In diesem Artikel verrate ich dir, welche 15 Fehler deine Partei im Hinblick auf ein Wahlprogramm in Leichter Sprache unbedingt vermeiden sollte.
Natürlich bekommst du von mir auch jede Menge Tipps, wie du als Politiker einen Wahlkampf führen kannst, der die besonderen Bedürfnisse von Menschen berücksichtigt, die auf Leichte Sprache angewiesen sind.
15 häufige Fehler in Bezug auf Wahlprogramme in Leichter Sprache und wie du sie vermeiden kannst
#1 Deine Partei bietet gar kein Wahlprogramm in Leichter Sprache an
Fehler Nr. 1 ist natürlich, überhaupt kein Wahlprogramm in Leichter Sprache anzubieten. Wahlprogramme auf Standarddeutsch sind häufig schwer zu verstehen. Texte in Leichter Sprache werden dagegen von fast 100 % der wahlberechtigten Menschen in Deutschland verstanden. 10 Gründe, warum du das Programm deiner Partei in Leichte Sprache übersetzen lassen solltest, findest du hier.
Du bist der Meinung, deine Partei braucht ein Wahlprogramm in Leichter Sprache, um allen politische Teilhabe zu ermöglichen, aber die anderen Kandidaten auf eurer Wahlliste sehen das nicht so?
Ein paar Ideen, wie du sie davon überzeugen kannst, euer Kurzwahlprogramm in Leichte Sprache übersetzen zu lassen, findest du in meinem Artikel 7 Argumente, die gegen ein barrierefreies Wahlprogramm sprechen und wie du ihnen begegnen kannst.
#2 Dein Wahlprogramm in Leichter Sprache ist zu lang
Kennst du das auch? Ihr schreibt an eurem Wahlprogramm und schreibt und schreibt … Anfangs waren es 20 Seiten, dann plötzlich 30. Immer mehr Punkte kommen dazu und schließlich seid ihr bei über 40 Seiten angelangt. Auf bestimmte Ziele und Themen wollt ihr auch in eurem Wahlprogramm in Leichter Sprache nicht verzichten. Eurem Übersetzer in Leichte Sprache stellt ihr zwar ein Kurzwahlprogramm zur Verfügung. Dieses hat aber auch schon über 15 Seiten und so wird auch das Programm in Leichter Sprache sehr, sehr lang. (In der Regel ist mit einem Faktor 4 oder 5 zu rechnen.)
Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind, sind jedoch überfordert, wenn sie ein sehr umfangreiches Programm vor sich liegen haben. Der Text deines Wahlprogramms kann noch so leicht verständlich sein, wenn er zu lang ist, erreicht er deine Wähler*innen nur teilweise.
Für dein Wahlprogramm in Leichter Sprache empfehle ich dir und deiner Partei daher, 15 Seiten möglichst nicht zu überschreiten.
#3 Dein Wahlprogramm enthält schwer verständliche Strukturen
Immer wieder begegnen mir Wahlprogramme, die von sich behaupten, in Leichter Sprache abgefasst worden zu sein. In Wirklichkeit sind sie es jedoch nur zum Teil. Stattdessen enthalten sie Strukturen, wie Passiv, Genitive und schwer verständliche Nebensätze. Welche Strukturen in deinem Programm in Leichter Sprache absolut tabu sein sollten, erfährst du in meinem Artikel 5 Strukturen, die in Leichter Sprache nichts verloren haben.
#4 Das Vokabular in deinem Programm ist nicht leicht zu verstehen
Dein Wahlprogramm in Leichter Sprache sollte nur leichte Wörter beinhalten. Schwere Wörter, wie z. B. Fremdwörter, Abkürzungen, seltene Wörter usw., sollte dein Übersetzer für Leichte Sprache vermeiden. Wenn sie trotzdem einmal nötig sind, müssen sie erklärt werden.
Ein schweres Wort ist z. B. Kultur-Angebot. Das kannst du in deinem barrierefreien Wahlprogramm folgendermaßen erklären:
Kultur-Angebote sind zum Beispiel Theater-Stücke, Konzerte und Filme.
Schwer verständlich ist auch der Begriff Gremium. Ihn kannst du z. B. so erklären:
Ein Gremium ist eine Gruppe von Menschen. In einem Gremium
entscheidet man über wichtige Dinge. Gremien sind zum Beispiel der
Stadtrat und der Behinderten-Beirat.
Wie du Leichte Wörter erkennst, erfährst du in meinem Artikel Leichte Sprache: Wie erkennt man Leichte Wörter?
Welche Wörter du in deinem Wahlprogramm unbedingt erklären solltest, erfährst du hier: 13 Wörter, die dein Büro für Leichte Sprache in deinem Wahlprogramm erklären sollte
#5 Dein Wahlprogramm in Leichter Sprache enthält keine Illustrationen
Zur Unterstützung des besseren Textverständnisses benötigen deine Wähler*innen mit Lernschwierigkeiten Bilder. Gut ist ein Bild pro Sinnabschnitt.
Deinem Übersetzer in Leichte Sprache stehen hierfür verschiedene Bilddatenbanken zur Verfügung. Meist geben solche Bilder aber nur das Thema und nicht die genaue Botschaft an.
Das heißt: Die Leser*innen deines Wahlprogramms in Leichter Sprache sehen anhand der ausgewählten Illustration z. B. sofort, dass es in diesem oder jenem Abschnitt um Natur und Umwelt geht. Oder aber um Wohnungen, Arbeit, Krankenhäuser oder Kinderbetreuung.
Für Menschen mit einer geistigen Behinderung ist dies schon mal ein guter Hinweis.
Noch besser ist es, wenn die in deinem barrierefreien Wahlprogramm verwendeten Bilder die genaue Botschaft des jeweiligen Sinnabschnitts verdeutlichen. Also wenn sie z. B. zeigen, dass deine Partei möchte, dass die Kinderbetreuung in eurer Stadt künftig kostenlos ist.
Möglich ist dies meist nur, wenn ein visueller Übersetzer eigens für euer Wahlprogramm Illustrationen anfertigt. Zugegebenermaßen ist dies jedoch wesentlich teurer, als Bilder von einer Bilddatenbank zu verwenden.
Insbesondere bei Landtagswahlen und bei Bundestagswahlen, bei denen die Wahlkampfbudgets oft einiges höher sind, sollte dein Parteivorstand dies jedoch in Betracht ziehen.
#6 Die Schrift deines leicht verständlichen Wahlprogramms ist schwer lesbar
Ist die Schrift deines Wahlprogramms in Leichter Sprache schwer lesbar, kann es noch so leicht verständlich sein. Deine Wähler*innen können es trotzdem nicht lesen und verstehen.
Immer wieder kommt es vor, dass Parteien das, wofür sie stehen, auf kleine Flyer drucken. Für viele Menschen, die auf ein Programm in Leichter Sprache angewiesen sind, ist eine kleine Schrift jedoch kaum oder gar nicht zu lesen.
Viele Menschen sind nämlich z. B. mehrfach behindert.
Schwer lesbar kann dein Text nicht nur sein, weil die Schrift zu klein ist, sondern auch weil du auf den falschen Schrifttyp gesetzt hast.
Schrifttypen mit Serifen können von Menschen mit einem geistigen Handicap und auch von Leuten, die nicht so flüssig lesen, schwer oder gar nicht entziffert werden.
Wichtig ist auch der richtige Abstand zwischen den Buchstaben. Dieser Abstand darf weder zu groß noch zu klein sein. Statt auf Arial Narrow solltest du also z. B. auf Arial setzen.
Gut lesbar sind z. B. Arial, Calibri und Ebrima. Schlecht oder gar nicht lesbar sind Bahnschrift Condensed, Times New Roman oder Mistral.
Achtung: Durchgehende GROSSSCHREIBUNG ist auch zu vermeiden.
#7 Der Zeilenabstand auf deinem Wahlprogramm ist zu klein
Nicht nur die Buchstaben deines Wahlprogramms in Leichter Sprache sollten nicht zu dicht gedrängt aneinander stehen. Damit alle deine Wähler*innen das Programm deiner Partei gut lesen können, sollte auch der Zeilenabstand passen.
Das Netzwerk Leichte Sprache empfiehlt einen Zeilenabstand von mindestens 1,5.
#8 Ziele, Slogans usw. befinden sich auf einem farbigen Hintergrund
Vielleicht hast du auch schon die Erfahrung gemacht, dass du Websites, die wenig Kontrast aufweisen, am Abend schwer lesen kannst. Menschen, deren geistige Fähigkeiten reduziert sind, geht das oft auch tagsüber so.
Häufig können sie z. B. eine Schrift nicht lesen, die sich auf einem farbigen Hintergrund befindet. Das heißt nicht unbedingt, dass deine Partei auf Farbe verzichten muss. Sie sollte sie nur in einem barrierefreien bzw. barrierearmen Wahlprogramm anders einsetzen als sonst.
Anders gesagt: Liebe Grüne, weiße Schrift auf grünem Hintergrund geht gar nicht, so gern ich Grün mag. Und liebe FDP, von gelber Schrift auf blauem Hintergrund solltet ihr absehen. Und auch Weiß auf Rot bzw. Schwarz auf Rot ist nicht ideal, liebe Genoss*innen von SPD und LINKE.
Text sollte sich immer auf einem weißen Hintergrund befinden. Was die Schrift betrifft, könnt ihr jedoch mit Farben spielen. Zum Beispiel um Wichtiges hervorzuheben. Auch hier ist jedoch ein guter Kontrast nötig. Die gewählten Farben sollten eher kräftig und gut erkennbar sein. Falls du von der FDP bist: Very sorry, aber Gelb ist echt nicht der Hit.
Natürlich unterstütze ich den Grafiker eurer Partei gern bei der Farbauswahl und gebe ihm Tipps an die Hand.
#9 Euer Titelblatt ist nicht barrierefrei
Die meisten Titelblätter von Wahlprogrammen in Leichter Sprache, die mir so im Netz begegnen, sind nicht barrierefrei.
Meist ist man nämlich froh, dass das Wahlprogramm endlich übersetzt ist, an das Design des Titelblatts hat jedoch niemand gedacht. Kennst du auch, oder?
In der Regel ist es ja auch so, dass man ewig gebraucht hat, um sich auf eine zündende Idee fürs Titelblatt des Wahlprogramms zu einigen. Wenn man dann schließlich ein Titelblatt hat, das allen im Vorstand gefällt, will man es natürlich für alle Fassungen des Wahlprogramms verwenden: für das Wahlprogramm in Standarddeutsch, das Kurzwahlprogramm (KWP) in Standarddeutsch, das Wahlprogramm in Einfacher Sprache, das Kurzwahlprogramm in Leichter Sprache, das Wahlprogramm auf Italienisch oder Türkisch usw.
Leider funktioniert das nicht! Wenn du dir die Titelblätter eurer letzten Wahl- oder Parteiprogramme anschaust, fällt dir vermutlich Folgendes auf:
Es prangt dir Schrift auf buntem Hintergrund entgegen. Und schon war es das mit der leichten Lesbarkeit.
Sehr wahrscheinlich muss der Text auf der Titelseite auch sprachlich angepasst werden. Statt Kurzwahlprogramm sollte da z. B. zwecks besserer Lesbarkeit Kurz-Wahlprogramm oder Kurz-Wahl-Programm stehen.
Häufig werden auch Wahlslogans verwendet, die Bilder enthalten, wie z. B. Bamberg einen grünen Anstrich geben (von mir gerade frei erfunden). Von Menschen mit einer geistigen Behinderung würde dieser Anstrich aber wörtlich verstanden. Dieser Slogan müsste also adaptiert werden. Europas Versprechen erneuern (auf dem Titelblatt eines Wahlprogramms zur Europawahl 2019 gelesen) ist für Menschen mit Lernschwierigkeiten z. B. ebenfalls nicht zu verstehen.
Also: Wenn ihr wollt, dass eure Wähler*innen auch auf Seite 2, 3 und noch weiter in eurem Wahlprogramm schauen, solltet ihr darauf achten, dass euer Titelblatt leicht verständlich und barrierefrei ist. Sonst entsteht für den Wähler bzw. die Wählerin schnell der Eindruck, dass es sich nicht lohnt weiterzulesen.
Außerdem möchtet ihr doch sicher gern, dass eure Zielgruppe auch versteht, wessen Text sie da liest, oder?
Auch sollte auf eurer Titelseite vermerkt sein, dass es sich um ein Wahlprogramm in Leichter Sprache handelt.
#10 Euer Wahlprogramm ist inhaltlich nicht gut strukturiert
In Teil 1 deines Wahlprogramms geht es um den Ist-Zustand in eurer Stadt, eurem Kreis oder eurem Bundesland. Dabei sprecht ihr über Wohnungspolitik, Gesundheitspolitik, Sozialpolitik, Arbeitslosigkeit, erneuerbare Energien, Barrierefreiheit und und und.
Teil 2 deines Wahlprogramms befasst sich wieder mit denselben Bereichen. Dieses Mal geht es aber darum, wie für deine Partei der Soll-Zustand aussehen soll.
Nachdem sich eure Wähler*innen durch Teil 1 und 2 gelesen haben (oder auch nicht), gelangen sie schließlich zu Teil 3, in dem deine Partei vorstellt, wie ihr vom Ist- zum Soll-Zustand gelangen wollt. In den Bereichen Wohnungspolitik, Gesundheitspolitik, Sozialpolitik, Umweltpolitik, Wirtschaftspolitik und und und.
Kennst du von manchen Programmen? Ich auch! Im Prinzip blättert man ständig hin und her oder gibt irgendwann einmal auf. Für Menschen mit eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten ist eine gute Gliederung noch viel wichtiger. Bei Wahlprogrammen bietet sich hier eine Strukturierung nach Bereichen an, also z. B. zuerst Wohnungspolitik, dann Gesundheitspolitik. Jeweils mit Ist-, Soll-Zustand und wie ihr da hinkommen wollt.
Ein guter Übersetzer in Leichte Sprache weist dich übrigens auf eine solche Problematik hin und schlägt dir vor, eine inhaltliche Neustrukturierung vorzunehmen.
#11 Die Art, wie in eurem Wahlprogramm gegendert wird, erschwert das Verständnis
Gendergerechte Sprache ist leider häufig nicht barrierefrei. Ganz im Gegenteil! Gendersternchen, Binnen-I, Schrägstrich und andere Sonderzeichen erschweren die Lesbarkeit oder machen sie für manche Menschen sogar unmöglich.
In barrierefreien Texten sollte Gendern daher durch die Verwendung häufig verbreiteter neutraler Begriffe verwendet werden. Statt Bürger*innen schreibe ich in meinen Übersetzungen in Leichte und Einfache Sprache z. B. häufig einfach Menschen.
Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung der maskulinen und der femininen Form, also z. B. Bürger und Bürgerinnen, wobei das Netzwerk Leichte Sprache empfiehlt, zuerst die männliche Form zu nennen. Diese ist nämlich in der Regel kürzer und besser lesbar.
In Wahlprogrammen bestimmter Parteien sind Gendersternchen sehr verbreitet. In der Regel gelingt es mir, meinen Kund*innen davon abzuraten. Solltet ihr im Parteivorstand beschließen, dass ihr auf ein Gendersternchen nicht verzichten wollt, sollte in eurem Programm unbedingt erklärt sein, was es bedeutet. Die Verwendung von Binnen-I, Schrägstrichen und anderen Sonderzeichen zum Zweck des Genderns haben in Leichter und Einfacher Sprache nichts zu suchen.
#12 Deine Partei hat sich für das falsche Büro für Leichte Sprache entschieden
Solltest du feststellen, dass dein Wahlprogramm komplizierte Strukturen, nicht erklärte Fremdwörter, durchgehende Großschreibung usw. enthält, hat deine Partei vermutlich auf das falsche Büro für Leichte Sprache beauftragt.
Wie ihr einen Übersetzer oder eine Agentur für barrierefreie Kommunikation findet, die euch auch wirklich Leichte Sprache liefert und nicht nur verspricht, erfährst du in meinem Artikel: 11 Tipps, wie deine Partei den richtigen Übersetzer für Leichte Sprache findet.
#13 Euer barrierefreies Wahlprogramm ist auf der Website gut versteckt
Nachdem ihr viel Zeit, Schweißperlen und Geld in euer Wahlprogramm gesteckt habt, sollte es auf der Website deines Ortsverbandes, Kreisverbandes oder Landesverbandes auch schnell aufzufinden sein.
Leider sind das die wenigsten Wahlprogramme. Vielleicht ist dir das als Kandidat ja selbst schon aufgefallen, wenn du versucht hast, das Programm der “Konkurrenz” zu finden.
Worauf du hierbei achten solltest, verrate ich dir in meinem Artikel 7 Tipps, mit denen dein Wahlprogramm in leicht verständlicher Sprache gelesen wird.
#14 Ihr bringt euer Wahlprogramm in Leichter Sprache nicht an den Wähler
Ihr habt ganz, ganz viele leicht verständliche Wahlprogramme, Flyer, Broschüren usw. drucken lassen, aber sie gammeln in eurem Wahlkampfbüro oder bei dir zu Hause vor sich hin? Wie du das vermeidest und Menschen mit einer geistigen Behinderung, Hirnverletzungen usw. erreichst, erkläre ich dir ebenfalls in meinem Artikel 7 Tipps, mit denen dein Wahlprogramm in leicht verständlicher Sprache gelesen wird.
#15 Ihr verstoßt gegen Lizenzbestimmungen und/oder Nutzungsrechte
Vor allem im Hinblick auf die Verwendung von Illustrationen begegnen mir in Texten in Leichter Sprache immer wieder Verstöße gegen die Lizenzbestimmungen von Bilddatenbanken. Wie weiter oben erwähnt, benötigt Leichte Sprache Bilder. Bei der Verwendung von Bildern müsst ihr selbstverständlich auch als Partei auf Nutzungsrechte achten.
Angebot für die Übersetzung eines Wahlprogramms in Leichte Sprache anfordern
Fotos: © Andrea Halbritter
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