Arbeiten Übersetzer*innen lieber für Agenturen oder für Direktkunden? Für dieses Round-up habe ich Übersetzerkolleg*innen mit ganz unterschiedlichen Sprachkombinationen und Fachgebieten gefragt: Übersetzungsagentur oder Direktkunde? Was ist dir lieber?
Sieben Übersetzer*innen verraten dir, warum sie lieber für Agenturen beziehungsweise Endkunden arbeiten. Sie erzählen von Vor- und Nachteilen und sagen dir, wie sie zu ihren Übersetzungskunden kommen. Und natürlich erfährst du auch von mir, ob ich lieber für Übersetzungsagenturen oder für Direktkunden arbeite.
Arbeiten Übersetzer*innen lieber für Übersetzungsagenturen oder für Direktkunden?
#1 Direktkunden sind wertschätzender als Übersetzungsagenturen
Mit Direktkunden verdienen Übersetzer*innen wesentlich besser
“In den 13 Jahren Selbstständigkeit als Fach- und Literaturübersetzerin hat sich der Schwerpunkt meiner Arbeit immer mehr von Verlagskunden und Agenturen in Richtung Direktkunden verlagert. Inzwischen machen Unternehmenskunden vorwiegend aus der Baubranche 90 Prozent meines durchschnittlichen Jahresumsatzes aus.
Je besser meine Spezialisierung und meine Positionierung wurde, desto mehr habe ich mich auf diese Zielgruppe konzentriert. Mit Agenturen habe ich nur noch zusammengearbeitet, wenn wir uns auf angemessene Bedingungen einigen konnten. Dies war leider immer seltener der Fall. Die Qualität, die ich aufgrund meiner Erfahrung mit Kunden als Übersetzerin in der Baubranche bieten kann, muss immer häufiger dem Preisdruck weichen, dem Agenturen heutzutage bei Übersetzungen ausgesetzt sind.
Wer als Übersetzer*in mit Direktkunden arbeiten möchte, braucht eine gute Positionierung
Aus diesem Grund arbeite ich lieber mit Direktkunden zusammen. Es ist zwar nicht ganz einfach, als freiberuflich tätige Übersetzerin an Direktkund*innen heranzukommen und sich dort gegen die ‘großen Player’ durchzusetzen. Dafür braucht es meines Erachtens eine gute, nachgefragte Spezialisierung und eine Positionierung als Expertin für das jeweilige Fachgebiet. Doch die Kunden merken, dass sie von meiner Fachkompetenz und der Möglichkeit, direkt mit mir als Übersetzerin und nicht mit irgendeinem Projektmanager ohne Fachwissen zu kommunizieren, profitieren.
Mit Direktkunden erfahren Übersetzer*innen mehr Wertschätzung
Der Hauptvorteil dieser Kundengruppe besteht für mich in der Wertschätzung: Ich habe bei Direktkunden eher als bei Übersetzungsagenturen das Gefühl, Partnerin auf Augenhöhe zu sein und nicht nur ein Dienstleister, bei dem ausschließlich der Preis der Übersetzung zählt. Außerdem bieten Direktkunden für mich als Übersetzerin das Potenzial für höhere Honorare als Übersetzungsbüros, ganz einfach, weil ein Vertragspartner weniger zwischengeschaltet ist.
Die Arbeit mit Direktkunden ist für Übersetzer*innen oft stressiger als mit Agenturen
Direktkunden sind aber häufig auch anspruchsvoller. Man braucht mehr Stressresistenz, Flexibilität und ein dickes Fell, jedenfalls in meinen Branchen. Darüber hinaus kennen sie sich in unserer Branche meist nicht aus. Es gibt viel Aufklärungsbedarf darüber, wie Übersetzungsprozesse funktionieren, wie sinnvoll der Einsatz von maschineller Übersetzung und anderen technologischen Hilfsmitteln ist. Wenn man sich das aber als Sprachmittler*in bewusst macht und scheinbar unmögliche Anforderungen (zum Beispiel an die Deadline) nicht gleich als Affront versteht, sondern den Kunden sachlich aufklärt, entstehen langfristige Kundenbeziehungen.
Mit Networking und einem Nachrichtenportal als Übersetzer*in zu Direktkunden
Für mich als Fachübersetzerin hat sich Akquise beziehungsweise Networking auf Veranstaltungen bewährt. Um Übersetzungskunden aus der Baubranche zu gewinnen, die an skandinavischen Ländern interessiert sind, besuche ich Branchentreffen vor Ort. Ich studiere die Teilnehmerlisten und mische mich unters Volk. Alle Teilnehmenden aus dem deutschsprachigen Raum sind meine Zielgruppe. Anfangs fiel es mir nicht so leicht, die Teilnehmenden einfach so anzusprechen. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, wie man am besten ins Gespräch kommt.
Außerdem betreibe ich ein Nachrichtenportal (Skand.Baunews). Ich veröffentliche Nachrichten aus der Baubranche in Skandinavien, um Bauunternehmen aus D/A/CH auf die skandinavischen Märkte aufmerksam zu machen und mich als Expertin zu positionieren. Zusammen mit Empfehlungen von Übersetzungskolleg*innen und Referenzen meiner Stammkunden sorgt das (zumindest derzeit) für eine gut gefüllte Projektliste.”
#2 Leichte-Sprache-Übersetzer*innen brauchen direkten Kontakt zum Endkunden
Mit Direktkunden lassen sich für Übersetzer*innen bessere Preise erzielen
“Regelmäßig arbeite ich nur für EINE Übersetzungsagentur. Meine anderen Kunden sind alle Direktkunden: politische Parteien, Vereine, Touristinformationen, mittelständische Unternehmen, Winzer*innen, Museen, andere Freiberufler*innen … Direktkunden machen etwas über 80 Prozent meines Jahresumsatzes als Übersetzerin aus. Die Entscheidung, als Übersetzerin hauptsächlich für Direktkunden zu arbeiten, fiel für mich früh. Als ich 2013 in die Selbstständigkeit startete, zeigte mir ein Bekannter, der ein großes französisches Industrieunternehmen leitet, welche Wortpreise ihm Agenturen für Übersetzungen in Rechnung stellen. Für die Übersetzer*innen fiel davon nur ein Bruchteil ab.
Bei Leichte-Sprache-Projekten ist ein direkter Kontakt zum Endkunden wichtig
Damals übersetzte ich noch ausschließlich vom Französischen ins Deutsche. Seit 2019 biete ich auch Übersetzungen in Leichte Sprache und in Einfache Sprache an. Zwar wäre auch dies über eine Agentur für Leichte Sprache möglich, jedoch wenig effizient. Für Expert*innen in barrierefreier Kommunikation ist ein direkter Kontakt mit dem Endkunden wichtig. Für die Erstellung leicht verständlicher Texte sind eine umfassende Beratung und Absprachen nötig: Für wen genau wird der Text gebraucht? Was ist die Hauptzielgruppe? Welche Vorkenntnisse bringt die Zielgruppe mit?
Texte in Leichter Sprache beschränken sich auf das Wichtigste. Was das Wichtigste ist, wird gemeinsam mit dem Kunden definiert. Über eine Übersetzungsagentur, eine Agentur für barrierefreie Kommunikation oder ein Büro für Leichte Sprache schwierig …
Ohne eine zwischengeschaltete Agentur ist die Kommunikation besser
Als Leichte-Sprache-Übersetzerin und Texterin in Einfacher Sprache arbeite ich viel lieber mit Endkunden. Die Kommunikation verläuft direkt und ohne zwischengeschaltete Agentur. Einzelne Punkte kann ich schneller abklären und Missverständnisse vermeiden. Herkömmliche Übersetzungsagenturen, die bisher nur in Fremdsprachen gearbeitet haben, entdecken den Markt der barrierefreien Kommunikation zunehmend für sich. Sie kennen sich in dem Bereich jedoch nicht aus.
Wo ich meine Kund*innen für Übersetzungen finde, erfährst du auf meinem Blog in folgenden Artikeln: Übersetzungen im Tourismus: 9 Beispiele für Urlaubsfeeling in mehreren Sprachen und 10 Übersetzer verraten, wie sie zu ihren ersten Aufträgen kamen. Seit dem Beginn der Pandemie werden soziale Netzwerke noch wichtiger für mich. In Telefonakquise bin ich als Leichte-Sprache-Übersetzerin mittlerweile Profi …”
#3 Wer für Übersetzungsagenturen arbeitet, kann sich auf seine Übersetzungsarbeit fokussieren
Agenturen bedeuten für Übersetzer*innen weniger Aufwand
“Ich arbeite als Übersetzerin lieber mit Agenturen zusammen. Sie machen ungefähr 95 Prozent meines Umsatzes aus. Das heißt, Direktkunden sind bei mir nur eine Ausnahme. Sie stoßen per Zufall auf mich. Übersetzungsagenturen bedeuten für mich als Fachübersetzerin weniger Stress als Direktkund*innen. Der PM (Projektmanager) einer Agentur für Übersetzungen weiß, wie er am besten mit Endkunden kommuniziert, so dass dadurch klare Aufträge mit klaren Wünschen und Anweisungen entstehen. Projektmanager erklären dem Endkunden alles rund um unsere Branche. Die PMs einer Übersetzungsagentur sorgen dafür, dass alles schnell, glatt und rund läuft, während ich mich auf meine Übersetzungsarbeit fokussieren kann.
Die meisten Übersetzungsbüros bieten beim Übersetzungsprozess viele Arten von Unterstützung an. Die mühselige Suche nach einem Übersetzungsteam erspare ich mir dadurch, dass ich (fast) ausschließlich für Agenturen arbeite. Ein Team zu bilden ist nämlich alles andere als leicht.
Wer für Übersetzungsagenturen arbeitet, hat weniger Verantwortung
Ein weiterer Vorteil der Arbeit mit Übersetzungsbüros ist, dass nicht alles von mir abhängt. Das heißt, wenn ich krank werde oder meinen Urlaub aus diversen Gründen kurzfristig planen muss, springt immer jemand ein. Und last but not least: Obwohl bei größeren Agenturen die Zahlungsziele länger sind, kommen in meinem Fall von allen Übersetzungsbüros die Honorare immer pünktlich an – mir hat in acht Jahren noch keine Agentur Geld geschuldet. Bei Direktkunden kam das schon immer mal wieder vor.
Bisher habe ich nur mit Übersetzungsagenturen aus Serbien und Kroatien gearbeitet. Begonnen habe ich mit einer großen serbischen Agentur, auf deren Anzeige ich reagiert habe. Dann habe ich ein zweites Übersetzungsbüro in meiner Nähe in den Gelben Seiten gefunden und dem Team Kund*innen geschickt, die ich nicht bedienen konnte. Kurz darauf hat mir die Agentur einen Auftrag erteilt. Das war der Start für unsere langjährige Zusammenarbeit.
Als Übersetzer*in über Social Media und durch Empfehlungen zu Agenturkunden
Die anderen großen und kleinen Sprachdienstleister, für die ich regelmäßig übersetze, suchten in Facebookgruppen nach Übersetzer*innen. Ab und zu haben mich Kolleg*innen empfohlen.
Dass ich im Bereich Medizin übersetze, hat sich herumgesprochen. Viele Übersetzerkolleg*innen arbeiten nicht gern im medizinischen Bereich. Ich dagegen habe mich als Übersetzerin für dieses Gebiet entschieden, da ich eine viersemestrige Ausbildung in Molekularbiologie und Physiologie vorweisen kann.
Manche Übersetzungsagenturen sind unorganisiert
Ein Nachteil bei serbischen und kroatischen Großagenturen für Übersetzungen ist, dass manche die Spezialisierungen ihrer Sprachmittler*innen und Übersetzer*innen nicht in einer Liste führen. Die Gebiete werden also manchmal durcheinandergebracht. Ich bekomme Anfragen für Technik statt für meine Spezialgebiete. Ein weiterer Nachteil bei großen Übersetzungsbüros ist, dass es ein paar gibt, die ‘keine Zeit’ haben, um den Eingang der Übersetzung zu bestätigen. Kleine Agenturen sind für eine Zusammenarbeit wesentlich besser und angenehmer.”
#4 Die Zusammenarbeit mit Übersetzungsagenturen kann für Übersetzer durchaus gewinnbringend sein
Es gibt im Übersetzungsbereich Vorzeigeagenturen und andere …
“Knapp über die Hälfte meines Umsatzes generiere ich mit Agenturen. Erfahrene Kolleginnen, wie Andrea Halbritter oder Giselle Chaumien, empfehlen nicht ohne Grund immer wieder die Direktkundenakquise. Ich arbeite trotzdem gern mit Übersetzungsbüros zusammen – aber nicht mit allen.
Für zwei Agenturen übersetze ich wirklich gern und viel. Rund ein Drittel meines Umsatzes geht auf die beiden zurück. Sie sind echte Vorzeigeagenturen und ich möchte euch erklären, welche Vorteile mir die Zusammenarbeit bietet.
Meine Lieblingsagentur arbeitet seit Jahrzehnten für die Justiz. Direkt nach meiner Beeidigung konnte ich sie für mich gewinnen, da ich mit Katalanisch eine seltene Sprache anbiete und mich bereits im Studium auf juristische Fachtexte spezialisiert hatte.
Gute Übersetzungsbüros haben für ihre Sprachmittler*innen immer ein offenes Ohr
Als dann zum ersten Mal eine Ermittlungsakte der spanischen Staatsanwaltschaft auf meinem Tisch lag, musste ich allerdings feststellen, dass mich sechs Jahre Studium darauf nicht vorbereitet hatten. Ich saß vor einer mir gänzlich unbekannten Textsorte und insbesondere die Phraseologie machte mir zu schaffen. Zum Glück konnte ich auf die Kompetenz meiner Übersetzungsagentur zurückgreifen – für Fragen haben die Mitarbeiter*innen stets ein offenes Ohr und jeder Text wird Korrektur gelesen. Im Laufe der vergangenen Jahre konnte ich viel lernen. Dafür bin ich ausgesprochen dankbar.
Mit Agenturen müssen Übersetzer*innen nur wenig verhandeln
Die weiteren Vorteile sind ganz pragmatischer Natur: Preise und Lieferfristen müssen nicht für jeden einzelnen Auftrag verhandelt werden. Darüber hinaus liegt der große Vorteil in der Zusammenarbeit mit einer Übersetzungsagentur darin, dass ich mich nicht um die Abrechnung kümmern muss. Beide Agenturen schreiben Honorargutschriften und überweisen zuverlässig ein- bis zweimal pro Monat. Das spart mir Arbeit und Ärger. Insbesondere bei meiner zweiten Stammagentur kommt das zum Tragen: Für sie übersetze ich fast ausschließlich Urkunden für Privatpersonen. Das heißt, ich bekomme viele kleine Aufträge (im Schnitt 17 pro Monat). Wenn ich jeden einzelnen separat abrechnen müsste, würde sich das nicht lohnen.
Ich werde oft von Agenturen angeschrieben, wenn Sie bestätigte Übersetzungen aus dem Katalanischen benötigen. Inzwischen mache ich bei der Preisgestaltung bei kleineren Anfragen dieser Art keinen Unterschied mehr zwischen Übersetzungsbüros und Direktkunden. Es hat sich gezeigt, dass ich diesen Agenturen für Spanisch entweder zu teuer bin oder sie schon einen Stammübersetzer haben. Die Zusammenarbeit ist dann unregelmäßig. Eine Übersetzungsagentur, für die ich ein- bis zweimal pro Jahr im zweistelligen Bereich arbeite, bringt mir jedoch im Vergleich zu einem Privatkunden keinen Vorteil.
Die Zusammenarbeit mit Übersetzungsbüros kann für Sprachmittler*innen gewinnbringend sein
Fazit: Wenn ein Übersetzungsbüro kein reiner ‘Umtüter’ und auf ein Fachgebiet spezialisiert ist und darüber hinaus administrative Aufgaben sowie die Kundenkommunikation und das Marketing übernimmt, kann die Zusammenarbeit mit einer Agentur durchaus gewinnbringend sein – auch wenn die Preise unter denen liegen, die Direktkunden bezahlen.”
#5 Wer als Übersetzer*in mit Direktkunden zusammenarbeitet, wird weiterempfohlen
Als Übersetzer*in für Direktkunden statt für große Übersetzungsagenturen arbeiten
“Am Anfang meiner Selbstständigkeit habe ich mich als Übersetzer fast ausschließlich auf größere Agenturen konzentriert. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch nicht genügend Erfahrung hatte, um potenzielle Endkund*innen direkt anzusprechen und mit ihnen eine Zusammenarbeit zu starten. Im Laufe der Jahre habe ich dann viel an meiner Verkaufs- und Verhandlungsstrategie gearbeitet. Ich fing an, mir einen kleinen Kundenstamm aus Direktkunden aufzubauen. Zu größeren Übersetzungsagenturen nahm ich immer mehr Abstand.
Die Zusammenarbeit mit Direktkunden macht mehr Spaß
Die Zusammenarbeit mit Direktkunden macht mir als Übersetzer mehr Spaß, weil sie eine Kommunikation auf Augenhöhe ermöglicht. Als Sprachmittler habe ich die Möglichkeit, meine Geschäftspartner besser kennenzulernen. Teils baue ich mit meinen Übersetzungskunden auch eine menschlichere Beziehung auf. Ich habe einen besseren Einblick in die Bedürfnisse meiner Kunden.
Direktkunden machen bei mir im Schnitt etwa 60 Prozent meines Umsatzes aus. Wie man sieht, ist dies noch steigerungsfähig!
Mit ein paar kleinen, sehr genau ausgewählten Übersetzungsagenturen arbeite ich immer noch zusammen. Dabei handelt es sich allerdings meist um Übersetzerkolleg*innen, die mich mit einer nicht von ihnen angebotenen Dienstleistung oder Sprache beauftragen.
Zufriedene Direktkunden empfehlen ihre Übersetzer*innen weiter
Ein weiterer Vorteil der Zusammenarbeit mit Direktkunden besteht sicherlich darin, dass man öfter weiterempfohlen wird. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass man als Übersetzer*in eine tadellose Dienstleistung erbringt. Zu Weiterempfehlungen kommt es mit großen Agenturen leider nicht, zumindest nicht meiner Erfahrung nach.
Nur mit Direktkunden zusammenzuarbeiten bringt auch Nachteile mit sich.
Einer davon ist die Tatsache, dass man viel mehr Zeit in die Kundenakquise investieren muss. Der Traumkunde fällt nicht einfach so vom Himmel. Aber Geduld zahlt sich aus!
Als Übersetzer*in viel über die eigenen Leistungen reden
Was sich für mich als eine erfolgreiche Strategie erwiesen hat, ist, mit allen proaktiv über meine Übersetzungsleistungen zu sprechen. Vielleicht hat man als Übersetzer*in gerade seinen Traumkunden vor sich und weiß es nur noch nicht!
Ich würde jedem Übersetzerkollegen und jeder Sprachmittlerin empfehlen, dies so zu machen. In meinem Fall funktioniert diese Strategie regelmäßig sehr gut. Erfolge habe ich vor allem mit einer meiner Arbeitssprachen: Niederländisch, was in der Kombination mit Italienisch nicht so einfach zu finden ist. Dadurch, dass ich plaudere und erzähle, was ich beruflich mache, konnte ich als Übersetzer bereits einige Endkunden gewinnen, die schon lange auf der Suche nach einem Sprachdienstleister waren.”
#6 Übersetzungsagenturen bieten eine Vielfalt an Übersetzungsprojekten
Übersetzungsagenturen haben bei Sprachmittler*innen oft einen schlechten Ruf
“In Übersetzerkreisen haben Agenturen oftmals keinen guten Ruf. Gängige Vorurteile lauten: Agenturen behandeln ihre Übersetzer schlecht, zahlen wenig und spät. Wenn man als Übersetzerin viel für Agenturen arbeitet, gilt man oftmals als zweitklassig.
Ich arbeite trotzdem viel und gerne für Übersetzungsagenturen. 2020 habe ich rund 70 Prozent meines Umsatzes mit Agenturen erzielt. Dadurch, dass diese einen deutlich größeren Zugriff auf unterschiedliche Branchen haben, als ich das mit Direktkunden jemals könnte, haben mich ‘meine’ Übersetzungsbüros bisher sehr gut durch die Corona-Krise gebracht.
Was reizt mich an der Arbeit mit Agenturen?
In erster Linie die inhaltliche Vielfalt der Projekte. Natürlich bin ich auf ein Fachgebiet spezialisiert, in meinem Fall Recht, und arbeite auch vorwiegend in diesem Bereich. Es kommt aber immer wieder vor, dass Agenturen ganz andere Themen an mich herantragen.
Übersetzungsagenturen bieten oft interessante Projekte
Während ich für meinen wichtigsten Direktkunden eigentlich nur Verträge und Richtlinien übersetze, fragen meine Agenturkunden auch mal nach, ob ich helfen könnte, eine Website für Sportbekleidung oder eine Speisekarte zu übersetzen. Ich lerne dadurch regelmäßig neue Themen kennen, die mir in der Arbeit mit Direktkunden verschlossen bleiben.
Gute Übersetungsbüros sind wenig betreuungsintensiv
Darüber hinaus sind gute Agenturen deutlich weniger betreuungsintensiv als Direktkunden. Das fängt schon bei der Akquise an. Bei einer Agentur bewirbt man sich mit einem Lebenslauf und macht vielleicht noch einen Test. Gesamtaufwand in der Regel 1 bis 2 Stunden. Die Akquise eines neuen Direktkunden kann sich über Wochen hinziehen, angefangen von Besuchen auf Messeständen bis hin zu langwierigem Schriftverkehr, in dem man den Kunden davon überzeugen muss, dass man die richtige Person für das Projekt ist.
Von guten Agenturen bekommen Übersetzer*innen Unterstützung bei Problemen
Gute Übersetzungsbüros unterstützen ihre Übersetzer*innen bei EDV-Problemen. Sie bereiten nicht editierbare PDFs auf, stellen den Korrektor und kümmern sich darum, dass die Formatierung der PowerPoint-Präsentation am Ende stimmt. Übersetzer*innen können sich auf die reine Übersetzungsarbeit konzentrieren. Gerade für junge Übersetzer*innen ist ein Einstieg über Agenturen eine Möglichkeit, Erfahrung zu sammeln. Diese erleichtert später die Zusammenarbeit mit Direktkunden erheblich.
Natürlich ist Agentur nicht gleich Agentur. Ich arbeite seit vielen Jahren hauptsächlich mit drei Übersetzungsagenturen zusammen, dazu kommt noch ‘Agenturlaufkundschaft’.
Wie du als Übersetzer*in gute Agenturen findest
Meine Agenturen habe ich bis auf eine Ausnahme über das Blue Board von Proz.com gefunden. Ich schaue mir an, wer einen Schwerpunkt in meinem Fachgebiet, dauerhaft exzellente Bewertungen, eine aussagekräftige Website und seinen Sitz in der EU hat. Erfüllt eine Agentur diese Voraussetzungen, schreibe ich sie an. Dann kommen wir hoffentlich ins Geschäft.
Ein Vorurteil stimmt allerdings: Wenn eine Agentur einen aufwändigen Onboarding-Prozess mit ellenlangen Verträgen hat, dann taugt sie in der Regel nichts. Gute Übersetzungsagenturen haben kurze, faire Verträge und testen die Qualität ihrer Übersetzer*innen durch kleinere, bezahlte Aufträge und nicht durch lange, kostenlose Tests und das Absitzen von Trainingsvideos.”
#7 Die direkte Kommunikation mit Endkunden führt zu hochwertigeren Texten
Übersetzungsagentur oder Direktkunde?
“Ei oder Huhn? Was war zuerst da? Keine Übersetzungsagentur kann ohne Endkunden leben. Direktkunden existierten, lange bevor es für Übersetzungen Agenturen gab.
Ist es für Übersetzer*innen besser, mit Agenturen oder mit Direktkunden zusammenzuarbeiten? Bei mir lautet die Antwort eindeutig Direktkunden – obwohl ich zugeben muss, dass die Zusammenarbeit mit Übersetzungsagenturen auch Vorteile bietet.
Eine gute Übersetzungsagentur versorgt ihre Übersetzer*innen mit regelmäßigen Aufträgen
Arbeitet man als Sprachmittler*in für ein gutes Übersetzungsbüro, ist das Leben einfacher. Eine gute Agentur sorgt für einen bequemen und quasi ununterbrochenen ‘Zufluss’ von Aufträgen und Übersetzungsjobs. Eine gute Agentur kennt mich, kennt meine Kenntnisse, Erfahrungen, Fähigkeiten, Fachspezialisationen, Sprachkombinationen. Dadurch kann sie mir als Übersetzer die richtigen Aufträge zuteilen.
Und auch für Kunden bringt eine gute Übersetzungsagentur deutliche Vorteile: Vor allem ist sie für Kunden der einzige Kontakt, der einzige Ansprechpartner für alle Übersetzungsbedürfnisse. Der Kunde muss nicht überlegen, für welche Sprachen er eine Übersetzung benötigt. Er muss sich nicht fragen, ob dieser oder jener Übersetzer der richtige und zuverlässigste ist und ob er oder sie sich nicht gerade zufällig im Urlaub befindet.
Agenturen schneiden sich viel vom “Übersetzungskuchen” ab
Diese Vorteile und dieser Komfort sind allerdings nicht umsonst: Jede Agentur schneidet sich eine bestimmte Scheibe vom ‘Übersetzungskuchen’ ab. Das ist für mich aber nur eine und längst nicht die einzige Motivation, lieber mit Endkunden zusammenzuarbeiten.
Nicht jede Übersetzungsagentur ist eine gute Agentur. Leider trifft man als Übersetzer*in auch auf Agenturen, die nur als Ermittler oder ‘Durchlauferhitzer’ fungieren und die keinen größeren Mehrwert schaffen. In Übersetzerkreisen nennt man solche Übersetzungsbüros auch ‘Umtüter’. Diese Agenturen interessieren nur Preis und Termin und nicht, für welche Übersetzer*innen sich der Auftrag eignet. Übersetzungsagenturen, die Aufträge nur nach Volumen einstufen und nicht wissen, wie sehr die Kenntnisse in die Tiefe gehen müssen. Zu einer verantwortungsbewussten Entscheidung, wem man den Übersetzungsauftrag erteilen sollte oder nicht, kommt es nicht.
Die Kommunikation mit Direktkunden verläuft oft geradliniger als mit Agenturen
Die Kommunikation mit Direktkunden läuft für Sprachmittler*innen anders ab. Ein Direktkunde teilt mir als Übersetzer klar mit, um welchen Typ Dokument es sich handelt, mit welchem Umfang ich rechnen sollte und für welches Publikum beziehungsweise welche Zielgruppe der Text bestimmt ist. Dadurch kann ich als Sprachdienstleister Aufwand und Termin besser abschätzen. Und ich kann ablehnen, wenn sich das Material als ‘zu fachlich’ erweist. Also wenn es sich zum Beispiel um einen komplizierten Vertrag oder juristischen Text handelt und ich in diesem Gebiet kein Spezialist bin.
Wichtige Fragen lassen sich mit Direktkunden schneller klären als mit Übersetzungsbüros
Wenn ich als Übersetzer für Direktkunden arbeite, kann ich bestimmte Punkte, die den Übersetzungsauftrag betreffen, viel schneller abklären als mit einer Agentur. Ich kann mit dem Endkunden direkt über Botschaft, Terminologie und Besonderheiten des Textes kommunizieren und mich mit ihm abstimmen. Ein Punkt, den ich für ein hochwertiges Ergebnis als sehr wichtig erachte.
Wenn ich als Sprachdienstleister lieber mit Direktkunden zusammenarbeite, dann vor allem aufgrund der direkteren, persönlichen Kommunikation, die in die Tiefe führt und durch die eine wesentlich bessere Qualität der Übersetzung möglich ist. So zu arbeiten macht mir als Übersetzer mehr Spaß: Ich möchte als Übersetzer hochwertige Texte liefern, die wirklich auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind.
Während 2017 noch 20 Prozent meines Jahresumsatzes auf Übersetzungsagenturen zurückgingen, sind es mittlerweile nur noch 4 Prozent.”
Wie Dávid Endkunden findet, kannst du im Artikel 10 Übersetzer verraten, wie sie zu ihren ersten Aufträgen kamen nachlesen.
Du siehst: DIE Antwort auf die Frage, ob Übersetzer*innen lieber mit Übersetzungsagenturen oder mit Endkund*innen zusammenarbeiten, gibt es nicht. Manche Sprachmittler*innen bevorzugen Direktkunden, andere Agenturen. In der Zusammenarbeit mit jedem Kunden gibt es Vor- und Nachteile. Egal ob es sich um einen Direktkunden oder ein Übersetzungsbüro handelt. Und auch die Kommunikation mit Endkunden verläuft nicht immer so, wie Sprachmittler*innen sich dies wünschen würden …
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