contact@cotelangues.com

Leichte Sprache: Weniger ist mehr

Viele Blumen

Leichte Sprache ist die am meisten vereinfachte Sprachform des Deutschen und richtet sich vor allem an Menschen mit einer geistigen Behinderung. Die Devise bei Leichter Sprache lautet: Weniger ist mehr. Was aber heißt das genau?

 

In Leichter Sprache ist weniger mehr

#1 Weniger Text

Zunächst einmal gilt in Leichter Sprache: Weniger Text ist mehr. Die Hauptzielgruppe Leichter Sprache ist nicht nur mit schweren Wörtern oder komplexem Satzbau überfordert, sondern auch mit einem hohen Textvolumen. Leichte-Sprache-Texte sollten daher so kurz wie möglich sein. Übertragen Expert*innen für barrierefreie Kommunikation einen standarddeutschen Text in Leichte Sprache, wählen sie aus diesem die wichtigsten Aspekte aus. In Absprache mit Kund*innen beurteilen Übersetzer*innen, welche Punkte für die Adressat*innen Leichter Sprache am relevantesten sind.

 

#2 Weniger Personalpronomen

In einem Leichte-Sprache-Text kommen nur wenige Personalpronomen vor. Personalpronomen (er, sie, wir …) stehen – wie der lateinische Name sagt – für ein Nomen. Sie stehen also zum Beispiel für Eigennamen, Berufsbezeichnungen oder einen Gegenstand. Befinden sich Personalpronomen im Text, müssen Lesende den Bezug zu dem Nomen herstellen, das vom Pronomen ersetzt wird. Dies mag einfach klingen, ist aber – vor allem wenn verschiedene Verknüpfungen möglich sind – eine größere gedankliche Leistung. Personalpronomen finden deshalb in Leichter Sprache nur wenig Verwendung. Das Pronomen sie wird ganz gemieden. Warum kannst du in diesem Artikel nachlesen: Warum du das Pronomen sie in Leichter Sprache meiden solltest

 

#3 Weniger Abwechslung

Leichte Sprache setzt nicht auf sprachliche Abwechslung. Damit klar ist, worum es geht, werden gleiche Dinge immer gleich bezeichnet. Und zwar mit dem leichtesten Wort, das für diese Dinge zur Verfügung steht. Eine Gruppe von Freunden wird im selben Text zum Beispiel nicht einmal als Freunde, dann als Kameraden, Schulfreunde oder Kumpels bezeichnet. Ein Arzt nicht als Arzt, dann als Mediziner, Gynäkologe oder HNO. Im ersteren Fall wird man sich für Freunde entscheiden, im zweiteren für Arzt und zwar im kompletten Text. Variiert die Bezeichnung, tauchen schnell Fragen beziehungsweise Zweifel auf: Handelt es sich wirklich um dieselbe Person oder ist nun von einer anderen Person die Rede? Mit verschiedenen Bezeichnungen kommt Verwirrung auf. Mehr hierzu kannst du in meinem Artikel  nachlesen Leichte Sprache: gleiche Wörter für gleiche Dinge

 

#4 Weniger Kommata

Leichte Sprache verzichtet fast völlig auf Nebensätze. Auch Satzreihen – also die Verbindung von mehreren Hauptsätzen in einem Satz – gibt es nicht. Da auch Aufzählungen in Leichter Sprache nicht mit Kommata erfolgen, sondern in Listenform mit Doppelpunkt und Bullet Points oder Spiegelstrichen, kommen in Leichte-Sprache-Texten wesentlich weniger Kommata vor als im Standarddeutschen und auch in Einfacher Sprache.

 

#5 Weniger Satzzeichen

In Leichter Sprache gibt es nicht nur wenige Kommata. Manche Satzzeichen kommen in Leichter Sprache gar nicht vor. Dazu zählen zum Beispiel Ausrufezeichen und Strichpunkt. Übersetzer*innen des Netzwerks Leichte Sprache e. V. setzen auch kaum Fragezeichen ein. Mehr zu Satzzeichen in Leichter Sprache erfährst du in meinem Artikel: Welche Satzzeichen gibt es in Leichter Sprache?

 

#6 Weniger Sonderzeichen

Auch Sonderzeichen gibt es in Leichter Sprache kaum. Verwendet werden nur sehr häufige Sonderzeichen wie zum Beispiel das Eurozeichen. Mehr zum Thema Leichte Sprache und Sonderzeichen kannst du in meinem Artikel 5 Tipps zu Sonderzeichen in Leichter Sprache nachlesen.

 

#7 Weniger Buchstaben pro Wort

Leichte Sprache zeichnet sich unter anderem durch die Verwendung leichter Wörter aus. Leichte Wörter haben ein Merkmal: Sie sind kurz. Und damit haben leichte Wörter auch wenige Buchstaben. Weitere Merkmale leichter Wörter verrate ich dir in meinem Artikel: Leichte Sprache: Wie erkennt man leichte Wörter?

 

#8 Weniger Tempora

In Leichter Sprache heißt es auch: Weniger Tempora ist mehr! Das Tempus-System ist in Leichter Sprache stark reduziert. Verwendet werden Präsens, Perfekt und nur bei bestimmten Verben auch das Präteritum. Mehr Infos zum Tempus-System in Leichter gibt es hier: Welche Tempora verwendet Leichte Sprache?

 

#9 Weniger Zahlen

Die meisten Menschen mit einer geistigen Behinderung können sich unter Zahlen nicht viel vorstellen, vor allem wenn diese 50 übersteigen. Leichte-Sprache-Texter*innen verwenden daher so wenige Zahlen wie möglich. Stattdessen schreiben Expert*innen für Barrierefreiheit: wenige, viele oder sehr viele. Auch Jahreszahlen kommen in Leichte-Sprache-Texten kaum vor. In Geschichtstexten lassen sich diese aber nicht ganz vermeiden. Auch dann bietet es sich meist an, erklärende Zusatzangaben zu machen, zum Beispiel:

  • zum Jahr 1560: Das ist schon sehr lange her.
  • zum Jahr 2000: Das ist schon mehr als 20 Jahre her.

 

#10 Weniger Verneinungen

Leichte Sprache ist positiv. Verneinungen werden möglichst vermieden, da sie oft schwer verständlich sind. Wir sagen in Leichter Sprache zum Beispiel nicht Das war nicht schwer, sondern Das war einfach. Mehr über Verneinungen in Leichter Sprache erfährst du in meinen Blogartikel Was du über Verneinungen in Leichter Sprache wissen solltest und Leichte Sprache: K-Negation oder N-Negation?

 

#11 Weniger Fremd- und Fachwörter

Fremd- und Fachwörter kommen in einem Leichte-Sprache-Text nur vor, wenn sie absolut nötig sind. Damit sind Fremd- und Fachwörter in Leichter Sprache sehr selten. Müssen sie Leichte-Sprache-Expert*innen dennoch verwenden, wird ihre Bedeutung erklärt. Und manchmal auch die Aussprache. Mehr zu Fremd- und Fachwörtern in barrierefreier Kommunikation kannst du hier nachlesen: Wie du in Leichter Sprache mit Fremdwörtern umgehst und 6 Punkte, die dafür sprechen, die Aussprache von Leichten Wörtern anzugeben

 

Leichte-Sprache-Texte sind leicht verständlich, weil sie weniger Personalpronomen, weniger Zahlen und Tempora haben. Leichte Sprache ist barrierefrei, weil Wörter und Sätze kurz sind. Manche Strukturen gibt es in Leichter Sprache gar nicht: 5 Strukturen, die in Leichter Sprache nichts zu suchen haben

 

Newsletter zu Leichter Sprache abonnieren

Übersetzerin Andrea Halbritter

Leichte-Sprache-Übersetzerin Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen und vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert. Sie beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit sprachlicher Inklusion und erstellt hauptsächlich für Gedenkstätten, Museen, Politiker*innen und den Gesundheitsbereich Texte in Leichter und Einfacher Sprache.

Diese Artikel könnten dich auch interessieren:

Rezension: Leichte Sprache – Sonja Gross

Fotos: © Andrea Halbritter

Written by

The author didnt add any Information to his profile yet