preise und Lieferfristen müssen nicht für jeden einzelnen Auftrag verhandelt werden. Darüber hinaus liegt der große Vorteil in der Zusammenarbeit mit einer Übersetzungsagentur darin, dass ich mich nicht um die Abrechnung kümmern muss. Beide Agenturen schreiben Honorargutschriften und überweisen zuverlässig ein- bis zweimal pro Monat. Das spart mir Arbeit und Ärger. Insbesondere bei meiner zweiten Stammagentur kommt das zum Tragen: Für sie übersetze ich fast ausschließlich Urkunden für Privatpersonen. Das heißt, ich bekomme viele kleine Aufträge (im Schnitt 17 pro Monat), was sich keinesfalls lohnen würde, müsste ich jeden einzelnen separat abrechnen.

Ich werde oft von Agenturen angeschrieben, wenn Sie bestätigte Übersetzungen aus dem Katalanischen benötigen. Inzwischen mache ich bei der Preisgestaltung bei kleineren Anfragen dieser Art keinen Unterschied mehr zwischen Übersetzungsbüros und Direktkunden. Es hat sich gezeigt, dass ich diesen Agenturen für Spanisch entweder zu teuer bin oder sie schon einen Stammübersetzer haben, sodass die Zusammenarbeit dann doch unregelmäßig ist. Eine Übersetzungsagentur, für die ich ein- bis zweimal pro Jahr im zweistelligen Bereich arbeite, bringt mir jedoch im Vergleich zu einem Privatkunden keinerlei Vorteil.

Fazit: Wenn ein Übersetzungsbüro kein reiner ‘Umtüter’ und auf ein Fachgebiet spezialisiert ist und darüber hinaus administrative Aufgaben sowie die Kundenkommunikation und das Marketing übernimmt, kann die Zusammenarbeit mit einer Agentur durchaus gewinnbringend sein – auch wenn die Preise unter denen liegen, die Direktkund*innen bezahlen.”

 

#5 Wer als Übersetzer*in mit Direktkund*innen zusammenarbeitet, wird weiterempfohlen

 

Dolmetscher und Übersetzer Matteo D. Paone

Matteo D. Paone: “Direktkunden zu akquirieren dauert länger.”

Dolmetscher und Übersetzer Matteo Domenico Paone lebt in Wien und übersetzt vom Deutschen, Niederländischen, Englischen und Französischen in seine Muttersprache Italienisch. Seine Spezialgebiete sind Medizin (hauptsächlich Notfallmedizin und Pflegewesen), Marktforschung und Nachhaltigkeit.

“Am Anfang meiner Selbstständigkeit habe ich mich als Übersetzer fast ausschließlich auf größere Agenturen konzentriert. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch nicht genügend Erfahrung hatte, um potenzielle Endkund*innen direkt anzusprechen und mit ihnen eine Zusammenarbeit zu starten. Im Laufe der Jahre habe ich dann viel an meiner Verkaufs- und Verhandlungsstrategie gearbeitet. Ich fing an, mir einen kleinen Kundenstamm aufzubauen, der hauptsächlich aus Direktkund*innen besteht. Zu größeren Übersetzungsagenturen nahm ich immer mehr Abstand.

Die Zusammenarbeit mit Direktkund*innen macht mir als Übersetzer mehr Spaß, weil sie eine Kommunikation auf Augenhöhe ermöglicht. Als Sprachmittler habe ich so die Möglichkeit, meine Geschäftspartner besser kennenzulernen. Teils baue ich mit meinen Übersetzungskunden auch eine menschlichere Beziehung auf und habe einen besseren Einblick in die Bedürfnisse meiner Kundinnen und Kunden.

Direktkund*innen machen bei mir im Schnitt etwa 60 Prozent meines Umsatzes aus. Wie man sieht, ist dies noch steigerungsfähig!

Mit ein paar kleinen, sehr genau ausgewählten Übersetzungsagenturen arbeite ich immer noch zusammen. Dabei handelt es sich allerdings meist um Übersetzerkolleginnen und -kollegen, die mich mit einer nicht von ihnen angebotenen Dienstleistung oder Sprache beauftragen.

Ein weiterer Vorteil der Zusammenarbeit mit Direktkunden besteht sicherlich darin, dass man öfter weiterempfohlen wird. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass man als Übersetzer*in eine tadellose Dienstleistung erbracht hat. Zu Weiterempfehlungen kommt es mit großen Agenturen leider nicht, zumindest nicht meiner Erfahrung nach.

Nur mit DirektkundÜinnen zusammenzuarbeiten bringt selbstverständlich auch Nachteile mit sich.

Einer davon ist die Tatsache, dass man viel mehr Zeit in die Kundenakquise investieren muss. Der Traumkunde fällt nicht einfach so vom Himmel, aber Geduld zahlt sich aus!

Was sich für mich als eine erfolgreiche Strategie erwiesen hat, ist, mit allen proaktiv über meine Übersetzungsleistungen zu sprechen. Vielleicht hat man als Übersetzer*in gerade seinen Traumkunden vor sich und weiß es nur noch nicht!

Ich würde jedem Übersetzerkollegen und jeder Sprachmittlerin empfehlen, dies so zu machen. In meinem Fall funktioniert diese Strategie regelmäßig sehr gut. Erfolge habe ich damit vor allem mit einer meiner Arbeitssprachen, nämlich Niederländisch, was in der Kombination mit Italienisch nicht so einfach zu finden ist. Dadurch, dass ich plaudere und erzähle, was ich beruflich mache, konnte ich als Übersetzer bereits einige Endkund*innen gewinnen, die schon lange auf der Suche nach einem Sprachdienstleister waren.”

 

#6 Übersetzungsagenturen bieten eine Vielfalt an Übersetzungsprojekten

 

Katrin Braams

Katrin Braams: “Gute Agenturen haben kurze, faire Verträge.”

Freelance-Übersetzerin Katrin Braams arbeitet in der Sprachrichtung Englisch-Deutsch. Spezialisiert hat sie sich auf die Bereiche Wirtschaftsrecht, Datenschutz und Versicherungen.

“In Übersetzerkreisen haben Agenturen oftmals keinen guten Ruf. Gängige Vorurteile lauten: Agenturen behandeln ihre Übersetzer schlecht, zahlen wenig und spät. Wenn man als Übersetzerin viel für Agenturen arbeitet, gilt man oftmals als zweitklassig.

Ich arbeite trotzdem viel und gerne für Übersetzungsagenturen. 2020 habe ich rund 70 Prozent meines Umsatzes mit Agenturen erzielt. Dadurch, dass diese einen deutlich größeren Zugriff auf unterschiedliche Branchen haben, als ich das mit Direktkunden jemals könnte, haben mich ‘meine’ Übersetzungsbüros bisher sehr gut durch die Corona-Krise gebracht.

Was reizt mich an der Arbeit mit Agenturen?

In erster Linie die inhaltliche Vielfalt der Projekte. Natürlich bin ich auf ein Fachgebiet spezialisiert, in meinem Fall Recht, und arbeite auch vorwiegend in diesem Bereich. Es kommt aber immer wieder vor, dass Agenturen ganz andere Themen an mich herantragen. Während ich für meinen wichtigsten Direktkunden eigentlich nur Verträge und Richtlinien übersetze, fragen meine Agenturkunden auch mal nach, ob ich helfen könnte, eine Website für Sportbekleidung oder eine Speisekarte zu übersetzen. Ich lerne dadurch regelmäßig neue Themen kennen, die mir in der Arbeit mit Direktkunden verschlossen bleiben.

Darüber hinaus sind gute Agenturen deutlich weniger betreuungsintensiv als Direktkund*innen. Das fängt schon bei der Akquise an. Bei einer Agentur bewirbt man sich mit einem Lebenslauf und macht vielleicht noch einen Test. Gesamtaufwand in der Regel 1 bis 2 Stunden. Die Akquise eines neuen Direktkunden kann sich über Wochen hinziehen, angefangen von Besuchen auf Messeständen bis hin zu langwierigem Schriftverkehr, in dem man den Kunden davon überzeugen muss, dass man die richtige Person für das Projekt ist.

Gute Übersetzungsbüros unterstützen ihre Übersetzer*innen bei EDV-Problemen, sie bereiten nicht editierbare PDFs auf, stellen den Korrektor und kümmern sich darum, dass die Formatierung der PowerPoint-Präsentation am Ende stimmt. Der Übersetzer kann sich auf die reine Übersetzungsarbeit konzentrieren. Gerade für junge Übersetzer und Übersetzerinnen ist ein Einstieg über Agenturen eine Möglichkeit, Erfahrung zu sammeln, die dann später die Zusammenarbeit mit Direktkunden erheblich erleichtert.

Natürlich ist Agentur nicht gleich Agentur. Ich arbeite seit vielen Jahren hauptsächlich mit drei Übersetzungsagenturen zusammen, dazu kommt noch ‘Agenturlaufkundschaft’.

Wie findet man eine gute Übersetzungsagentur?

Meine Agenturen habe ich bis auf eine Ausnahme über das Blue Board von Proz.com gefunden. Ich schaue mir an, wer einen Schwerpunkt in meinem Fachgebiet, dauerhaft exzellente Bewertungen, eine aussagekräftige Website und seinen Sitz in der EU hat. Erfüllt eine Agentur diese Voraussetzungen, schreibe ich sie an und dann kommen wir hoffentlich ins Geschäft.

Ein Vorurteil stimmt allerdings: Wenn eine Agentur einen aufwändigen Onboarding-Prozess mit ellenlangen Verträgen hat, dann taugt sie in der Regel nichts. Gute Übersetzungsagenturen haben kurze, faire Verträge und testen die Qualität ihrer Übersetzer*innen durch kleinere, bezahlte Aufträge und nicht durch lange, kostenlose Tests und das Absitzen von Trainingsvideos.”

 

#7 Die direkte Kommunikation mit Endkunden führt zu hochwertigeren Texten

 

David Krásenský Übersetzer Dolmetscher Logistik Eisenbahnwesen

David Krásenský: “Es macht mehr Spaß, für Endkunden zu arbeiten.”

Dolmetscher und Übersetzer Dávid Krásenský arbeitet als Diplomingenieur in den Bereichen Eisenbahnverkehr, öffentlicher Verkehr, Logistik und Informatik. Der Bahnexperte lebt in Wien und übersetzt vom Englischen, Deutschen und Polnischen in seine beiden Muttersprachen Tschechisch und Slowakisch.

“Ei oder Huhn? Was war zuerst da? Keine Übersetzungsagentur kann ohne Endkunden leben. Direktkunden existierten, lange bevor es für Übersetzungen Agenturen gab.

Ist es für Übersetzer*innen besser, mit Agenturen oder mit Direktkund*innen zusammenzuarbeiten? Bei mir lautet die Antwort eindeutig Direktkund*innen – obwohl ich zugeben muss, dass die Zusammenarbeit mit Übersetzungsagenturen auch bestimmte Vorteile bietet.

Arbeitet man als Sprachmittler*in für ein gutes Übersetzungsbüro, ist das Leben einfacher. Eine gute Agentur sorgt für einen bequemen und quasi ununterbrochenen ‘Zufluss’ von Aufträgen und Übersetzungsjobs. Eine gute Agentur kennt mich, kennt meine Kenntnisse, Erfahrungen, Fähigkeiten, Fachspezialisationen, Sprachkombinationen – und dadurch kann sie mir als Übersetzer die richtigen Aufträge zuteilen.

Und auch für Kunden bringt eine gute Übersetzungsagentur deutliche Vorteile: Vor allem ist sie für ihn der einzige Kontakt, der einzige Ansprechpartner für alle seine Übersetzungsbedürfnisse – der Kunde muss also nicht überlegen, für welche Sprachen er eine Übersetzung benötigt. Er muss sich nicht fragen, ob dieser oder jener Übersetzer der richtige und zuverlässigste ist und ob er oder sie sich nicht gerade zufällig im Urlaub befindet.

Diese Vorteile und dieser Komfort sind allerdings nicht umsonst: Jede Agentur schneidet sich eine bestimmte Scheibe vom ‘Übersetzungskuchen’ ab. Das ist für mich aber nur eine und längst  nicht die einzige Motivation, lieber mit Endkunden zusammenzuarbeiten.

Nicht jede Übersetzungsagentur ist eine gute Agentur. Leider trifft man als Übersetzer auch auf Agenturen, die nur als Ermittler oder ‘Durchlauferhitzer’ fungieren und die keinen größeren Mehrwert schaffen. In Übersetzerkreisen nennt man solche Übersetzungsbüros auch ‘Umtüter’. Solche Agenturen interessieren nur Preis und Termin und nicht, ob sich der Auftrag für diesen oder jenen Übersetzer eignet. Übersetzungsagenturen, die Aufträge nur nach Volumen einstufen und nicht wissen, wie sehr die Kenntnisse des Übersetzers oder der Übersetzerin dafür in die Tiefe gehen müssen. Zu einer verantwortungsbewussten Entscheidung, wem man den Übersetzungsauftrag erteilen sollte oder nicht, kommt es hierbei nicht.

Die Kommunikation mit Direktkund*innen läuft für Sprachmittler*innen anders ab. Ein Direktkunde teilt mir als Übersetzer klar mit, um welchen Typ Dokument es sich handelt, mit welchem Umfang ich rechnen sollte und für welches Publikum beziehungsweise welche Zielgruppe der Text bestimmt ist. Dadurch kann ich als Sprachdienstleister Aufwand und Termin besser abschätzen und sogar ablehnen, wenn sich das Material als ‘zu fachlich’ erweist. Also wenn es sich zum Beispiel um einen komplizierten Vertrag oder juristischen Text handelt und ich in diesem Gebiet kein Spezialist bin.

Wenn ich als Übersetzer für Direktkunden arbeite, kann ich bestimmte Punkte, die den Übersetzungsauftrag betreffen, viel schneller abklären als mit einer Agentur. Ich kann mit dem Endkunden direkt über Botschaft, Terminologie und Besonderheiten des Textes kommunizieren und mich mit ihm abstimmen. Ein Punkt, den ich für ein hochwertiges Ergebnis als sehr wichtig erachte.

Wenn ich als Sprachdienstleister lieber mit Direktkunden zusammenarbeite, dann vor allem aufgrund der direkteren, persönlichen Kommunikation, die in die Tiefe führt und durch die eine wesentlich bessere Qualität der Übersetzung möglich ist. So zu arbeiten macht mir als Übersetzer mehr Spaß: Ich möchte als Übersetzer hochwertige Texte liefern können, die wirklich auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind.

Während 2017 noch 20 Prozent meines Jahresumsatzes auf Übersetzungsagenturen zurückgingen, sind es mittlerweile nur noch 4 Prozent.”

Wie Dávid Endkunden findet, kannst du im Artikel  10 Übersetzer verraten, wie sie zu ihren ersten Aufträgen kamen nachlesen.

 

Du siehst: DIE Antwort auf die Frage, ob Übersetzer*innen lieber mit Übersetzungsagenturen oder mit Endkund*innen zusammenarbeiten, gibt es nicht. Manche Sprachmittler*innen bevorzugen Direktkund*innen, andere Agenturen. In der Zusammenarbeit mit jedem Kunden gibt es Vor- und Nachteile, egal ob es sich um einen Direktkunden oder ein Übersetzungsbüro handelt. Und auch die Kommunikation mit Endkund*innen verläuft nicht immer so, wie Sprachmittler*innen sich dies wünschen würden …

 

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