Warum es viele schlechte Texte in Leichter Sprache gibt

Tafel mit der Aufschrift "Teamwork" und in verschiedenen Farben aufgemalten Personen

Heute gibt’s mal wieder einen Beitrag aus der Mecker-Ecke. Meine persönliche Statistik sagt mir nämlich: Es gibt viel zu viele schlechte Leichte-Sprache-Texte. Schade! Denn die Erstellung von Texten in Leichter Sprache kostet oft viel Geld und minderwertige Texte sorgen nicht für Inklusion und Teilhabe. Warum es viele schlechte Texte in Leichter Sprache gibt, erfährst du in diesem Artikel.

Wie es zu schlechten Texten in Leichter Sprache kommt

Viele Leichte-Sprache-Texte verfügen über eine schlechte Qualität. Oft sind sie sogar so mies, dass man sie eigentlich gar nicht mehr „Leichte Sprache“ nennen kann. Woher kommt das?

#1 Übersetzer*innen ohne eine seriöse Ausbildung in Leichter Sprache

Seit ein paar Jahren schießen Leichte-Sprache-Übersetzer*innen wie Pilze aus dem Boden. Einige davon verursachen Bauchschmerzen wie ein Grüner Knollenblätterpilz. Viele Übersetzer*innen fühlen sich schon nach einem Wochenendkurs oder einem kurzen Seminar dazu berufen, Leichte-Sprache-Texte anzufertigen. Leichte Sprache sieht einfach aus: kurze Sätze, einfaches Vokabular, mehr Punkte als Kommas. „Kein Hexenwerk!“, meinen die meisten und legen los: inklusive schwerer Strukturen, Vorgangspassiv, Zeitenwirrwarr und so weiter.

Irreführende Angebote zu Leichter Sprache

Schuld an der Misere sind auch Leichte-Sprache-Büros, Werkstätten, erfahrene Übersetzer*innen und Universitäten, die Kurse in Leichter Sprache anbieten – ohne von Anfang an darüber zu informieren, dass ein Abendworkshop oder ein Drei-Tage-Kurs allenfalls erste Einblicke in leicht verständliche Kommunikation geben kann. Aber eben nicht mehr. Und so melden sich viele fremdsprachliche Übersetzer*innen, denen mit KI die Felle davonschwimmen, zu Leichte-Sprache-Kursen an. Genauso wie Sozialpädagog*innen oder Journalist*innen, die aus ihrem alten Beruf rauswollen und die sofort eine neue Geldquelle brauchen. Oder Leute, die seit Jahren arbeitslos sind und denen die Family einen Kurs sponsert.

#2 Kunden, die Leichte-Sprache-Texte verändern

Ganz ähnlich verhält es sich mit Kunden, die Texte in Leichter Sprache bestellt haben. Ein paar Wochen nach der Lieferung stellen sie fest, dass ein Abschnitt vergessen wurde. Die Texte ihrer Leichte-Sprache-Expert*innen sehen leicht aus und schon legt der Kunde los und schreibt selbst. Ohne je auch nur den oben erwähnten Wochenendkurs belegt zu haben. Oder aber der Kunde will den Leichte-Sprache-Text seines Dienstleisters etwas aufpeppen, abwechslungsreicher machen oder mit verschiedenen Schriftarten experimentieren. Und bäm! Schon ist aus dem Text in Leichter Sprache ein für die Hauptzielgruppe unverständliches Pamphlet geworden. Was dabei so alles schiefgehen kann, kannst du in meinem Artikel Leichte Sprache: Pleiten, Pech und Pannen nachlesen.

#3 Gut ausgebildete Übersetzer*innen, die sich nicht an die Regeln halten

Immer wieder begegnen mir auch Leichte-Sprache-Texte von eigentlich gut ausgebildeten Übersetzer*innen und Texter*innen, die sich nicht an die Leichte-Sprache-Regeln halten. Statt Nebensätze umzuformen werden Kommata durch Punkte ersetzt. Vorgangspassiv wird großzügig verwendet. Und jeder zweite Satz im Leichte-Sprache-Text enthält eine Verneinung.

Why? Vermutlich weil die Arbeit so schneller von der Hand geht. Ein Komma ist schnell in einen Punkt verwandelt. Um adverbiale Nebensätze umzuformen, braucht es Ideen, teils längere Erklärungen, die manchmal eine ganze Viertelstunde in Anspruch nehmen können. Wer den Preis für sein Projekt in Leichter Sprache in etwa auf der Höhe der Wurzeln von Radieschen ansetzt, hat diese Zeit nicht … und produziert ein wenig bekömmliches Pilzgericht.

#4 Schlechte Texte in Leichter Sprache durch “Alibiprüfungen”

Erstaunlicherweise behaupten viele schlechte Texte in Leichter Sprache von sich, unter Einbezug von Prüfgruppen entstanden zu sein. Die meisten Übersetzer*innen in Leichte Sprache binden in der Tat Prüfer*innen aus der Hauptzielgruppe ein, die die Verständlichkeit der Texte überprüfen. Manche Leichte-Sprache-Label schreiben diese Art der Qualitätskontrolle sogar vor.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Autor*innen der Leichte-Sprache-Texte tatsächlich Prüfer*innen miteinbezogen haben, gibt es für die schlechte Qualität der Leichten Sprache nur eine Erklärung: Es handelt sich um sogenannte „Alibiprüfungen“, die sehr schnell stattfinden, um das gewünschte Label erteilen zu können. Statt wirklich zu ergründen, was die Prüfer*innen mit Lernschwierigkeiten verstanden haben, werden nur Entscheidungsfragen gestellt. Zum Beispiel: „Hast du alles verstanden?“

Nicken die Prüfer*innen und es kommt zu keinem Widerspruch, wird der Text dann als gut verständlich deklariert. Die Prüfung ist schnell vorbei, kostet wenig und die Übersetzer*innen müssen sich keinen Kopf mehr machen.

Du möchtest wissen, wie das Prüfen korrekt ablaufen sollte? Dann schau in meinen Artikel Meine 17 besten Tipps zum Prüfen von Übersetzungen in Leichte Sprache. Prüfen ist nicht Abnicken.

#5 Schlechte Leichte Sprache durch KI

Immer häufiger finden sich insbesondere auf den Websites von Behörden, größeren Städten und auch Unternehmen schlechte Leichte-Sprache-Texte, die von KI erzeugt wurden.

Was Christiane Maaß von der Forschungsleitstelle Leichte Sprache 2016 geschrieben hat, gilt immer noch: „Maschinelle Übersetzung in Leichte Sprache gibt es nicht und wird es nicht geben. (…) Übersetzen in Leichte Sprache erfolgt (…) nicht Wort für Wort und auch nicht Satz für Satz, sondern beruht auf informierten Entscheidungen der Übersetzer(innen) als Expert(innen) für die Zielgruppen. Die Übersetzer(innen) erstellen in Absprache mit den Auftraggebern eine einzeltextbezogene Strategie. Sie wählen zentrale Informationen aus dem Ausgangstext aus und planen auf der Grundlage ihrer Kenntnis der Zielgruppen und der Leichte-Sprache-Regeln eine möglichst regelhafte thematische Entfaltung. Für Inhalte, die sie als schwer verständlich einstufen, fügen sie Erläuterungen ein. Maschinelle Übersetzung liefert immer ausgangstextnahe Strukturen. Übersetzen in Leichte Sprache kann deshalb jetzt und auch in absehbarer Zukunft nicht maschinell ausgeführt werden.“

KI-Übersetzungen in Leichte Sprache brauchen unbedingt ein Post-Editing durch erfahrene Übersetzer*innen. Häufig wird dieses jedoch weggelassen oder es erfolgt nicht im nötigen Umfang. Wäre dies nämlich bei großen Volumen der Fall, würde sich der Einsatz eines KI-Tools für die Übersetzung in Leichte Sprache finanziell gar nicht lohnen.

Warum sich KI nicht für Übersetzungen in Leichte Sprache eignet, kannst du auch in diesem Beitrag von mir nachlesen: Gibt es Leichte Sprache auf Knopfdruck?

Was du tun kannst, um keine schlechten Texte in Leichter Sprache zu bekommen

Vermutlich fragst du dich jetzt, was du tun kannst, um dir keine schlechten Leichte-Sprache-Texte an Land zu ziehen.

Tipps hierzu bekommst du in meinem Artikel Wie du das richtige Büro für Leichte Sprache findest. Woran du gute Leichte Sprache erkennst, verrate ich dir in meinem Beitrag Woran du einen guten Text in Leichter Sprache erkennst.

Frau mit schulterlangen blonden Haaren und grauen Strähnen, blauen Augen, Brille und grauem Mantel

Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen und vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert. Sie erstellt Texte in Leichter und Einfacher Sprache für NS-Gedenkstätten, Museen, politische Parteien und Gesundheitsbehörden. In den Sprachrichtungen Französisch-Deutsch und Englisch-Deutsch übersetzt Andrea vor allem im Bereich Wein.

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