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24 häufige Fragen zu Leichter Sprache

Blaue Vogelfeder

Diese Woche habe ich auf Twitter, Facebook und LinkedIn eine Aktion gestartet, in der ich meine Follower*innen beziehungsweise Kontakte dazu aufgerufen habe, mir ihre Fragen zu Leichter Frage zu stellen. Innerhalb von zwei Tagen kamen über 20 Fragen zu Leichter Sprache zusammen. Fragen und Antworten zu barrierefreier Kommunikation findest du hier:

Häufige Fragen zu Leichter Sprache

#1  Sind Leichte und Einfache Sprache dasselbe?

Nein, Leichte und Einfache Sprache sind nicht dasselbe, sondern zwei unterschiedliche Sprachformen des Deutschen. Leichte Sprache ist die am leichtesten verständliche Sprachform, sie ist am stärksten vereinfacht. Einfache Sprache ist komplexer und existiert in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Mehr erfährst du in meinem Artikel Was sind die Unterschiede zwischen Leichter und Einfacher Sprache?

#2 Soll Leichte Sprache das “normale” Deutsch ersetzen?

Nein, Leichte Sprache ist immer ein Zusatzangebot für Menschen, für die Texte auf Standarddeutsch schwer oder gar nicht verständlich sind. Leichte Sprache ist also leicht verständliche Alternative. Sie richtet sich vor allem an Menschen mit einer geistigen Behinderung und an Personen, die aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls dauerhaft oder zeitweise besonders leicht verständliche Texte benötigen. Mehr zu diesem und anderen Vorurteilen über Leichte Sprache kannst du in meinem Artikel 11 Irrtümer über Leichte Sprache nachlesen.

#3 Arbeitest du als Übersetzerin für Leichte Sprache mit einer Prüfgruppe?

Ja, alle meine Leichte-Sprache-Texte entstehen im inklusiven Team. Sie werden – je nach Wunsch der Kund*innen – von einem*r oder mehreren Prüfer*innen mit einer geistigen Behinderung auf Verständlichkeit geprüft. Je nach Zeit, Zahl der Prüfer*innen und verwendetem Label übernehme ich diese Aufgabe selbst oder outsource sie an externe Prüfgruppen. Derzeit prüfe ich vor allem online mit einem Prüfer in Leipzig. Ich arbeite für einzelne Texte aber auch mit Prüfgruppen in Bayern, im Saarland und in Baden-Württemberg zusammen. Diese Prüfgruppen bestehen aus bis zu sechs Prüfer*innen mit unterschiedlichen Graden an Behinderung. Die Prüfassistenz übernehmen zwei eigens für Leichte Sprache ausgebildete Sozialpädagog*innen oder andere Übersetzer*innen für Leichte Sprache. Die Prüfgruppen treffen sich in Präsenz. Mehr über meine Arbeit mit Prüfer*innen verrate ich dir in meinem Artikel 9 Dinge, die ich als Leichte-Sprache-Texterin von meiner Prüfgruppe gelernt habe.

#4 Kannst du mir Prüfer*innen empfehlen, die in bestimmten Bereichen arbeiten?

Prüfer*innen für Leichte Sprache sind nicht spezialisiert. Die meisten arbeiten für Werkstätten, bisher gibt es kaum Prüfer*innen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sind. Wenn du eine Prüfgruppe suchst, gilt es also, dich bei Werkstätten für Menschen mit Behinderung durchzufragen und eine Gruppe zu finden, die Kapazitäten frei hat. Nicht alle arbeiten für externe Anbieter*innen. Hast du eine Gruppe gefunden, klärst du mit der Prüfassistenz ab, welche Themengebiete in Ordnung sind. Es gibt in der Tat Gruppen, die bestimmte Themen ablehnen, zum Beispiel weil sie den Prüfer*innen unangenehm sind, sie zu sehr belasten usw. Nicht alle Prüfer*innen akzeptieren zum Beispiel Texte in den Bereichen Erinnerungskultur, Sexualität oder Politik.

#5 Wie hast du deine Prüfer*innen gefunden?

Meine Prüfer*innen für Leichte Sprache habe ich über Networking gefunden. So kam ich zum einen mit einer Prüfgruppe in einer Werkstätte für Menschen mit Behinderung in Kontakt, die noch Kapazitäten frei hatte, lernte andere Expert*innen für Leichte Sprache kennen, die auch “fremde Texte” prüfen. In meinem Bekanntenkreis habe ich mich außerdem umgehört, wer Verwandte mit einer geistigen Behinderung hat, die Zeit und Lust haben, von mir geschriebene Texte auf ihre Verständlichkeit zu überprüfen.

#6 Wie werden Prüfer*innen für Leichte Sprache bezahlt?

Mein*e Prüfer*in und meine Prüfgruppe stellen mir eine Rechnung. Der Preis berechnet sich im ersten Fall nach Zeitaufwand, im zweiten nach der Zahl der Seiten meiner Leichte-Sprache-Texte. Es ist gar nicht so leicht, Prüfer*innen zu finden, die Rechnungen stellen können oder sich etwas dazu verdienen dürfen. Ich habe von Kolleg*innen gehört, die Prüfer*innen mit Geschenkgutscheinen entlohnen. Andere Übersetzer*innen für Leichte Sprache bezahlen ihre Prüfer*innen nicht selbst, die Prüfgruppen schicken ihre Rechnungen direkt an die Kund*innen. Ob es auch Expert*innen für barrierefreie Kommunikation gibt, die Prüfer*innen eine Festanstellung bieten, weiß ich nicht. Begegnet ist mir bisher aber niemand.

#7 Wie bist du zum Übersetzen von Erinnerungskultur in Leichte und Einfache Sprache gekommen?

Da ich der Meinung bin, dass Übersetzer für Leichte und Einfache Sprache nur in Bereichen arbeiten sollten, die sie gut kennen, habe ich mich auf folgende Bereiche spezialisiert: politische Teilhabe, Erinnerungskultur, Kunst, Tourismus und Gesundheit. Aufgrund meiner Familiengeschichte interessiere ich mich schon sehr lange für die Zeit des Nationalsozialismus. Mehr über mich erfährst du in den Artikeln Leonhard Hausmann und meine Suche nach vergessenen Konzentrationslagern und 7 Augsburger Frauen, die den Widerstand gegen Hitler wagten. Warum ich Leichte Sprache auch im Bereich der Erinnerungskultur besonders wichtig finde, kannst du hier nachlesen: Wie Erinnerungskultur für Menschen mit einer geistigen Behinderung möglich ist.

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#8 Wo kann man sich zur Übersetzerin in Leichte Sprache fortbilden lassen?

Den Begriff Fortbildung mag ich in Bezug auf Leichte Sprache eigentlich nicht. Viele verstehen unter Fortbildung einen Wochenendkurs. Es gibt in der Tat auch Wochenendkurse in Leichter Sprache, allerdings reichen solche Kurse nicht aus. Ausbilden lassen kannst du dich im Rahmen von Masterstudiengängen, zum Beispiel an der Universität Hildesheim. Außerdem bieten einzelne Mitglieder des Netzwerks Leichte Sprache e. V. Präsenzausbildungen an, die über mehrere Monate laufen, zum Beispiel in Hessen und Augsburg. Ich wurde vom Kompetenzzentrum Leichte Sprache der Caritas Betriebsträger GmbH in Augsburg ausgebildet. Ich finde es wichtig, dass Übersetzer*innen für Leichte Sprache viel Kontakt mit der Zielgruppe haben. Sich als Übersetzer*in für Fremdsprachen zusätzlich in Leichter Sprache zu qualifizieren, ohne regelmäßig Kontakte zu Menschen mit reduzierten intellektuellen Fähigkeiten zu haben, macht meiner Ansicht nach keinen Sinn. Viele Expert*innen für Leichte Sprache kommen aus der Behindertenarbeit oder haben Familienangehörige, die auf eine besonders leicht verständliche Sprache angewiesen sind. Wochenendkurse können nur einen Einblick geben oder der Auffrischung dienen.

#9 Kann es EINE Sprache für alle geben?

Nein. Jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse und diese Bedürfnisse müssen sich auch in der Sprachform spiegeln. Sprache soll von Form und Inhalten her weder über- noch unterfordern. Derartige Ansätze sind für mich also eine nicht umsetzbare Wunschvorstellung. Wir sind alle verschieden, unsere Gesellschaft ist divers. Genauso wie es für Füße unterschiedliche Schuhgrößen gibt, brauchen wir in Museen, im Fernsehen und anderswo Texte mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Ich halte daher auch nichts vom Vorschlag eines Kollegen, Leichte und Einfache Sprache zu fusionieren.

#10 Welche Begriffe erklärst du im Bereich der Erinnerungskultur?

Für Leichte Sprache gibt es feste Regeln, zum Beispiel vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. Diese Regeln gelten für sämtliche Leichte-Sprache-Texte, sie hängen also von keinem bestimmten Bereich ab. Verwendet werden dürfen nur leichte Wörter, andere sind zu vermeiden. Müssen schwere Wörter benutzt werden, sind sie zu erklären. Erklärungen für schwere Wörter im Bereich der Erinnerungskultur findest du hier: National-Sozialismus: Erklärung von schweren Wörtern in Leichter Sprache.

Bei der Entscheidung, welche Wörter ich erklären muss, helfen mir meine Prüfer*innen und viel Erfahrung.

In Einfacher Sprache fällt die Entscheidung schwerer. Hier muss mit den Kund*innen genau abgeklärt werden, welche Vorkenntnisse die Zielgruppe besitzt. Handelt es sich um Migrant*innen ohne Vorkenntnisse über den Nationalsozialimus, um Jugendliche, die schon Grundkenntnisse über den Holocaust besitzen usw.?

#11 Ist es schwer, Texte in Leichter Sprache zu schreiben?

Leichte-Sprache-Texte sehen sehr einfach aus. Die Antwort ist dennoch: ja! Es ist sehr schwer, sich in Menschen mit einer geistigen Behinderung hineinzuversetzen, Inhalte zu reduzieren, teils auch neu zu ordnen, Zusammenhänge für die Zielgruppe gut verständlich zu erklären, nach Definitionen in Leichter Sprache zu suchen, den Schwierigkeitsgrad immer weiter zu vereinfachen … Leichte Sprache ist für Texter*innen und Übersetzer*innen eine große geistige Arbeit. Nach manchen Texten bin ich – ehrlich gesagt – erst einmal ziemlich erschöpft.

#12 Warum benutzt du bei Leichter Sprache lieber das Wort “texten” als  “übersetzen”?

Weil das Übersetzen von Texten in Leichte Sprache ganz anders abläuft als in Fremdsprachen. In Fremdsprachen geben wir sämtliche Inhalte wieder und bemühen uns auch darum, alle Nuancen des Ursprungstextes in die andere Sprache zu übertragen. Leichte Sprache dagegen trifft eine Vorauswahl. Meist werden nicht alle Inhalte wiedergegeben, sondern nur die wichtigsten, da die Zielgruppe sonst durch das Volumen überfordert wäre. Expert*innen für Leichte Sprache sprechen sich also mit ihren Kund*innen ab und klären, welche Infos den Kund*innen am wichtigsten sind. Dabei sollten sie auch beratend tätig werden. Kund*innen ist nämlich oft nicht klar, was für Menschen mit einer geistigen Behinderung interessant ist, was für Informationen sie benötigen usw. Oft macht es für mich keinen Sinn, Kund*innen selbst Zusammenfassungen erstellen zu lassen. Ich suche mir – in Absprache mit Behörden, Vereinen, Bildungseinrichtungen, Parteien oder für wen auch immer ich arbeite – das Wichtigste heraus und verfasse damit meinen Leichte-Sprache-Text. Das erspart mir und meinen Kund*innen Zeit. Meine Tätigkeit gleich also tatsächlich eher der von Texter*innen als der von Übersetzer*innen. Ich bekomme Infos oder suche sie mir selbst und schreibe damit einen oder mehrere Leichte-Sprache-Texte. Für die Bereiche, in denen ich als Expertin für Leichte Sprache arbeite, ist dies die sinnvollste Vorgehensweise. Würde ich vor allem Antragsformulare übersetzen, sähe das sicher anders aus.

#13 Bietest du auch kostenlose Leichte-Sprache-Texte an?

Pro Monat investiere ich mindestens vier Stunden meiner Zeit in ehrenamtliche Tätigkeiten. Meist handelt es sich dabei aber nicht um die Erstellung von Leichte-Sprache-Texten, sondern um Aktivitäten im Bereich Erinnerungskultur oder das Coaching von Frauen, die sich selbstständig machen wollen. Das Schreiben von Artikeln, Wahlprogrammen, Ausstellungstexten … in Leichter Sprache ist mein Broterwerb, außerdem bezahle ich meine Prüfer*innen. Daher: nein. Ich biete keine kostenlosen Übersetzungen in Leichte Sprache an. Mit meinen Leistungen passe ich mich jedoch bis zu einem gewissen Maße dem zur Verfügung stehenden Budget für Leichte Sprache an. So lassen sich die Kosten für Leichte Sprache zum Beispiel durch das Verwenden von Bilddatenbanken (anstelle eigens für den Kunden angefertigter Illustrationen) oder kürzere Texte reduzieren.

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#14 Wäre es nicht besser, Menschen zu fördern, als ihnen Leichte Sprache anzubieten?

Leichte-Sprache-Texte richten sich vor allem an Menschen mit einer geistigen Behinderung. Förderung ist sicher wichtig, aber Förderung macht Leichte Sprache nicht unnötig. Manche Menschen wiederum brauchen Leichte Sprache tatsächlich nur vorübergehend – zum Beispiel nach einer Hirn-OP oder einem Schlaganfall. Diese Menschen möchten sich in der Zeit, in der sie standarddeutsche Texte nicht verstehen, dennoch informieren können, zum Beispiel über ihre Erkrankung oder über das aktuelle Tagesgeschehen. Außerdem ist Leichte Sprache auch nütztlich für Menschen, die nur wenig Deutsch sprechen.

#15 Ab wann lohnen sich Leichte-Sprache-Texte für Unternehmen?

Finanziell lohnen sich Leichte-Sprache-Texte auf den ersten Blick vor allem für Unternehmen, deren Zielgruppe Leichte Sprache benötigt. Unternehmen, die auf Barrierefreiheit setzen und die zeigen, dass ihnen Diversität und Inklusion wichtig sind, verbessern jedoch auch ihr Image. Sie ziehen mit barrierefreien Websites auch Kund*innen an, denen bestimmte Werte wichtig sind: wie zum Beispiel Teilhabe für alle.

#16 Ist es möglich, barrierefrei zu gendern?

Nein. Auf meinem Blog erfährst du hierzu in den Artikeln Wie leicht verständlich sind genderneutrale Begriffe? und Wie gendert man in Leichter bzw. Einfacher Sprache? mehr.

#17 Wie lange brauchst du für eine Übersetzung in Leichte Sprache?

Meine Liefertermine für Leichte Sprache hängen von verschiedenen Faktoren ab: dem Auftragsvolumen, der Komplexität der Texte, der Art der Illustrierung (Bilddatenbank oder Zeichner*in) … und natürlich von meiner Auftragslage. Meine Leichte-Sprache-Texte werden im inklusiven Team erstellt. Das heißt: auch für kurze Texte sind immer mindestens 10 Tage nötig. Wie lange ich für einen Text brauche, hängt aber auch von den Kund*innen ab. Nach der Erstellung einer Erstfassung warte ich erst einmal auf ein Feedback der Auftraggeber*innen. Dann überarbeite ich meinen Texte gegebenenfalls noch einmal und dann erst geht er an die Prüfer*innen. Lässt das Kund*innen-Feedback auf sich warten, geht es auch mit dem Leichte-Sprache-Text nicht voran.

#18 Dürfen Kund*innen Leichte-Sprache-Texte oder leichte Bilder selbst verändern?

Nein. Auch hierzu gibt es einen Artikel auf meinem Blog. Er beschäftigt sich zwar insbesondere mit Wahlprogrammen in Leichter Sprache, ist aber so auch für andere leicht verständliche Texte gültig: Warum du am Wahlprogramm deines Texters für Leichte Sprache nichts verändern solltest. Was leichte Bilder betrifft, verhält es sich ähnlich. Sie werden im inklusiven Team erstellt, von Menschen mit einer geistigen Behinderung geprüft und sind außerdem Eigentum des jeweiligen Zeichners. Du erwirbst nur die Nutzungsrechte. Auch leichte Bilder von Bilddatenbanken darfst du nicht verändern (siehe jeweilige Lizenzbestimmungen).

#19 Ist ein Vertrag in Leichter Sprache vor dem Gesetz gültig?

Nein, Verträge in Leichter Sprache sind nicht justiziabel, also nicht vor dem Gesetz gültig.

#20 Welche Label für Leichte und Einfache Sprache gibt es?

Derzeit gibt es viele verschiedene Label für Leichte und Einfache Sprache. Für beide Sprachformen verschiedene Label der Universität Hildesheim und von Capito sowie für Leichte Sprache das Easy-to-Read-Label von Inclusion Europe, ein Label des Netzwerks Leichte Sprache e. V. und vielleicht sogar noch andere. Theoretisch kann sich jede*r Übersetzer*in beziehungsweise jede*r Texter*in oder jede Agentur für Leichte und Einfache Sprache ein eigenes Label kreieren. Ein Label ist also nicht unbedingt eine Qualitätsgarantie – vor allem dann nicht, wenn die Einhaltung der Kriterien, die für die Verwendung des Labels nötig sind, nicht überprüft werden. In diesem Zusammenhang könnte dich auch der folgende Artikel interessieren: Wie wählt man als Partei seinen Übersetzer für Leichte Sprache aus?

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#21 Unterscheiden sich die Regeln für Leichte Sprache in verschiedenen Sprachen?

Diese Frage zu beantworten finde ich – zugegebenermaßen – eher schwierig. Nicht alle Sprachen besitzen bereits eine Sprachform, die der Leichten Sprache des Deutschen entspricht. Im Französischen gibt es das sogenannte FALC (Facile à lire et à comprendre) und im Englischen Simple English. Entstanden sind diese vereinfachten Sprachformen aus der People-First-Bewegung. Zugrunde liegen sehr ähnliche Regeln, wie:

Da ich selbst nur Expertin für Leichte Sprache bin, kenne ich mich in stark vereinfachten Sprachformen anderer Sprachen weniger bis gar nicht aus. Als Romanistin habe ich mich etwas mit FALC befasst und mit Erstaunen festgestellt, dass diese Sprachform des Französischen – was den Satzbau betrifft – wesentlich komplexere Sätze (zum Beispiel Gérondif-Konstruktionen) erlaubt als das Deutsche. Da Gérondif-Konstruktionen sehr unterschiedliche Bedeutungen haben können (konzessiv, modal, Gleichzeitigkeit), frage ich mich in der Tat, ob diese von der Zielgruppe immer richtig gedeutet werden können. Aus dem Deutschen wissen wir zum Beispiel, dass Menschen mit einer mittelgradigen geistigen Behinderung obwohl-Sätze nicht verstehen.

Andere Phänomene, die Menschen mit reduzierten intellektuellen Fähigkeiten im Deutschen Probleme bescheren, gibt es wiederum in anderen Sprachen nicht (ich denke hier zum Beispiel an den fehlenden Genitiv im Französischen).

#22 Verhindern Einfache und Leichte Sprache Falschinformationen und Lügen?

Natürlich ist es auch möglich, in Einfacher und Leichter Sprache zu lügen und falsche Informationen zu verbreiten. Leichte Sprache ist allerdings viel konkreter. Es fällt in Leichter Sprache schwerer, bestimmte Dinge zu “verstecken” beziehungsweise zu cachieren, dass man sich über bestimmte Dinge noch gar keine genauen Gedanken gemacht hat. Ich fertige in Leichter Sprache viele Wahlprogramme an. Da passiert es schon immer mal wieder, dass ich bei den Ortsverbänden nachfragen muss, wie dieses oder jenes umgesetzt werden soll. Manchmal bekomme ich dann ganz konkrete Ideen mitgeteilt, manchmal heißt es aber auch: “Du hast uns ertappt. Das wissen wir selbst noch gar nicht. Deswegen hatten wir das etwas ‘schwammig’ formuliert.” ‘Schwammige’ Formulierungen gibt es in Leichter Sprache aber eigentlich nicht. Leichte Sprache erklärt ganz genau, was wer wie macht. Und oft wird dazu auch noch der Grund angegeben, zum Beispiel:

Wir sagen:

Die Leute sollen mehr zu Fuß laufen.

Und weniger mit dem Auto fahren.

In der Stadt muss man langsam fahren.

Dann macht das Auto-Fahren keinen Spaß mehr.

Dann fahren die Leute lieber mit dem Rad.

#23 Wie schließt “komplizierte” Sprache Teile der Leserschaft aus?

Sprache kann durch ihren Wortschatz, durch ihre grammatikalischen Strukturen und ihren Satzbau ausschließen, aber auch zum Beispiel durch die Verwendung von Redewendungen, sprachlichen Bildern und Abkürzungen. Teile der Leserschaft werden aber auch dadurch ausgegrenzt, dass Zusammenhänge zu wenig erklärt werden, dass ein Vorwissen vorausgesetzt wird, dass nicht alle Leser*innen besitzen.

Zum Wortschatz in Leichter und Einfacher Sprache findest du auf meinem Blog mehrere Artikel: Leichte Sprache: Wie erkennt man leichte Wörter? und 6 Punkte, die du über Adjektive in Einfacher Sprache wissen solltest und Wie leicht verständlich sind genderneutrale Formulierungen? und 5 Wörter, die du ganz schnell durch leichtere ersetzen kannst.

Mehr zu grammatikalischen Strukturen und Satzbau in Leichter und/oder Einfacher Sprache erfährst du in folgenden Artikeln: Wie du in Leichter Sprache kausale Zusammenhänge verdeutlichen kannst und Leichte Sprache: so löst du Konditionalsätze auf und Schmeißt endlich das Passiv raus! und Leichte Sprache ist dem Genitiv sein Tod und 5 Strukturen, die in Leichter Sprache nichts zu suchen haben.

 

#24 Hast du Beispiele für Texte, die du von “schwerer” Sprache in Leichte Sprache übersetzt hast?

In diesem Artikel Passagen von “schwerem” Deutsch und von Leichter Sprache direkt gegenüberzustellen würde den Rahmen springen. Du findest aber einige Übersetzungen online: So wurden die 5+1 Herausforderungen von Volt Deutschland in Leichter Sprache zu Was will Volt? Du siehst: Hier hat sich allein der Titel schon beträchtlich verändert: “Herausforderungen” ist ein schwer verständliches Wort, so dass ich es in Leichter Sprache nicht verwendet habe. Auch eine “Rechenaufgabe”, wie 5+1, ist nicht ideal, daher ganz einfach: “Was will Volt?” Weitere Leichte-Sprache-Texte von mir findest du, wenn du noch mehr auf der Website von Volt Deutschland stöberst.

Übersetzt habe ich zum Beispiel auch das Wahlprogramm der SPD für die Landtagswahlen in Baden-Württemberg 2021. Das Programm der SPD auf Standarddeutsch findest du hier: Das Wichtige jetzt – Das SPD-Wahlprogramm zur Landtagswahl 2021.

 

24 Fragen und Antworten zu Leichter Sprache … Dabei sind wir nicht im Advent! Auf einige werde ich in den nächsten Wochen und Monaten sicher noch genauer in einem eigenen Artikel eingehen. Über die Fragen zu Leichter Sprache hinaus bekam ich von anderen Leichte-Sprache-Übersetzer*innen auch Fragen zu Minijobs, zur Einstellung von Mitarbeiter*innen … Da ich mich in diesen Bereichen nicht auskenne, habe ich diese Punkte ausgespart …

 

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Zur Autorin:

Leichte-Sprache-Übersetzerin Andrea Halbritter

Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Germanistin und Romanistin mit 2. Staatsexamen und vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. zertifiziert. Sie übersetzt vom Französischen ins Standarddeutsche und erstellt Texte in Leichter und Einfacher Sprache. Ihre Ausbildung zur Übersetzerin in Leichte Sprache hat sie am Kompetenzzentrum für Leichte Sprache der Caritas Betriebsträger GmbH in Augsburg absolviert.

 

 

 

 

 

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