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Leichte Sprache: So löst du Konditionalsätze auf

Mann mit einem Text in der Hand, er hält den Daumen nach oben

Konditionalsätze in Leichter Sprache auflösen

Sätze in Leichter Sprache müssen kurz sein. Sie sollten vor allem keine Satzgefüge enthalten. Adverbiale Nebensätze sind in Leichter Sprache sowohl für das Netzwerk Leichte Sprache e. V. als auch für Ursula Bredel und Christiane Maaß von der Universität Hildesheim tabu.

Die verschiedenen Arten von adverbialen Nebensätzen

Adverbiale Nebensätze lassen sich einteilen in:

  1. Kausalsätze (eingeleitet mit weil, da)
  2. Temporalsätze (eingeleitet mit während, bevor, nachdem, als, wenn, sobald)
  3. Konzessivsätze (eingeleitet mit obwohl, obschon, obgleich)
  4. Finalsätze (eingeleitet mit damit)
  5. Konsekutivsätze (eingeleitet mit sodass)
  6. Modalsätze (eingeleitet mit indem)
  7. Konditionalsätze (eingeleitet mit falls, wenn)
  8. Adversativsätze (eingeleitet mit während, wohingegen, anstatt dass)

Adverbiale Nebensätze geben also zum Beispiel einen Grund, ein Ziel, eine Folge oder eine Bedingung an. Andere stellen einen zeitlichen Bezug her oder stellen klar, dass sich zwei Sachverhalte nicht so ereignet haben, wie es erwartet wurde.

Wenn du weiterliest, erfährst du, wie du Konditionalsätze in Leichter Sprache auflösen kannst. Außerdem teile ich dir mit, wie du es nicht machen solltest.

Eine Möglichkeit des Auflösens von Konditionalsätzen, die du in Leichter Sprache vermeiden solltest

Einige Leichte-Sprache-Übersetzer greifen regelmäßig auf folgende Strategie zurück: Sie verfahren bei Adverbialsätzen einfach nach dem Motto “Tausche Punkt gegen Komma”.

Zu lesen sind in manchen Leichte-Sprache-Texten daher Passagen wie folgende:

Menschen mit Lern-Schwierigkeiten prüfen den Text. Wenn sie sagen: Der Text ist leicht. Dann bekommt der Text das Zeichen für Leichte Sprache.

Die EU muss sich um die Züge kümmern. Wenn die Züge von einem Land in ein anderes fahren.

Manchmal auch nicht mit der Konjunktion wenn, sondern mit beliebigen anderen Konjunktionen, die Nebensätze einleiten:

Wir mögen die Natur. Indem du uns wählst, tust du etwas für die Natur.

Wie kommt es zu dieser Strategie der Auflösung von Konditionalsätzen?

Das Netzwerk Leichte Sprache e. V. wie auch Christiane Maaß von der Universität Hildesheim verlangen, dass Satzgefüge aus Hauptsatz und Adverbialsatz in Leichter Sprache in zwei Sätze aufgelöst werden.

Gleichzeitig besagt eine Netzwerkregel erstaunlicherweise, dass Sätze, die mit wenn oder weil eingeleitet werden, alleine stehen können.

Und so machen es sich einige Leichte-Sprache-Übersetzer einfach. Ein Komma ist schnell gegen einen Punkt ausgetauscht. Sich andere Lösungen zu überlegen dauert länger. Wie auch Maaß und Bredel unterstreichen, werden Konditionalsätze jedoch nicht allein dadurch verständlicher, dass du die Zeichensetzung änderst.

Welche Übersetzungsstrategien sind möglich, wenn man zur Auflösung von Konditionalsätzen nicht einfach ein Komma gegen einen Punkt tauschen will?

3 empfehlenswerte Möglichkeiten, Konditionalsätze in Leichter Sprache aufzulösen

#1 Auflösung von Konditionalsätzen mit Fragen

 

Für Bredel und Maaß kann eine mögliche Übersetzungsstrategie darin bestehen, dem konditionalen Nebensatz die Struktur einer Frage zu geben.

So schlagen die beiden für die Auflösung des Satzes Wenn der Angeklagte Steuern hinterzogen hat, muss er ins Gefängnis folgende Möglichkeiten vor:

Der Angeklagte hat seine Steuern nicht bezahlt?

Dann muss der Angeklagte ins Gefängnis.

 

oder

 

Hat der Angeklagte seine Steuern nicht bezahlt?

Dann muss der Angeklagte ins Gefängnis.

 

Das Netzwerk Leichte Sprache e. V. lehnt eine solche Übersetzungsstrategie wiederum ab. So würden manche Menschen meinen, dass Fragen an sie selbst gerichtet seien und sie antworten müssten.

Meiner Meinung nach stellt die Verwendung von Fragen je nach Kontext eine mögliche Übersetzungsstrategie dar. Um die günstigste handelt es sich jedoch nicht unbedingt.

 

#2 Verwendung eines Doppelpunkts in Leichter Sprache

 

Je nach Kontext ist es möglich, sich bei der Auflösung von Konditionalsätzen mit einem Doppelpunkt zu behelfen. Diese Möglichkeit sehen Maaß und Bredel auch im obigen Satz und bieten folgende Übersetzungsmöglichkeit an:

Der Angeklagte hat seine Steuern nicht bezahlt:

Dann muss der Angeklagte ins Gefängnis.

Auf einen Doppelpunkt zurückzugreifen, wäre auch in einem der Sätze ganz oben möglich:

Die Züge fahren in ein anderes Land:

Dann soll sich die EU um die Züge kümmern.

 

#3 Auflösung von Konditionalsätzen in Leichter Sprache mit vielleicht

 

Während meiner Ausbildung durch das Netzwerk Leichte Sprache e. V. wurde uns angehenden Leichte-Sprache-Übersetzern immer wieder eine Auflösung mit vielleicht empfohlen.

Ich selbst verwende diese Übersetzungsstrategie recht häufig. Hier ein paar Beispiele aus meinen letzten Übersetzungen:

 

Vielleicht hast zu Lust zu fechten.

Dann kannst du bei uns mitmachen.

 

oder

 

Vielleicht möchtest du uns helfen.

Dann melde dich bei uns.

Du kannst uns zum Beispiel anrufen.

Unsere Nummer ist:

 

Generell gilt bei der Auflösung von Adverbialsätzen in Leichte Sprache: Die Sinnbezüge zwischen zwei Sätzen müssen versprachlicht werden. Das heißt: Es müssen Wörter integriert werden, durch die der Bezug zwischen den Sätzen deutlich wird.

 

Es darf also zum Beispiel nicht heißen:

Bettina hat Kopfschmerzen.

Sie geht nicht zur Arbeit.

Vielmehr solltest du schreiben:

Bettina hat Kopfschmerzen.

Deswegen geht sie nicht zur Arbeit.

 

Fehlt deswegen, muss der Leser diesen Zusammenhang selbst herstellen, was viele Menschen mit eingeschränkten geistigen Fähigkeiten nicht leisten können.

Diese Aufgabe der Herstellung eines Sinnzusammenhangs übernimmt oben vielleicht.

Inwiefern Auflösungen mit Fragekonstruktionen missverständlich sind bzw. ob Doppelpunktlösungen und vielleicht zu einem besseren Verständnis führen, müsste aber noch empirisch untersucht werden – wie so vieles in Leichter Sprache …

Noch ein Wort zum Schluss: Relativsätze lassen sich teils wie Konditionalsätze übersetzen.

 

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Zum Weiterlesen:

Bredel, Ursula; Maaß, Christiane: Leichte Sprache. Theoretische Grundlagen. Orientierung für die Praxis. Berlin 2016, S. 383-402

 

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Zeichnung:

© Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V.

Illustrator Stefan Albers, Atelier Fleetinsel, 2013

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